Wenn es so weitergeht, darf es nicht so weitergehen.
Noch zwei
Wochen bis zu den Wahlen in der Steiermark und im
BurgenlandWirtschaftlich „abgesandelt“. So charakterisierte
Christoph Leitl Österreich vor bald zwei Jahren. Präziser: Der
Wirtschaftskammerpräsident meinte, das Land sei zum „europäischen
Durchschnitt abgesandelt“. Das klingt gleich weniger provokant.
Damit wären wir einfach nicht mehr bei den Besten. Aber immer noch
im Mainstream der Industrieländer. Auf den Lorbeeren schnarchen.
Darf doch jeder mal.
Ich fürchte
nur, Durchschnitt ist eine eher optimistische Sicht der Lage.
Bestimmend wird in der Ökonomie ja oft nicht der Zustand. Die
Momentaufnahme zeigt wenig. Wichtig gerät vielmehr die Entwicklung.
Die lässt sich beim Tanker Volkswirtschaft nämlich nicht so leicht
drehen. Und da scheint einiges in die falsche Richtung zu gieren.
Wenn nicht sogar alles. Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum,
Schuldendienst.
Aber
eigentlich will ich mich hier gar nicht mit der Wirtschaft in all
ihren Erscheinungsformen beschäftigen. Mehr dazu in den kommenden
Ausgaben von profil. Unmittelbar sollte uns die politische Konjunktur
interessieren. Mit der hängt das wirtschaftliche Fortkommen dann ja
wieder mittelbar zusammen.
In zwei
Wochen wird in der Steiermark und im Burgenland gewählt. Und da
könnte es ordentlich krachen. Vielleicht sollte es sogar krachen,
damit sich endlich etwas verändert.
Die
Ausgangslage ist ähnlich jener, die wir seit den
Neunzehnhundertachtzigerjahren kennen: Die FPÖ wird stärker.
Sozialdemokratie und Volkspartei werden im gleichen Ausmaß
schwächer. Wer von den beiden weniger verliert, wird sich als Sieger
feiern. Die Grünen spielen die Statistenrolle (selbst wenn sie
mitregieren, wie zum Beispiel in Wien oder Oberösterreich).
Ein
bemerkenswerter Unterschied zeigte sich freilich in einer kürzlich
publizierten profil-Umfrage: Bei der Kanzlerfrage lagen Faymann,
Mitterlehner und Strache gleichauf. An ein vergleichbares Ergebnis –
auch in Zeiten von Jörg Haider – kann ich mich nicht erinnern: Die
Freiheitliche Partei lag zwar oftmals Kopf an Kopf mit den ehemaligen
Großparteien. Als Regierungschef wollten die Österreicher deren
jeweiligen Capo aber nie. Heinz-Christian Strache und Haider landeten
stets weit abgeschlagen hinter dem jeweiligen Kanzler, meist also dem
SPÖ-Chef, und dem Vizekanzler. Kanzlerbonus nennt man das. Erst
recht in Relation zu derart dubiosen Figuren wie eben Strache oder
Haider.
Und jetzt
ein Kanzlermalus.
Ich darf
anmerken, dass mir prinzipiell relativ egal ist, ob Rote, Schwarze
oder gar Grüne den Regierungschef stellen. Alles integre Parteien
mit interessanten Aspekten im respektiven Programm. Keine
extremistischen Standpunkte, keine Verrückten in Führungsfunktionen.
Ich füge hinzu, dass ich Werner Faymann für einen korrekten,
fleißigen und verantwortungsbewussten Menschen halte, auch deutlich
reflektierter und damit intellektueller, als das in der Rezeption der
sogenannten Meinungselite ankommt.
Dennoch: Ein derartiges Umfrageergebnis – auch unter
Berücksichtigung der statistischen Schwankungsbreiten bei kleinen
Samples – zeigt, dass der Hut brennt. Und zwar fürs Land – wenn
sich eben dieses plötzlich den Neonazifreund und Hetzparolisten
Strache als obersten Verweser vorstellen kann.
Wer ist an
dieser unglaublichen Entwicklung schuld? Alle natürlich ein wenig,
ganz allgemein und mit Bedauern gesagt ein ganz und gar unsensibles
Volk, konkret und aktuell aber eben Faymann. Schließlich hat er
jenen Kanzlerbonus verspielt, hat er offensichtlich nicht die Kraft,
nicht das Charisma, die Österreicher davon zu überzeugen, dass sie
mit einem gemäßigten Kanzler besser dastehen als mit einem Strache.
Konsequenzen:
Tatsächlich liegt es an der SPÖ und an Werner Faymann selbst, zu
überlegen, ob das so weitergehen kann. Und soll. Ich halte sowohl
die Partei wie auch deren Vorsitzenden für vernünftig genug, um zu
registrieren, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem man durch
personelle Veränderungen Schaden vom Land abwenden muss.
Ich maße
mir nicht an, diesen Zeitpunkt selbst erkennen zu können. Aber die
(genannte) Umfrage, die (erwähnte) Wirtschaftsentwicklung, die
(blamable) Taktiererei der SPÖ um eine Steuerreform (die dann keine
war), die (voraussehbaren) Ergebnisse bei den bevorstehenden
Landtagswahlen – das sind doch allesamt Hinweise darauf, dass sich
die Lage sehr zugespitzt hat.
Muss
wirklich die letzte Wahl im Jahr, die Wien-Wahl im Oktober,
abgewartet werden, bis es „Konsequenzen“ gibt? Muss der Schaden
eingetreten sein, damit man an seine Möglichkeit glaubt?
christian.rainer@profil.at
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