Sonntag, 17. Mai 2015

Noch zwei Wochen bis zu den Wahlen in der Steiermark und im Burgenland

 Wenn es so weitergeht, darf es nicht so weitergehen.
Noch zwei Wochen bis zu den Wahlen in der Steiermark und im BurgenlandWirtschaftlich „abgesandelt“. So charakterisierte Christoph Leitl Österreich vor bald zwei Jahren. Präziser: Der Wirtschaftskammerpräsident meinte, das Land sei zum „europäischen Durchschnitt abgesandelt“. Das klingt gleich weniger provokant. Damit wären wir einfach nicht mehr bei den Besten. Aber immer noch im Mainstream der Industrieländer. Auf den Lorbeeren schnarchen. Darf doch jeder mal.
Ich fürchte nur, Durchschnitt ist eine eher optimistische Sicht der Lage. Bestimmend wird in der Ökonomie ja oft nicht der Zustand. Die Momentaufnahme zeigt wenig. Wichtig gerät vielmehr die Entwicklung. Die lässt sich beim Tanker Volkswirtschaft nämlich nicht so leicht drehen. Und da scheint einiges in die falsche Richtung zu gieren. Wenn nicht sogar alles. Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum, Schuldendienst.
Aber eigentlich will ich mich hier gar nicht mit der Wirtschaft in all ihren Erscheinungsformen beschäftigen. Mehr dazu in den kommenden Ausgaben von profil. Unmittelbar sollte uns die politische Konjunktur interessieren. Mit der hängt das wirtschaftliche Fortkommen dann ja wieder mittelbar zusammen.
In zwei Wochen wird in der Steiermark und im Burgenland gewählt. Und da könnte es ordentlich krachen. Vielleicht sollte es sogar krachen, damit sich endlich etwas verändert.
Die Ausgangslage ist ähnlich jener, die wir seit den Neunzehnhundertachtzigerjahren kennen: Die FPÖ wird stärker. Sozialdemokratie und Volkspartei werden im gleichen Ausmaß schwächer. Wer von den beiden weniger verliert, wird sich als Sieger feiern. Die Grünen spielen die Statistenrolle (selbst wenn sie mitregieren, wie zum Beispiel in Wien oder Oberösterreich).
Ein bemerkenswerter Unterschied zeigte sich freilich in einer kürzlich publizierten profil-Umfrage: Bei der Kanzlerfrage lagen Faymann, Mitterlehner und Strache gleichauf. An ein vergleichbares Ergebnis – auch in Zeiten von Jörg Haider – kann ich mich nicht erinnern: Die Freiheitliche Partei lag zwar oftmals Kopf an Kopf mit den ehemaligen Großparteien. Als Regierungschef wollten die Österreicher deren jeweiligen Capo aber nie. Heinz-Christian Strache und Haider landeten stets weit abgeschlagen hinter dem jeweiligen Kanzler, meist also dem SPÖ-Chef, und dem Vizekanzler. Kanzlerbonus nennt man das. Erst recht in Relation zu derart dubiosen Figuren wie eben Strache oder Haider.
Und jetzt ein Kanzlermalus.
Ich darf anmerken, dass mir prinzipiell relativ egal ist, ob Rote, Schwarze oder gar Grüne den Regierungschef stellen. Alles integre Parteien mit interessanten Aspekten im respektiven Programm. Keine extremistischen Standpunkte, keine Verrückten in Führungsfunktionen. Ich füge hinzu, dass ich Werner Faymann für einen korrekten, fleißigen und verantwortungsbewussten Menschen halte, auch deutlich reflektierter und damit intellektueller, als das in der Rezeption der sogenannten Meinungselite ankommt.
Dennoch: Ein derartiges Umfrageergebnis – auch unter Berücksichtigung der statistischen Schwankungsbreiten bei kleinen Samples – zeigt, dass der Hut brennt. Und zwar fürs Land – wenn sich eben dieses plötzlich den Neonazifreund und Hetzparolisten Strache als obersten Verweser vorstellen kann.
Wer ist an dieser unglaublichen Entwicklung schuld? Alle natürlich ein wenig, ganz allgemein und mit Bedauern gesagt ein ganz und gar unsensibles Volk, konkret und aktuell aber eben Faymann. Schließlich hat er jenen Kanzlerbonus verspielt, hat er offensichtlich nicht die Kraft, nicht das Charisma, die Österreicher davon zu überzeugen, dass sie mit einem gemäßigten Kanzler besser dastehen als mit einem Strache.
Konsequenzen: Tatsächlich liegt es an der SPÖ und an Werner Faymann selbst, zu überlegen, ob das so weitergehen kann. Und soll. Ich halte sowohl die Partei wie auch deren Vorsitzenden für vernünftig genug, um zu registrieren, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem man durch personelle Veränderungen Schaden vom Land abwenden muss.
Ich maße mir nicht an, diesen Zeitpunkt selbst erkennen zu können. Aber die (genannte) Umfrage, die (erwähnte) Wirtschaftsentwicklung, die (blamable) Taktiererei der SPÖ um eine Steuerreform (die dann keine war), die (voraussehbaren) Ergebnisse bei den bevorstehenden Landtagswahlen – das sind doch allesamt Hinweise darauf, dass sich die Lage sehr zugespitzt hat.
Muss wirklich die letzte Wahl im Jahr, die Wien-Wahl im Oktober, abgewartet werden, bis es „Konsequenzen“ gibt? Muss der Schaden eingetreten sein, damit man an seine Möglichkeit glaubt?
christian.rainer@profil.at



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