Strolz: Würden Private ihr Geld wie einige Länder verwalten, bekämen sie einen Vormund.
Einerseits
möchte er die Übermacht der Landesfürsten zurückdrängen,
andererseits will er die Steuerhoheit für die Länder. Das gehe gut
zusammen, sagt Neos-Chef Matthias Strolz. Landeshauptmann Markus
Wallner (ÖVP) fordert er auf, endlich zu kämpfen. Es könne nicht
sein, dass die Vorarlberger die Wiener Luxuspensionen mitbezahlen
müssten.
Sie haben 2010 geschrieben: „Wenn Gespräche auf die Politik kommen, schlägt mir meist Ärger, Frust, Zynismus oder Resignation entgegen.“ Ist das heute noch so?
STROLZ: Ja,
es wurde fast noch schlimmer.
Haben die Neos zu wenig bewegt, oder haben Sie es sich leichter vorgestellt?
STROLZ: Zum
einen bin ich zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Das
Beschneiden der Luxuspensionen hätte es ohne unseren Druck nicht
gegeben, auch nicht den Hypo-U-Ausschuss. In der Bildungspolitik
haben wir die Schulautonomie zum Topthema gemacht. Die Lösungen sind
noch nicht da, aber die Regierung hat sich ein Ultimatum gesetzt.
Gleichzeitig bin ich ungeduldig. Aber auch Unternehmen brauchen fünf
bis sieben Jahre, bis sie stark im Markt stehen. Das gilt ebenso für
politische Unternehmungen.
Landeshauptmann Markus Wallner gibt Ihnen diese Zeit offenbar nicht. Er sagte, dass man Sie vom Markt fegen wird.
STROLZ: Markus
Wallner ist ein Angstbeißer. Er hat ein schlechtes Gewissen.
Ein schlechtes Gewissen?
STROLZ: Er
geht viele Sauereien mit. Er bietet auch (Anm. dem Wiener
Bürgermeister) Michael Häupl nicht die Stirn. Sonst müsste er
sagen: Wir Vorarlberger sind nicht bereit, die Sonder- und
Luxuspensionen in Wien zu bezahlen. Die Vorarlberger machen das aber
im Rahmen des Finanzausgleichs. Wenn Häupl sagt, er verlängere die
Privilegien bis 2042 und nehme dafür 150 Millionen in die Hand,
zahlen die Vorarlberger Millionen mit. Wallner müsste das unter
anderem abstellen, tut es aber nicht. Deswegen hat er ein schlechtes
Gewissen und schlägt dann mit solchen unqualifizierten Meldungen um
sich.
Haben SPÖ und ÖVP Einsparungspotenziale verpasst?
STROLZ: Insbesondere
die ÖVP. Sie sagt immer: Mit uns keine Steuererhöhung. Und was
passiert? Mehrwertsteuererhöhung, Kapitalertragsteuererhöhung,
Grunderwerbsteuererhöhung.
Sie wollen Politiker durch ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht mehr zur Verantwortung ziehen. Die ÖVP will das nun auch. Ein Schulterschluss?
STROLZ: Jederzeit.
Ich halte ein Persönlichkeitswahlrecht für richtig. Viele Politiker
fühlen sich nicht dafür verantwortlich, was sie machen. Wenn wir
das Mandat direkt an die Bürger binden, entsteht eine andere
Rechenschaftspflicht. Jetzt ist es so, dass Abgeordnete von den
Landesfürsten im Nationalrat kontrolliert werden. Bevor sie ihr Hirn
einschalten, schalten sie das Handy ein und fragen Häupl, Pröll
oder Wallner, was sie tun müssen.
Sie wollen die Übermacht der Landesfürsten zurückdrängen, fordern gleichzeitig die Steuerhoheit der Länder. Wie passt das zusammen?
STROLZ: Sehr
gut. Was nicht geht, ist, dass man für etwas zuständig ist, ohne
dass man dafür Verantwortung übernimmt. Wir wollen nach Schweizer
Muster einen Verantwortungsföderalismus. Ich frage mich: Warum sind
fünfeinhalb Jahre nach der Hypo-Verstaatlichung die Länder noch
immer nicht gezwungen, die Haftungen offenzulegen? Warum haben wir
zweieinhalb Jahre nach der Finanzkrise in Salzburg immer noch keine
einheitlichen Finanzvorschriften? In Salzburg haben sie mit fast 1,5
Milliarden spekuliert, das ist die Hälfte des Landesbudgets. Wenn
Sie bei der Hälfte Ihres Jahresgehalts nicht wissen, wo es umgeht,
bekommen Sie einen Vormund.
Gemeinsame Standards und die Steuerhoheit also?
STROLZ: Ja,
die Steuerhoheit funktioniert in der Schweiz sehr gut. Wir würden
die Kommunalsteuer streichen und den Einkommensteuersatz durch
Einsparungen massiv senken. Dafür können die Gemeinden bis zu sechs
Prozent auf die Einkommensteuer drauflegen und die Bundesländer bis
zu fünf. Insgesamt wären wir dann aber trotzdem unter dem jetzigen
Niveau und entlasten den Faktor Arbeit.
Wo hat Verländerung Sinn und wo Zentralismus?
STROLZ: Den
Gesundheitsbereich sollte man aus einer Hand steuern. Im
Bildungsbereich möchten wir die Zuständigkeit direkt auf die
Gemeindeebene bringen, da braucht es nur einen bundesweiten Rahmen.
Auch den Pflegebereich kann man in die Obhut der Länder geben.
Wäre
es eine Niederlage für Markus Wallner, wenn die
Steuerhoheit
nicht kommt?
STROLZ: Nein,
eine Niederlage nicht. Er kämpft ja nicht dafür. Die Frage ist:
Wofür kämpft er überhaupt?
Im Wahlkampf 2013 hieß es, die Neos seien quasi die erneuerte ÖVP. Nun hat die ÖVP ein neues Programm beschlossen. Ist die ÖVP nun die neue Neos?
STROLZ: Dass
sie sich einmal der Erneuerung widmen, ist wichtig und richtig. Sie
fürchten sich aber vor klaren Aussagen und lassen sich alle Türen
offen. Die ÖVP bleibt die Partei der Patriarchen, der Prölls,
Pühringers, eines Andreas Khol und Fritz Neugebauer. Derzeit wird
das unfreundliche Gesicht der ÖVP halt gut versteckt. Aber eines ist
klar: Wenn die ÖVP und auch die SPÖ nicht den Atem der Neos im
Nacken spüren, dann lehnen sie sich sofort zurück und sagen: ,Wir
müssen eh nichts tun.‘
Es gibt aber auch andere Oppositionsparteien …
STROLZ: Die
Grünen haben mit ihrem Engagement für die Umwelt andere
Schwerpunkte gesetzt. Sie haben es geschafft, dass heute jede Partei
einen grünen Schwerpunkt hat. Ich will, dass in fünf Jahren jede
Partei einen pinken Schwerpunkt hat: Wir stellen den freien Menschen
in den Mittelpunkt.
Da passt ein Zitat von Ihnen: „Die Bürger erleben Politik immer mehr als Bevormundung.“ Empfinden Sie etwa das Rauchverbot als solche?
STROLZ: Es
ist ein Grenzgang. Beim Rauchen ist es ein Wertekonflikt zwischen
Gesundheit und Freiheit. Da finde ich es nachvollziehbar. Wir sind
auch für eine rauchfreie Gastronomie, wir glauben nur, dass dieses
Murksgesetz die Unternehmer frustriert. Was wir absolut bekämpfen,
ist die automatische Einsichtnahme in Bankkonten ohne richterlichen
Beschluss. ÖVP und SPÖ wollen das umsetzen. Sie wollen alles von
uns wissen. Innenministerin Mikl-Leitner will die
Vorratsdatenspeicherung, obwohl sie vom Europäischen Gerichtshof
gekippt wurde. Andererseits sind sie aber nicht bereit, ihre
Haftungen offenzulegen. Der Staat mauert überall, aber der Bürger
wird bis auf die Unterhose ausgezogen.
Auch eine Wertfrage zwischen Freiheit und Sicherheit?
STROLZ: Absolut.
Man kann es immer nur im Einzelfall betrachten. Aber es wird eine
Schicksalsfrage für unseren Kontinent. Wir sind auf der
Beschleunigungsspur in Richtung Spitzelstaat.
von Birgit
Entner
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