Gastkommentar
von Andreas Unterberger: Die schon jetzt auf dem schmerzenden Rücken
der Patienten tobende Schlacht zwischen Rathaus und Wiener
Ärztekammer eskaliert immer mehr. Es ist zwar im Grund „nur“ ein
klassischer Arbeitskampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Jedoch
sind die Fronten verkehrt: In diesem Krieg fungiert die SPÖ als
Arbeitgeber – und zwar viel brutaler, als es die österreichischen
Unternehmer in den letzten Jahren versucht haben.
Die
Rathaus-SPÖ gibt sich so, wie es der sozialistischen
Geschichtsschreibung zufolge der Manchester-Liberalismus getan hat.
Erstaunlicherweise wird sie dabei auch von der
Gemeindeangestellten-Gewerkschaft unterstützt. Das erstaunt aber
deutlich weniger, sobald man sich in Erinnerung ruft, dass diese
Gewerkschaft immer schon eine gehorsame Außenstelle der Rathaus-SPÖ
gewesen ist und noch nie die Interessen der Ärzte vertreten hat
(auch nicht die der angestellten).
Die
Wiener Gesundheitsstadträtin Wehsely kündigt nun als Eskalation des
Krieges öffentlich an, die Ärztekammer als Vertretung der Ärzte
einfach auszuschalten. Sie will die Kammer aus Gremien wie einer
schon fixiert gewesenen „Monitoringkommission“ einfach
hinauswerfen. Wehsely: „Ich kann nicht einer Vertretungsgruppe eine
Rolle zukommen lassen, die das gemeinsam erzielte Ergebnis ablehnt.“
Der
Anlass: Die Ärzte beziehungsweise die Ärztekammer haben
Verhandlungsergebnisse abgelehnt, die zuvor von einigen Funktionären
mit der Gemeinde vorverhandelt worden waren. Was freilich auch bei
Kollektivvertragsrunden immer wieder passiert, also bei
Arbeitskonflikten ganz normal ist.
Daher
ist die Reaktion Wehselys ungeheuerlich. Sie agiert so, wie wenn die
Wirtschaftskammer als Arbeitgebervertreter die Gewerkschaft aus allen
gemeinsamen Gremien hinauswerfen würde, weil bei einer Urabstimmung
ein Verhandlungsergebnis abgelehnt worden ist. Wie wenn die
Unternehmer dekretieren würden, dass die Gewerkschaftsvertreter
nicht mehr in Aufsichtsräten sitzen dürften.
Man
stelle sich vor, wie SPÖ und Gewerkschaft reagieren würden, wenn
Österreichs handzahme Wirtschafts-Exponenten plötzlich so
vorgingen. Da stünde die Republik wohl in Flammen. Und parteinahe
„Experten“ würden in ORF-Sondersendungen den Untergang von
Rechtsstaat und Demokratie verkünden. Aber im – sich
offensichtlich immer mehr von Rechtsstaat und Demokratie entfernenden
– Wiener Rathaus glaubt man, sich das leisten zu können. Obwohl
man damit am Fundament der Sozialpartnerschaft rüttelt, welche die
SPÖ selbst (zusammen mit der ÖVP) vor kurzem sogar in der
Verfassung verankert hat.
Rückzug
in die Wagenburg
Die
Wiener SPÖ hat jetzt jedenfalls binnen weniger Wochen sowohl Ärzten
wie Lehrern offen den Krieg erklärt. Diese Gruppen werden als
potentielle Wähler aufgegeben. Die Partei setzt nur noch auf
„Krankenschwestern und Feuerwehrleute“. Diese
Zielgruppen-Definition hat jedenfalls erst vor kurzem der
Bundesparteichef der SPÖ kundgetan. Das sind nicht mehr sehr viele
potentielle SPÖ-Wähler. Das heißt auf Deutsch: Rückzug mit den
letzten treuen Bataillonen in die Wagenburg.
Wer
im eigentlichen Gehalts- und Honorarstreit rund um die Spitäler
recht behält, ist den Patienten völlig egal. Natürlich schauen die
Ärzte auf ihre finanziellen Interessen. Natürlich wollen sie als
Folge einer angeordneten (nicht erkämpften) Reduktion der
gesetzlichen Arbeitszeiten nicht weniger verdienen. Natürlich haben
sie recht, wenn sie nicht hinnehmen wollen, dass in den
Gemeindespitälern gleichzeitig mit der Reduktion der Arbeitszeit
skurrilerweise auch noch Hunderte Ärzte-Arbeitsplätze abgebaut
werden sollen. Natürlich führt das zu gewaltigem Zusatzstress –
und vor allem zu einer viel gehetzteren Zuwendungszeit für die
Patienten.
Aber
umgekehrt hat auch die Gemeinde im Prinzip völlig recht, wenn sie
Angst hat vor den explodierenden Kosten des Gesundheitssystems. Wenn
sie da zu bremsen versucht. Nur muss sie sich dabei schon dreierlei
vorhalten lassen:
-
Die Arbeitszeitbeschränkung für die Ärzte ist vor allem von den europäischen Sozialisten durchgesetzt worden, nicht von den Ärzten. Diese Beschränkung scheint zwar durchaus sinnvoll zu sein: 30-Stunden-Dienste (oder noch längere) sind nicht wirklich vertrauenerweckend (außer die Ärzte können in der Nacht schlafen). Aber jedenfalls musste für die Sozialisten von Anfang an klar gewesen sein, dass die verlangte neue Arbeitszeit-Regelung gewaltige Zusatzkosten auslösen wird.
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Es ist jedenfalls grob fahrlässig, sich jahrelang nicht um eine Vereinbarung mit den Ärzten gekümmert zu haben, obwohl man wusste, dass die Umsetzung der neuen Arbeitszeit-Regelung ins Haus steht.
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Solange die Gemeinde Wien so viel Geld für Bestechungsinserate in bestimmten Medien verwendet (ein Vielfaches von jeder anderen Körperschaft!), solange so viele Werbeaktionen für den Song-Contest finanziert werden (wie einschlägige Musik aus dem Kanalgitter), solange so viele ideologische Propaganda-Vereine aus dem Gemeindebudget finanziert werden, solange haben die Wiener absolut kein Verständnis für Sparsamkeit der Gemeinde im Gesundheitssystem. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu provozierend, wenn das Rathaus ausgerechnet im Spitalsbereich zu sparen beginnt, wenn es Hunderte Ärzte-Stellen abbaut und offenbar auch einen Ärzte-Streik riskiert.
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