Sonntag, 24. Mai 2015

Das Hypo-Desaster

Haben die Bayern die Republik Österreich hinters Licht geführt und uns wissentlich eine kaputte Bank umgehängt? Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling ist davon überzeugt und brachte vor Weihnachten eine Klage auf 3,5 Milliarden Euro ein. Wegen "bewusster Täuschung seitens der Bayern über die katastrophale Lage der Hypo zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung Ende 2009".
Die Republik Österreich dürfte gute Chancen haben, den Prozess zu gewinnen. Die gesamte Führungsriege der BayernLB wusste ganz genau, wie kaputt ihre erst 2007 erworbene Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA) war. Der damalige FinanzministerGeorg Fahrenschon (CSU) sowie Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) waren ebenfalls eingeweiht, dass die staatliche bayerische Landesbank auf einem finanziellen Sprengsatz hockte. Den es schleunigst zu entsorgen galt.
Dass die Bayern die heimische Regierung austricksten, ist hinlänglich bekannt. Aufschlussreich ist es jedoch, nachzulesen, wie die Bayern damals intern diskutierten und sich ihre Strategie zurechtlegten – die erfolgreich war. Auf Kosten der österreichischen Steuerzahler.
Zwei Wochen bevor die Bayern die Kärntner Katastrophenbank in einer nächtlichen Marathonsitzung Österreich andrehten und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sowie Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) über den Tisch zogen, trafen sie sich zu einer zweitägigen Krisen-Klausur im Schloss Hohenkammer. Dem KURIER liegt, wie bereits in der Samstag-Ausgabe berichtet, das Protokoll vor. Mit dabei waren auch Berater der Investmentbank Morgan Stanley, des Wirtschaftsprüfers PwC und der Anwaltskanzlei Freshfields.
Den Vorsitz führt Minister Fahrenschon. Beim Tagesordnungspunkt II.2 (Vertiefende Diskussion zur HGAA) zitiert er aus dem Warnbrief der Wirtschaftsprüfer vom 18. November. PwC kam in einem Asset Screening zu einem vernichtenden Ergebnis über die Risiken und Werthaltigkeiten der Kredite ("signifikante Verschlechterung des Kreditportfolios").
Eine solche Prüfung läuft derzeit wieder, diesmal im Auftrag von Finanzminister Hans Jörg Schelling. Wieder ist mit milliardenschweren Berichtigungen zu rechnen, von bis zu acht Milliarden oder noch mehr. Die Bilanz 2014 der Abbaueinheit Heta verzögert sich bis Ende Juni.
Zurück zur Klausur: BayernLB-Chef Michael Kemmer erläutert ausführlich, warum die Hypo "in schweres Fahrwasser" kam. Es stelle sich die Frage "nach möglicherweise vorliegenden Insolvenztatbeständen". Von Insolvenz soll in den zwei Tagen im Seminarzentrum noch oft die Rede sein.
Stefan Ermisch, Vize-Chef der BayernLB, zieht "das Zwischenfazit, dass die Wirtschaftlichkeit eines weiteren Investments der BayernLB in die HGAA nicht absehbar sei".
Natürlich wird auch über die Haftungen des Landes Kärnten für die Hypo, damals rund 19 Milliarden Euro, diskutiert. Der Freshfields-Anwalt weist darauf hin, dass die Hypo als sechstgrößte Bank "systemrelevant" sei. Gerd Häusler, Vize-Verwaltungsratschef und später Boss der BayernLB, ergänzt, "dass eine Insolvenz viel zu weitreichende Auswirkungen auf Österreich und die SEE-Länder hätte und zum Schluss auch auf Deutschland haben würde". Minister Fahrenschon sorgt sich, "dass der Freistaat Bayern in den osteuropäischen Regionen mit seiner Reputation auch in ein schlechtes Licht geraten könne. Hier seien durchaus vielschichtige Interessen von bayerischen Unternehmen mit involviert". Gleichzeitig sei "das Meinungsbild in der Staatsregierung derart, dass man sich nicht vorstellen könne, dass die BayernLB eine weitere Kapitalerhöhung zeichne".
Klar ist also: Die Bayern wollten die Hypo nicht in die Pleite schicken, wie das Nachrichtenmagazin profil berichtete. Sie drohten bloß damit, in Wien nahm man den Bluff ernst. Und sie wollten kein frisches Geld mehr in die darniederliegende Kärntner Tochter pumpen.
Also galt es, das Problem möglichst rasch und billig loszuwerden. Die Zeit drängte, ohne frisches Kapital war die Hypo nicht mehr überlebensfähig. Auch wenn im Schloss der Prüfbericht der Oesterreichischen Nationalbank verlesen wird, in dem der Hypo eine zufriedenstellende Liquiditätssituation attestiert und über künftige Gewinne berichtet wird. Doch die Bayern wissen es längst besser. So viel zur OeNB, die Griss-Kommission attestiert später "Multi-Organversagen".
"Sehr schwierig darstellbar" sei es, einen neuen Eigentümer zu finden, meint der Investmentbanker. Häusler assistiert, kein Investor würde "die Bank als Ganzes kaufen wollen". Völlig richtig, kein privater Käufer wäre so dumm gewesen.
Aber es gab ja die Republik Österreich. Die wolle jedoch "nur für den österreichischen Teil verantwortlich sein und sich auch nur hier an einer Lösung beteiligen. Die Regionen in Osteuropa könnten aus politischen Gründen nicht unterstützt werden" (Ermisch). Den Bayern ist durchaus klar, dass es nicht so einfach würde, Österreich die gesamte Hypo umzuhängen. "Schwer gerungen" müsse mit Österreich werden, meint Minister Fahrenschon.
An die 300 Millionen Euro sollen an Berater in der Hypo-Causa gegangen sein. Der frühere Finanzminister Michael Spindelegger dürfte da einige Hunderttausend Euro draufgelegt haben. Konkret geht es um den deutschen Investment-Banker Dirk Notheis, den Spindelegger als Berater ab Februar 2014 beigezogen hatte.
Wie aus einer Anfragebeantwortung von Spindis Nachfolger Hans Jörg Schelling hervorgeht, sah der Vertrag Notheis eine „marktübliche Vergütung auf Grundlage eines ,Manntagessatzes‘ für Managing Directors von € 5.000,– und eines ,Manntagessatzes‘ für Executive Directors € 3.000,– vor“. Die Kosten seien immerhin mit 100.000 Euro pro Monat gedeckelt worden. Schelling löste den Vertrag erst Ende Jänner 2015 auf. Wie viel Geld geflossen ist, ließ der ÖVP-Minister offen.
Bank-Chef Kemmer berichtet von "einer grundsätzlichen Bereitschaft von Seiten der Republik Österreich... Aus diesem Grund sei im Rahmen dieser Sitzung eine Strategie zu entwickeln, die nächste Woche mit den Beratern in eine Verhandlungsbasis gegossen werden könne".
Der Verwaltungsrat beschließt, die Verhandlungen mit Österreich fortzuführen. Mit dem Ziel, "eine kurz- oder mittelfristige Exit-Perspektive für die BayernLB zu erreichen", ohne dass man frisches Kapital zuschießen muss.
Kurz darauf gingen die Bayern, unterstützt von Investmentbankern und Top-Anwälten, in die Verhandlungen. Pröll und Faymann verließen sich auf Beamte, die null Erfahrung mit solchen Deals hatten....
Über die in Zypern registrierte Enthusa flossen zwischen 2006 und 2007 18,88 Mio. Euro zum Kauf von Liegenschaften nahe Belgrad, die später in Bauland umgewidmet werden sollten. Inklusive Zinsen belaufen sich die Schulden heute auf 26 Mio. Euro. Involviert waren politisch einflussreiche Personen aus Serbien. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt bestätigte die Anzeige. Kreditkunden sollen wegen Betrugs und schweren Betrugs angezeigt worden sein, auch der Verdacht der Geldwäsche bestehe, berichtet die „Presse“ in ihrer Samstagausgabe.

Nur 31 Prozent vertragsgemäß eingesetzt

Die Heta hat laut „Presse“ den Verdacht, dass nur 31 Prozent der Kreditmittel vertragsgemäß eingesetzt wurden. 47 Prozent seien nicht zum vereinbarten Zweck ausgegeben worden - so unter anderem zur Zurückzahlung eines Kredits von 805.000 Euro bei der Raiffeisenbank Belgrad. Bei 22 Prozent des Geldes sei die Verwendung nicht nachvollziehbar.
Der damalige Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen Bank International, Herbert Stepic, hielt bis 2012 indirekt 25 Prozent an Enthusa, Geschäftsführer war ein früherer Vorstand der Raiffeisen Investment AG. Stepic wird aber nicht als Verdächtiger geführt. Er war laut „Presse“ nur Investor und nicht operativ tätig.


(KURIER) ERSTELLT AM 24.05.2015, 08:00


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