Sonntag, 3. Mai 2015

Antwort auf den Beitrag "Bürgermeister von Utopia"


Herr Juraczka!

Ich lese ja sonst eher selten die ganze Bezirkszeitung, weil ich sie diesmal als U-Bahnlektüre verwendet habe, stolperte ich daher über Ihren Beitrag.
Auf diesem Weg möchte ich mich recht herzlich für die neidvolle Hetze bedanken, die Sie hier den Bediensteten der Stadt Wien entgegenbringen!
Ganz im Sinne der - normalerweise gerade von ihrer Partei - sonst gleich herbeilamentierten „Neidgesellschaft“ unterstellen Sie, dass diese mit 54 in Pension gehen, „gewerkschaftlich verordnete Krankenstände“ absolvieren und offenbar - im Gegensatz zu allen „Selbständigen, Angestellten und Arbeitern“- nicht “anpacken“ wollen!
Es mag durchaus KollegInnen geben, die als VerwaltungsbeamtInnen von Zeit zu Zeit eine ruhige Kugel schieben – wie übrigens auch viele Berufstätige in der hochgerühmten „Privatwirtschaft“. VerwaltungsbeamtInnen machen aber nur etwa 10% der Bediensteten der Stadt Wien aus! Der Rest sind Menschen, die in Spitälern, bei der Feuerwehr, in den Sozialämtern, als GärtnerInnen, bei der Müllabfuhr, der Bestattung, als LehrerInnen, in den Kindergärten und Horten arbeiten…

Wider besseres Wissen werfen Sie also alle Bediensteten der Stadt Wien populistisch in einen Topf, um billig Kapital aus dieser Vermantscherei zu schlagen und verbreiten gleichzeitig falsche Informationen.

Ich arbeite, wie tausende Kolleginnen (und einige Kollegen) bei der MA10, Wiener Kindergärten – seit 1982, befinde mich also mittlerweile in meinem 32ten Dienstjahr.
Unser Arbeitstag beginnt, je nach (fixem) Dienstplan und Standort des Kindergartens zwischen 6:00 und 13:00 und endet zwischen 12:00 und 20:00. Es gibt bei uns keine Gleitzeit und Mittagspausen in den Dienstplan einzubauen ist äußert kompliziert, weil Kinder, anders als Akten nicht irgendwo abgelegt werden können, sondern durchgehend betreut werden müssen. Meine „Vollzeit-KollegInnen“ arbeiten seit etwa 3 Jahren 42 Wochenstunden, weil die Vorbereitungszeit zwar erhöht wurde, aber nur ausbezahlt und nicht vom Kinderdienst abgezogen wird.
Als Langzeitmitarbeiterin verdiene ich mittlerweile für Teilzeit 30 Wochenstunden 2375 € brutto - unverschämt, ich weiß!
Unsere AssistentInnen sind nicht einmal als Facharbeiterinnen eingestuft (zu teuer!), obwohl sie neben allen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, wie Reinigung, Wäsche, Vorbereiten der Mahlzeiten, Küchehygiene, Bestellung und Einkauf von Lebensmitteln auch zur Unterstützung der Pädagoginnen eingesetzt werden. Die Frauen sind also einer erhöhten körperlichen (und oft auch psychischen) Belastung ausgesetzt als die meisten Verwaltungs-Beamtinnen.

Für alle „BeamtInnen“ – Männer wie Frauen (!) – gilt mittlerweile ein Pensionsantrittsalter von 65 Jahren! Keine meiner KollegInnen wird mit 54 Jahren in Pension gehen, die meisten könnten nämlich von der geringen Pension gar nicht leben. Worauf Sie anspielen ist wohl die sogenannte Hacklerregelung für Menschen mit langer Versicherungszeit. (40Jahre!) Das erreichen nur Menschen, die bereits mit 14 bei der Stadt Wien zu arbeiten begonnen haben. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter betrug bei der Stadt Wien laut Kurier 2012 57, 1 Jahre, mittlerweile wird es wohl noch ein wenig höher sein.

Zum Vergleich:
Mein Vater wurde in der wunderbaren „Privatwirtschaft“ mit 50 als zu alt und zu teuer gekündigt, wechselte danach noch zweimal den Job und ging 1996 (!) mit 55 Jahren in Frühpension, weil er schon damals keinen Arbeitsplatz mehr finden konnte.
(Ist übrigens eines der Hauptprobleme, die wir bezügl. der Pension heute haben: Kündigung der älteren ArbeitnehmerInnen, fehlende Arbeitsplätze)
Während der schwarz/blauen Bundes-Regierungszeit wurden viele Post- und ÖBB-Bedienstete mit unter 40(!) Jahren in Pension geschickt, weil sie nicht mehr gebraucht wurden (Postamtszusammenlegungen…) Deren Pensionen zahlen wir auch alle!

PolitikerInnen (zumindest Abgeordnete zum Nationalrat) erhielten vor nicht allzu langer Zeit bereits nach 4 Jahren einen gesalzenen Pensionsanspruch! Wie das heute ist, will ich jetzt nicht mehr nachschlagen, habe leider viele andere Dinge zu tun!

Was es auch bei der Stadt Wien kaum gibt sind alternsgerechte Arbeitsplätze, um die Menschen länger gesund in Beschäftigung zu halten. Auch im Bereich der Wiener Kindergärten ist das so: Wenn eine Kollegin das Gefühl hat, nicht für eine Leitungsfunktion geeignet zu sein bleibt nur das Arbeiten bis zum Schluss oder die Frühpension. Gerade vor Kurzem wurde uns mitgeteilt, dass auch die Möglichkeit, als zusätzliche Sprachförderin zu arbeiten ausgesetzt wird, weil man sonst zu wenige Pädagoginnen für den normalen Betrieb habe.

Ich selbst studiere deshalb berufsbegleitend Soziale Arbeit, was mir allerdings später kaum mehr Gehalt, nur einen anderen Arbeitsplatz bringen wird, denn der FH-Bachelor wird bei der Stadt Wien nicht als akademischer Abschluss anerkannt. (zu teuer!)

Ganz zuletzt gestatte ich mir darauf hinzuweisen, dass Sie selbst als langjähriger Politiker aus dem Budget der Stadt Wien bezahlt werden und auch nicht gerade am Hungertuch nagen. (140% des Gehaltes eines Nationalratsabgeordneten?) Noch dazu ist es Politikern verboten, auf dieses Einkommen zu verzichten! (Da könnten ja KollegInnen dahingehend unter Druck gesetzt werden und außerdem würde das die Parteiabgaben schmälern)
Daran zu arbeiten und die üppigen Salärs der Klubobleute und sonstiger Menschen, die als PolitikerInnen ebenfalls von den Steuerzahlern berappt werden ein wenig einer Überprüfung zu unterziehen, das könnte Stimmen bringen! Aber diesbezüglich spricht ja wohl nur der böse Neid aus mir….

Ich habe – trotz „Beamtentum“ noch nie die SPÖ gewählt und werde es wohl auch in Zukunft nicht.
Hätte ich aber als Alternative nur die populistische, negative ÖVP, würde ich es tun.
Von euch habe ich in den letzten Jahrzehnten kaum jemals Konstruktives gelesen, sondern in erster Linie Kritik an dieser Stadt(regierung), die ja offenkundig zu einer der beliebtesten, sichersten und saubersten Städte der Welt zählt – und da arbeiten viele, viele öffentlich Bedienstete dran!
Ja, es gibt immer etwas zu verbessern, und ja, es wird immer noch (auch) Klientelpolitik betrieben in Wien. Ist das aber in den Bundesländern, die von der ÖVP regiert werden, anders? (Niederösterreich u.co)
Na eben! Arbeiten Sie doch bitte konstruktiv, statt die Wienerinnen und Wiener gegeneinander aufzubringen.

PS: Alle, die gerne bei der Stadt Wien arbeiten wollen, sind herzlich eingeladen, sich dort zu bewerben; ist doch ein sicherer Arbeitsplatz und wird toll bezahlt…und erst die Pension!
Am Besten wäre es aber, bei einer Partei anzuheuern und möglichst schnell zu einem bezahlten Amt zu kommen, das ist noch viel besser bezahlt und man genießt auch die anderen Vorteile der städtischen Bediensteten!

Mit nicht so freundlichen Grüßen

Ingrid Gruber

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