"Handlungsgrundlagen" sollen erarbeitet werden
Online-Wohnungsvermittler
wie Airbnb stellen immer mehr Städte vor Probleme – DER STANDARD
berichtete. Die Stadt Wien will nun eine Strategie dagegen
erarbeiten: In einer Rathaus-internen Enquete wurde am Montag über
eine 70-seitige Studie, die beim Europaforum Wien in Auftrag gegeben
worden war, diskutiert. Die Publikation mit dem Titel "The Big
Transformers. Sharing- und On-Demand-Economy auf dem Vormarsch"
ist Faktenzusammenstellung und Problemaufriss zugleich. Diese
Problemfelder reichen von Steuerentgang über prekäre
Arbeitsverhältnisse bis zu fehlenden Rechtsnormen.
Finanzstadträtin
Renate Brauner (SPÖ)
kündigte an, dass nun unter Federführung der Magistratsdirektion
eine Arbeitsgruppe eingerichtet werde. Sie soll die
Handlungsgrundlagen für die Stadt erarbeiten - also etwa ausloten,
wo geltendes Recht bereits greift, welche neuen Regelungen es braucht
und wo das Land überhaupt selbst tätig werden kann.
Städte
verstärken Bemühungen
Andere
Städte gehen teils sehr restriktiv vor. Paris und Berlin schicken
etwa Kontrollteams aus, New York hat die Vermietung von Apartments
unter 30 Tage verboten, in Barcelona drohen bis zu 30.000 Euro Strafe
bei illegalen Angeboten.
Auch
in der Bundeshauptstadt gebe es bereits klare Gesetzesvorgaben, so
Brauner. So sei die Weitervermietung von geförderten oder
Gemeindewohnungen strikt verboten. Andere Aspekte seien aber noch
Graubereich. (APA/red, 12.5.2015)
Wenn
im Mai der Song-Contest-Zirkus
seine Zelte in Wien aufschlägt, freuen sich nicht nur Hoteliers,
sondern auch geschäftstüchtige Menschen, die auf Onlineplattformen
temporär Zimmer oder ganze Wohnungen anbieten. Die größte dieser
Plattformen heißt Airbnb: Dort sind aktuell laut STANDARD-Recherchen
rund 3900 Unterkünfte allein in Wien verfügbar, fast 2900 davon
sind "ganze Unterkünfte" - also Wohnungen.
Eine
davon ist die Nachbarwohnung von Kurt K. Der Pensionist wohnt seit 40
Jahren in seiner Eigentumswohnung am Hohen Markt im 1. Bezirk. Fast
ebenso lang wird die Wohnung nebenan schon vermietet. "Mietdauern
von bis zu zehn Jahren, fast immer angenehme Leute", erinnert er
sich.
Im
vergangenen Herbst war es damit vorbei. Seither muss er regelmäßig
neue "Nachbarn" bitten, doch ein bisschen leiser zu sein.
Anfangs weiß er nicht, woher die ständig wechselnden Mieter kommen.
Irgendwann entdeckt er die Wohnung auf Airbnb. Um sein Einverständnis
dafür ist er nicht gefragt worden - obwohl er laut OGH-Urteil aus
dem vergangenen Sommer gefragt hätte werden müssen. Zugestimmt
hätte er "nie und nimmer".
Für
solche lokalen rechtlichen Feinheiten fühlt man sich bei Airbnb,
2008 im kalifornischen Silicon Valley gegründet, nicht zuständig.
Die Plattform sieht sich nur als Vermittler, als "gemeinschaftlicher
Marktplatz" für Touristen, die wie Einheimische bzw. mit diesen
wohnen wollen. In Österreich freut sich Airbnb-Sprecher Julian
Trautwein über rege Zuwächse: Um 140 Prozent sei die Anzahl der
Unterkünfte von Jänner des Vorjahres bis Jänner 2015 gestiegen.
Die Beliebtheit bei in- und ausländischen Reisenden steige
hierzulande: "Das Konzept Airbnb ist in Österreich angekommen."
Auf
der Website kann jeder für eine beliebige Zeitspanne und zu einem
beliebigen Preis eine Unterkunft anbieten. Die Gastgeber präsentieren
sich und ihre Wohnungen, das Feedback von ehemaligen Gästen ist
Entscheidungshilfe. Mit wenigen Klicks wird gebucht. Airbnb nascht
bis zu 15 Prozent mit.
Dutzende Großanbieter
Doch
so unkompliziert, wie es klingt, ist die Sache nicht: Denn nicht
hinter jeder Wohnung steht ein privater Vermieter, der sein Zuhause
bloß für ein paar Tage während seines Urlaubs zur Verfügung
stellt (womit man gewerberechtlich noch keine Probleme bekäme). Ganz
im Gegenteil: Fast ein Viertel, nämlich 705, der fast 2900 "ganzen
Unterkünfte" in Wien wird von lediglich 74 Vermietern
angeboten, die jeweils zwischen fünf und 49 Wohnungen im Angebot
haben. Darunter sind Anbieter von Kurzzeitwohnungen ebenso wie
Hotels, die ihre Suiten hier anbieten. Das ist insofern überraschend,
als die Hotellerie bisher als schärfste Kritikerin des Systems
Airbnb auftritt.
Gewerbliche
Anbieter sind auf Airbnb grundsätzlich erlaubt. Kritiker befürchten
aber, dass in vielen Fällen keine Steuern oder Abgaben bezahlt
werden. "Der Großteil dieser Wohnungen wird illegal vermietet",
ist Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen
Hoteliervereinigung, überzeugt. Eine junge Dame zum Beispiel hat
gleich 39 Wohnungen in Wien und Warschau im Angebot.
Im
April sei ein runder Tisch mit der Stadt geplant, sagt Reitterer.
Höchste Zeit: "Die Stimmung beginnt zu kippen", glaubt sie
und verweist auf Städte wie Berlin, wo Einheimische mittlerweile von
den Billigtouristen genervt sind.
Kein Modell für Steuern
Für
Wien gibt es derzeit noch keine Studien, Airbnb-Manager Trautwein
sagt aber, dass es sich in den meisten Städten bei 90 Prozent der
Vermieter um Privatpersonen handle. "Wir erwarten von allen
Gastgebern, dass sie sich mit den lokalen Gesetzen und Vorschriften
vertraut machen und diese befolgen", sagt er. Das Unternehmen
gibt sich kooperativ: In manchen Städten, etwa in Amsterdam, London
und Paris, habe man ein Modell entwickelt, bei dem Airbnb mit Stadt
und Gastgebern zusammenarbeitet, um die Steuern abzuführen. In
Deutschland und Österreich sei man aber noch nicht so weit.
Vielleicht
beschleunigt sich diese Entwicklung, denn nun interessiert sich auch
die Politik zunehmend für das Prinzip Airbnb: Wirtschaftsminister
Reinhold Mitterlehner (ÖVP)
hat im Zuge der Steuerreform angekündigt, temporären Vermietern ins
Konto schauen und so Steuerhinterziehung aufspüren zu wollen. Bis
Juli sollen die Gesetze ausgearbeitet werden, heißt es aus dem
Finanzministerium. "Wir würden uns freuen, wenn wir uns mit
Herrn Mitterlehner einmal zusammensetzen könnten", sagt
Trautwein. Anstatt von "hintenrum" auf die Konten zu
schauen, empfiehlt er den direkten Dialog mit dem Unternehmen.
Mehr
Dialog hätte sich auch Herr K., der Pensionist vom Hohen Markt,
gewünscht. Er wurde stutzig, als er den Namen einer slowenischen
Organisation an der nachbarlichen Wohnungstür sah; eine Agentur für
die Rechte von Menschen mit Behinderungen, wie sich herausstellte.
Seine Aufzeichnungen, die er ab Oktober 2014 führte, ließen aber
vermuten, dass die Wohnung an gewöhnliche Städtereisende aus aller
Welt vermietet wurde. "Englisch sprechender Herr mit schwarzem
Hut" ist in seinem "Vermietungsprotokoll" vermerkt,
oder: "Französisches Ehepaar, deutsch sprechend". Manche
dieser Besucher fragen K. im Lift, ob er seine Wohnung auch über
Airbnb gebucht habe und wo der Müllraum sei.
Auf
Airbnb ist die Wohnung tage- bzw. wochenweise und sogar "langfristig"
zu mieten. Bewertungen gibt es bereits - und K. stellt verdutzt fest,
dass er darin sogar erwähnt wird. "Der Nachbar von nebenan kam
an Silvester, reklamierte und erkundigte sich über das Apartment",
schreibt eine gewisse "Susanne" aus der Schweiz. Nachsatz:
"Scheinbar dürfte das nicht vermietet werden - das hat mich
sehr gestört."
Als
Vermieter tritt ein gewisser "George" aus Slowenien auf.
Er spricht nur Englisch und versichert K. bei einem
Aufeinandertreffen, dass es sich bei den Mietern nicht um
Internet-Tagestouristen handle, sondern um "Geschäftsfreunde".
"Das
hat sich dann rasch als falsch herausgestellt", sagt K. Er
telefoniert mit dem Wohnungseigentümer. Der erklärt ihm, dass er
die Wohnung langfristig an eine slowenische Agentur vermietet hat.
Was der Mieter dort mache, interessiere ihn nicht.
Wohnrechtsexperten
wie Walter Rosifka von der Arbeiterkammer schreien da auf: "Ein
Wohnungseigentümer ist seinen Miteigentümern auch in einem solchen
Fall in der Pflicht." Immobilienanwalt Thomas In der Maur weist
aber auch darauf hin, dass eine vom OGH vorgegebene Zustimmung aller
Mitglieder der Eigentümergemeinschaft in der Praxis nahezu
unmöglich ist. "Bleibt einem nur, dass man es ohne Zustimmung
macht", sagt er - unter der Gefahr, mit einer
Unterlassungsklage belegt zu werden.
Was
für K. schließlich das Fass zum Überlaufen bringt, ist eine
ominöse Klagsandrohung aus Ljubljana, die Anfang März bei ihm
eintrudelt. Wegen der "Probleme", die der Nachbar mit
seinen fortgesetzten "Inspektionen und Beschwerden"
bereite, könne die Wohnung nicht mehr so leicht weitervermietet
werden. Den errechneten Verdienstentgang von 40.200 Euro möge K.
doch bitte umgehend auf ein slowenisches Konto einzahlen.
Auswirkungen auf Mietmarkt
Der
Wiener Rechtsanwalt Heinz Robathin, den K. nun beizieht, kann über
derartige Chuzpe nur lachen. "Wir freuen uns auf diese Klage",
sagt er. Der Kläger könne höchstens vom Wohnungseigentümer, also
K.s grundbücherlichem Nachbarn, Schadenersatz verlangen, doch auch
das sei eher aussichtslos, weil dieser bei der Vermietung der
Wohnung wohl kaum deren Weitervermietung als Ferienwohnung gestattet
habe.
In
ganz Österreich gibt es laut Airbnb 5000 Unterkünfte, der Großteil
davon liegt in Wien. Im Bezirk Leopoldstadt sind, wie
STANDARD-Recherchen ergaben, sogar mehr "ganze Unterkünfte"
auf Airbnb zu mieten, als es derzeit am regulären Mietwohnungsmarkt
im Angebot gibt.
Besonders
auffällig: Mehr als 700 der fast 2900 "ganzen Unterkünfte"
sind auf Airbnb "sofort buchbar", was darauf hindeutet,
dass es sich dabei um ganzjährig freie Wohneinheiten handeln
dürfte, die so mutmaßlich dem Wohnungsmarkt der rasch wachsenden
Bundeshauptstadt entzogen werden. Ob sich das temporäre Vermieten
auch auf die Entwicklung der Mietpreise auswirkt, darüber herrschen
geteilte Meinungen. Klar ist: Preise wie 1300 Euro "pro Woche"
(!) für 150 m² im 9. Bezirk oder auch nur "pro Monat"
für eine 37 m² große Dachgeschoßwohnung sind am Wiener Markt
(noch) nirgends erzielbar.
Airbnb
weist diesbezüglich nur wiederholt darauf hin, dass nach Ansicht
des Unternehmens "die überwiegende Mehrheit der Wohnungen von
Privatpersonen bewohnt wird; sie stehen also dem Wohnungsmarkt nicht
zur Verfügung". Manche Vermieter würden sich auch nur auf
diese Weise die eigene hohe Miete überhaupt leisten können, sagt
Trautwein.
Georg
Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung, sieht die
Sache fundamental anders. "Einerseits wird das Angebot an
Wohnraum verknappt, andererseits werden Wohnungen für gewerbliche
Zwecke missbraucht."
Wolfgang
Kirnbauer vom Mieterschutzverband glaubt, dass die Vermietung als
Ferienwohnung für manche Eigentümer auch deshalb interessant ist,
weil damit das Mietrechtsgesetz umgangen wird - etwa was
Kündigungsschutz, Befristungsregelungen und
Betriebskostenverrechnung angeht. Ein Aspekt, dem auch
Hotelier-Chefin Reitterer durchaus etwas abgewinnen kann.
Schwierige Beweisführung
Leidtragende
sind Menschen wie K., die im Recht sind, aber dieses Recht schwer
durchsetzen können. Der OGH stellte zwar klar, dass das Anbieten
einer Wohnung für jeweils drei bis sieben Tage als Ferienwohnung,
inklusive Bettwäsche und Reinigung, eine genehmigungspflichtige
Widmungsänderung (von Wohnen zu Gewerbe) darstelle. Um auf
Unterlassung klagen zu können, muss man aber beweisen, dass eine
Wohnung auf einer Plattform angeboten wird. "Wer sich mit dem
Internet nicht halbwegs gut auskennt, schafft das nicht."
K.
scheint es immerhin geschafft zu haben: Seine Nachbarwohnung ist
ebenso wie das Online-Profil von "George" mittlerweile
nicht mehr auf Airbnb zu finden. Wohnungen am Hohen Markt, einer der
teuersten Adressen Wiens, gibt es dort aber noch genügend. Anhand
der Bilder in den entsprechenden Annoncen ist ein virtueller Blick
von allen Seiten auf den barocken Vermählungsbrunnen inmitten des
Platzes möglich. Ein Blick, den wohl auch
manche Song-Contest-Touristen
im Mai genießen werden - vielfach ohne über die rechtlichen
Hintergründe Bescheid zu wissen. (DER STANDARD, 28.3.2015)
Zahlen
Das
Österreich-Angebot auf Airbnb beschränkt sich nicht nur auf die
Bundeshauptstadt. Die Stadt mit dem größten Angebot nach Wien ist
Salzburg, wo rund 370 Unterkünfte buchbar sind. Es folgen Innsbruck
mit 360 und Graz mit 250 Unterkünften. Fast 2900 "ganze
Unterkünfte" gibt es auf Airbnb derzeit in Wien zu buchen
(siehe interaktive Grafik oberhalb im Text). Etwas mehr als die
Hälfte davon befindet sich innerhalb des Gürtels. In der City sind
es aktuell 215.
Die
Rechtslage
Für
Wohnungseigentümer gibt es seit Sommer des Vorjahres klare Regeln:
Wer seine Wohnung als Ferienwohnung vermieten möchte, braucht die
Zustimmung aller übrigen Eigentümer im Haus. Hauptmieter einer
Wohnung dürfen mit Zustimmung des Vermieters weitervermieten, sofern
kein Untermietverbot besteht, aber nur für die Zeit eigener
Abwesenheit, die ein halbes Jahr nicht überschreiten darf.
Andernfalls droht die Kündigung. Von den als "Untermieter"
zu bezeichnenden Urlaubern darf nicht mehr Geld verlangt werden, als
man selbst an Miete zahlt. (red)
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