Dienstag, 23. Juni 2015

Schlacht um Wien eröffnet

Die FPÖ rückt immer näher an die SPÖ heran. Aktuell steht es 35 zu 29 Prozent.

Am 11. Oktober wählen die Wiener ihren Landtag neu. Der bevorstehende Wahlkampf spitzt sich immer mehr auf ein Duell Häupl gegen Strache zu. Die anderen Parteien gehen dabei völlig unter.

Der Zweikampf des SPÖ-Bürgermeisters gegen den FPÖ-Spitzenkandidaten wird jetzt vier Monate vor dem Wahltermin richtig tief: Nachdem die SPÖ am Montag ihr „Blaubuch FPÖ“ vorgestellt hatte, eine Argumentationshilfe für Funktionäre am Stammtisch, schlugen Straches Mannen gestern zurück: Man sei davon ausgegangen, dass es sich dabei um das „Spritzer-Tagebuch“ Häupls handelt.
Die verbalen Attacken werden intensiver und aggressiver, die Botschaften werden populistischer, die Giftpfeile fliegen tiefer. Früher als erwartet ist in Wien wieder die "Zeit fokussierter Unintelligenz" angebrochen, wie Bürgermeister Michael Häupl schon vor zehn Jahren den Zeitraum eines Wahlkampfes bezeichnete. Und jetzt steckt Häupl plötzlich selbst in dieser Zeit der Unintelligenz. Werden wir sehen, was er daraus macht.
"Wer am 11. Oktober nicht zur Wahl geht, überlässt das Feld Strache – und hat den Vogel am 12. im Rathaus sitzen." Die Replik des FPÖ-Chefs, der auch Obmann der Wiener Landespartei ist, folgte am Dienstag. "Der frühe Vogel fängt den Wurm. Und momentan sitzt der Wurm noch im Rathaus."
Die FPÖ rückt immer weiter zur SPÖ auf. Erreichte Häupl bei der Wahl 2010 noch 44 Prozent, sind es in der aktuellen Gallup-Umfrage für ÖSTERREICH nur noch 35. Die FPÖ steigert sich hingegen von 26 auf 29 Prozent. „Vielleicht können wir sogar erste Kraft werden“, so Strache am Dienstag kämpferisch.

Das von den Wiener Roten an die Funktionäre verteilte "Blaubuch FPÖ", das Skandale und Sünden der Freiheitlichen auflistet, bezeichnete Strache als "billig, primitiv, hetzerisch, unter der Gürtellinie". Im Buch werden unter anderem rechtsextreme Umtriebe von Freiheitlichen thematisiert. Auch der Hypo-Milliardenskandal in Kärntner Regierungsverantwortung sowie die Rekordarbeitslosigkeit unter Schwarz-Blau im Bund werden angeführt.
Strache könne sich als Konter auf das "Blaubuch" eine Art Sündenregister der SPÖ vorstellen, das sich auch den Rekordschulden und der Rekordarbeitslosigkeit in Wien widmet. Laut der Berechnung des Finanzressorts von Renate Brauner beträgt der derzeitige Schuldenstand der Stadt rund fünf Milliarden Euro. Berücksichtige man die ausgegliederten Unternehmen, so betrage die Verschuldung laut Rechnung der FPÖ aber 15 Milliarden Euro – das wäre eine Pro-Kopf-Verschuldung von 8606 Euro. Die SPÖ weist diese Kritik ihrerseits zurück: Die Schuldendarstellung sei keine wienerische Erfindung, sondern folge EU-Regeln. Die Rechnung der Opposition sei absurd, weil ständig einzelne Posten herausgenommen würden. Seit 20 Jahren betreut der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff) Menschen, die sich beruflich umorientieren oder gänzlich neu in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen. Das waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten insgesamt 320.000 Personen. Die Stadt investierte dafür gut 700 Mio. Euro, wie Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) kürzlich beim Mediengespräch des Bürgermeisters schilderte.
In der Asyldiskussion hätte Häupl längst schon "die weiße Fahne" gehisst und würde Quoten übererfüllen, sagte Strache. Häupl empfahl er, stärker zu den Genossen nach Linz zu schauen: Wie berichtet hatte dort die SPÖ mit Taferln gegen ein Asylzentrum protestiert, die Entschuldigung von Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) folgte erst nach der Aufregung.

Duell. Normalerweise ist es der Job des Zweitplatzierten, ein Duell auszurufen, aber das zeigt nur, wie sehr die SPÖ in Zugzwang ist.
Viele Rote geben die Wahl schon verloren. Mit einem Wohlfühl-Wahlkampf ist nichts mehr zu holen, so die Strategen. Das Credo der SPÖ lautet also: absolute Polarisierung Rot gegen Blau. Montagabend hatte ihm Bürgermeister Michael Häupl bei einer Parteiversammlung in der Rinderhalle in St. Marx in Wien Landstraße vor der dort aufgebauten Kulisse des Shakespeare-Stücks „Richard III“ den Fehdehandschuh hingeworfen. Vor 700 geladenen Gästen rief er früher als erwartet – die Veranstaltung war ursprünglich im August geplant – das „Duell um Wien“ aus, forderte Strache heraus.
Die Schärfung des Profils gegenüber der FPÖ ist für Häupl nach Verkündung der rot-blauen Koalition im Burgenland und dem Wahldesaster in der Steiermark notwendig geworden. Dreieinhalb Monate vor der Wahl sind die Wiener Sozialdemokraten im Umfragetief, die Freiheitlichen befinden sich auch dank der Asylpolitik der Bundesregierung im Aufwind. Strache hält ein Kopf-an-Kopf-Rennen nicht für ausgeschlossen.




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