Bürgermeister
Häupl schließt eine Koalition mit der FPÖ aus – auf Bezirksebene
gibt es Liaisons schon lang. Für die Partei sind Ideologie und
Realpolitik zwei Paar Schuhe.
Bürgermeister
Michael Häupl (SPÖ) hält es mit dem kategorischen Nein zu einer
Koalition mit der FPÖ ähnlich wie Bundeskanzler Werner Faymann: Was
auf Bundesebene absolutes Tabu ist, gilt nicht für die Länder –
wie zuletzt im Burgenland eindrucksvoll vorgeführt wurde. So ähnlich
verhält es sich auch für Gemeinde und Bezirke. „In Wien bleibt
die FPÖ der Widerpart“, sagte Häupl erst vor wenigen Tagen, um
erst gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass für ihn eine
ähnliche Lösung wie im Burgenland nicht infrage kommt. Seine
Ablehnung reicht so weit, dass er auch keine Befragung der Basis zu
einer Zusammenarbeit mit den Blauen will, wie sie die SPÖ-Spitze in
der Steiermark und Oberösterreich will.
Auf
Bezirksebene soll die FPÖ aber nicht jener „Widerpart“ sein, dem
„man keinen Spalt breit die Tür öffnen möchte“, wie Häupl
gern betont. „Im Bezirk gibt es diese Zusammenarbeit permanent“,
sagt der grüne Klubchef David Ellensohn und ortet einen Rechtsruck
in der SPÖ. Und auch FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sagt: „Die
regelmäßige Zusammenarbeit von FPÖ und SPÖ in den Wiener
Bezirken, vor allem, wenn es um sachpolitische Themen geht, beweist,
dass sich die Vorgaben des Bürgermeisters Häupl in der Realität
längst ad absurdum geführt haben.“ Die Ausgrenzung, die vom
Rathaus forciert werde, habe sich längst überholt. Öffentlich
bekennt sich in Wien kein SPÖ-Funktionär zu einer Sympathie zur FPÖ
– so weit hat Häupl seine Partei im Griff –, aber wie blau ist
Rot nun wirklich?
Fakt
ist: In zwölf Wiener Bezirken haben die roten Bezirksvorsteher einen
blauen Vize. Das ist zugegeben kein selbst gewähltes Schicksal. Die
Stadtverfassung sieht vor, dass die stimmenzweitstärkste Partei eben
diesen Posten besetzt. Dennoch kommt es realpolitisch in einigen
Bezirken vor, dass Chef und Vize sehr gut miteinander arbeiten –
und eben nicht die von oben propagierte Ablehnung realpolitisch
leben.
So
gab es in Rudolfsheim-Fünfhaus etwa in den vergangenen drei Jahren
39 FPÖ-Anträge, denen die SPÖ zustimmte. Zuletzt gab es auch in
Floridsdorf eine Mehrparteienresolution und in der Brigittenau
Anträge von Rot-Blau gegen Grün. Koalitionen auf Bezirksebene sind
nicht vorgesehen.
Demnach:
Ja, rot-blaue Kooperation gibt es. Allerdings dreht es sich meist um
Themen, die kaum ideologische Grundsatzdebatten provozieren müssten.
So wurde in Rudolfsheim-Fünfhaus etwa über eine Lärmschutzwand in
der Kleingartenanlage Schmelz-Gablenzgasse, die Umzäunung der
Hundezone oder fehlende Baumschutzbügel abgestimmt.
Die
meisten Überschneidungen gibt es bei Verkehrsthemen: So ging es in
der Brigittenau um Radwege und Tempo-30-Zonen. Auch in den
sogenannten Flächenbezirken (Floridsdorf, Donaustadt, Liesing oder
Simmering), die öffentlich nicht so gut angebunden sind wie die
inneren Bezirke, sind SPÖ und FPÖ häufig auf einer Linie –
nämlich auf der Seite der Autofahrer.
Als
besonders hartes Pflaster im Kampf um rot-blaue Wechselwähler gilt
Simmering. Bei der jüngsten Gemeinderatswahl 2010 holte die SPÖ
48,98 Prozent und verlor 11,82 Prozentpunkte. Die FPÖ legte dagegen
um 16,68 Prozentpunkte zu und holte 35,5 Prozent. Die Wähler werden
es schwer haben, sich zu entscheiden, denn die beiden Parteien sind
sich thematisch oft sehr nahe: Wenn es wie gesagt um Verkehrspolitik
gegen die Grünen geht, aber etwa auch im gemeinsamen Kampf gegen
eine Islamschule. Öffentlich zugeben würde auch in Simmering wohl
niemand, dass eine rot-blaue Liaison gar nicht so undenkbar ist. In
einer der „Presse“ vorliegenden Beantwortung einer Bürgeranfrage
schreibt SPÖ-Bezirksgeschäftsführerin Birgit Jischa aber: „Ich
halte es für politisch unklug, von vornherein öffentlich zu sagen,
mit der FPÖ reden wir nicht einmal und einen diesbezüglichen
Parteitagsbeschluss zu beschließen. Erfreulicherweise wurde dieser
Beschluss aufgehoben [...]“. Weiters: „In Simmering klappt die
sachliche Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bezirksebene, aber eben nur
auf sachlicher Ebene. Und wie Sie richtig bemerken, auch Rot-Grün in
Wien ist nicht unproblematisch.“
Der
große Rechtsruck der SPÖ ist auf Bezirksebene realpolitisch nicht
zu erkennen, Sympathien hinter vorgehaltener Hand gibt es aber, wie
auch dieser Brief zeigt – und es wird relativ ideologiebefreit mit
einer Partei zusammengearbeitet, die von Häupl wegen ihrer rechten
Gesinnung als Koalitionspartner dezidiert ausgeschlossen wird.
SPÖ-Landesparteisekretär
Georg Niedermühlbichler sieht darin kein Problem: „Man kann das
mit einer Koalition auf Gemeindeebene nicht vergleichen, wo man sich
ein fünfjähriges Versprechen gibt, sich nicht zu überstimmen, und
ein gemeinsames Programm erstellen muss. Das würde sich mit der
Einstellung der FPÖ einfach nicht ausgehen.“ Bei sachpolitischen
Themen habe er kein Problem – weder auf Gemeinde- noch auf
Bezirksebene. „Wir lehnen auch keinen Antrag prinzipiell ab, nur
weil er von der FPÖ kommt, das wäre ja dumm.“
Das
ist in der Donaustadt anders – hier wird die FPÖ boykottiert und
ignoriert. Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) sagt dazu: „Allein
in den vergangenen 14 Tagen wurden wir von Bürgern damit
konfrontiert, dass ein Bezirksrat der FPÖ die ,Leibstandarte von
Adolf Hitler‘ auf Facebook mit ,Gefällt mir‘ markiert hat und
die Bezirks-FPÖ eine Resolution für ,täglichen Sonnenschein in der
Donaustadt‘ eingebracht hat. Diese Partei ist daher aus den
verschiedensten Gründen weder in der Donaustadt noch für Wien
paktfähig.“
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