Dienstag, 30. Juni 2015

Rechnungsabschluss

In ihrer Eingangsrede verteidigte Brauner die antizyklische Wirtschaftspolitik Wiens. Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung, Gesundheit und Pflege sowie Infrastruktur seien wichtig, ebenso soziale Maßnahmen für jene, die weniger Chancen hätten. Das Ergebnis könne sich sehen lassen, die Wirtschaftskennzahlen der Stadt seien stabil. Das Bruttoregionalprodukt (BRP) betrage rund 82,8 Milliarden Euro, die Einnahmen und Ausgaben 12,3 Milliarden und der Schuldenstand 5,9 Prozent des BRP. Wichtig sei Transparenz: 
Beteiligungsspiegel und Finanzschuldenbericht seien einsehbar. Die Arbeitsmarktpolitik sei ihr ein besonderes Anliegen, Brauner nannte als Beispiel den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff). Auf die steigende Lebenserwartung würde reagiert, 36 Pflegewohnhäuser seien neu gebaut oder modernisiert worden, Spitzenmedizin gebe es für alle. Zudem sei Bildung ein entscheidendes Thema, der Gratiskindergarten bleibe und Schulen würden ausgebaut. Auch beim Wohnen sei Wien "role model", 60 Prozent der WienerInnen lebten im sozialen Wohnbau.
Die ÖVP meinte zwar, in wirtschaftlich "unbestritten schwierigen Zeiten" sei jetzt nicht der Zeitpunkt, um Schulden abzubauen - das Budget dürfe deswegen aber auch nicht "aus dem Ruder laufen". Nötige Investitionen sollten aus jenen Mitteln finanziert werden, die durch eine Verwaltungsreform frei würden. Die Volkspartei forderte ein Ende des Valorisierungsgesetzes und Wien müsse professioneller verwaltet werden.
Die Grünen verteidigten milliardenschwere Investitionen in Gesundheit, Pflege, Bildung und Wohnbau - allesamt Bereiche, "an denen viele Arbeitsplätze hängen". Kindergärten und Schulen seien "die Gerechtigkeitschance", mit welcher die Stadt sozialen Aufstieg ermöglichen könne. Der Wohnungsmarkt wiederum würde ohne Gemeinde-und Genossenschaftswohnungen "explodieren". Kommunale Dienstleistungen wie die Wasserversorgung dürften nicht verkauft werden.
Die FPÖ rechnete vor, als "Gesamtkonzern" habe Wien rund 15 Milliarden Euro Schulden. Das hiesige Wirtschaftswachstum liege unter dem Österreich-Schnitt, obwohl die Großstadt eigentlich Wirtschaftsmotor sein sollte. Alles in allem stehe Wien vor einer Liste "hausgemachter" Probleme - weshalb die Freiheitlichen einen Misstrauensantrag gegen Finanzstadträtin Brauner einbrachten.
Für die ÖVP waren Wiener Schuldenstand und Arbeitslosigkeit die einzigen "Rekordleistungen". Ein Plus von 30.000 Arbeitslosen seit Beginn der rot-grünen Regierung spreche eine "alarmierende Sprache". Um transparenter bilanzieren zu können, müssten auch Vermögenswerte ausgelagerter Konzerne der Stadt ausgewiesen werden. Trotz Rollierung müssten Schweizer-Frankenkredite "am Ende des Tages" zurückgezahlt werden.
Die Grünen erinnerten an den Wiener Bevölkerungszuwachs, welcher ein Drittel des gesamtösterreichischen Trends ausmache. Es sei rot-grüner Verdienst, dass Menschen "in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in einer tollen Stadt" leben wollten. Betreffend möglicher Einsparungen im Wiener Budget hielten die Grünen fest: "Schlagartig alles zu kürzen" würde "Arbeitslose hervorrufen", rette aber "auch nicht die Welt".
Laut FPÖ seien Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) "die Verlierer" der Wiener Wirtschaftspolitik. Lösung wäre ein Förderungs- und Haftungspaket für die Wiener Wirtschaft. Das Schaffen eines Förderungsfonds, die Errichtung eines Start-Up-Campus und die Verdoppelung der Wirtschaftsförderung seien notwendig. Zudem wollte die FPÖ Tarife für etwa Wasser und Kanal senken, und eine "Schuldenstrategie" zum Abbau von Verbindlichkeiten, um Wiens Bonität zu erhalten.
Die SPÖ attestierte den Freiheitlichen "pure Angst vor Zuwanderung und Menschen, die Hilfe brauchen". Umso mehr betreibe die Sozialdemokratie eine "Politik der Menschlichkeit". Konkret sehe sich Wien mit zwei Herausforderungen konfrontiert: die Arbeitsmarktsituation bedingt durch die Finanzkrise sowie das Wachstum der Millionenstadt Wien. Die Bundeshauptstadt als Ballungsraum sei Jobmotor für hunderttausende Menschen aus Niederösterreich und dem Burgenland; stockendes Wirtschaftswachstum wirke sich auf eine Großstadt umso mehr aus. Dem Bevölkerungswachstum begegne Wien mit Investitionen in Bildung, Öffis und Wohnbau.
Die ÖVP forderte das Aufstocken des Budgets für Frauenfragen, die derzeitige Dotierung sei zu gering. "Baustellen" der Integration gebe es vor allem bei MigrantInnen zweiter und dritter Generation; bestehende Vereinsarbeit habe sich nicht an die heutigen Anforderungen angepasst. Wer Bildungsangebote nicht annehme, schlittere in die Arbeitslosigkeit. Radikalisierung und Gewaltbereitschaft seien die Folge.
Die Grünen nannten Wien als Vorreiter-Bundesland hinsichtlich des "Equal Pay Day". Positive Beispiele seien etwa Maßnahmen zur Kinderbetreuung und die Koppelung von Auftragsvergaben an Unternehmen an dortige Frauenförderung. Wenngleich der Gleichbehandlungsbericht eine positive Bilanz ziehe, gehöre der Frauenanteil in Führungsebenen von Unternehmen erhöht. Obwohl "Bundesangelegenheit", sprachen die Grünen dem Wahlrecht für Drittstaatsangehörigkeit das Wort, ebenso der Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft.
Die FPÖ widmete sich der Integration und meinte, erfolgreiche Zuwanderung hänge von Kriterien ab: Bedarf und Einfügung in das politische System. Außerdem könne die Wirtschaftskrise nicht als alleiniger Sündenbock genannt werden, die Stadt habe in falsche Bereiche investiert: So schrumpfe die Aussicht von Frauen auf Vollzeitbeschäftigung aufgrund des Trends zu Teilzeitjobs.
Die SPÖ entgegnete der freiheitlichen "Liste der Ablehnung" von Maßnahmen zur Frauenförderung mit einer gezielten Unterstützung von Frauenanliegen. Vorzeigeprojekt sei der Gleichstellungsmonitor:
Dieser liefere eine umfangreiche Darstellung der Lebensrealitäten inklusive klarer Handlungsaufträge für die Politik. Ebenfalls erwähnenswert sei die Mädchenförderung, Stichwort Töchtertag. Zuletzt erwähnte die Sozialdemokratie die Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und Transgender Lebensweisen (WASt): Die erste und einzige derartige Stelle, die in kommunaler Verwaltung beheimatet sei.


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