Personalsenat wurde bei Ernennung vier neuer Richter übergangen
Wien
- Das Wiener Verwaltungsgericht wird am 1. September vier neue
Richter in seine Reihen aufnehmen. Die Posten waren im Oktober
ausgeschrieben worden, rund 60 Bewerber haben sich gemeldet. Mitte
Mai hat die für die Ernennung zuständige Wiener Landesregierung
ihre Entscheidung getroffen. Und die entbehrt nicht einer gewissen
Pikanterie. Von den vier Juristen, die sie ausgewählt hat, hatte
sich nur einer auf dem Dreiervorschlag des Personalsenats des
Verwaltungsgerichts befunden.
Und:
Die Landesregierung hat eine bisherige Magistratsbeamtin ernannt, die
mit dem Leiter der Magistratsabteilung (MA) 35 verschwägert ist. Die
MA 35 ist für die Themen Einwanderung und Staatsbürgerschaft
zuständig, trifft also Entscheidungen zu Fragen der Verleihung der
österreichischen Staatsbürgerschaft und Erteilung von
Aufenthaltstiteln.
Genau
mit der Überprüfung solcher Magistratsentscheidungen zu
Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht ist auch das Verwaltungsgericht
befasst. Die neue Richterin wird für diesen Bereich also wohl nicht
eingesetzt werden können.
SPÖ-Gemeinderat in Niederösterreich
Ein
anderer der frisch ernannten Richter ist SPÖ-Gemeinderat in einer
niederösterreichischen Gemeinde nahe Wien. Dem Vernehmen nach hat er
angekündigt, sein Mandat niederzulegen. Er war bislang als Jurist am
Verfassungsgerichtshof (VfGH) tätig.
Im
Verwaltungsgericht selbst ist man ob der Bestellungen nicht rasend
erfreut, ist zu hören. Zur politischen Tangente komme, dass von
zwölf Personen, die der Personalsenat nach den Hearings auf seine
vier Dreiervorschläge gesetzt hat, eben nur eine von der
Landesregierung ernannt wurde. Wie in der Justiz ist die
Landesregierung aber auch nicht an die Ernennungsvorschläge des
Verwaltungsgerichts gebunden.
Magistratsdirektion eingebunden
Und:
In Wien gibt es eine bundesweite Besonderheit bei der Ernennung von
Verwaltungsrichtern. Nach der Ausschreibung wird auch das Amt der
Landesregierung ("Magistratsdirektion") in die Auswahl
eingebunden und erstellt eine eigene Liste. Die Regierung kann dann
aus Magistratsliste und Dreiervorschlag des Gerichts auswählen. Im
konkreten Fall hat die Magistratsdirektion 20 (von den insgesamt 60)
Bewerbern gereiht; die restliche 40 sind sozusagen auf dem letzten
Platz gelandet. Ein Wiener Jurist fasst das so zusammen: "Der
Magistrat versucht, die Unabhängigkeit der gerichtlichen Kontrolle
von Magistratsentscheidungen so weit wie möglich zu verringern."
Selbiger
sieht das nicht so. Ein Sprecher der Magistratsdirektion betont, dass
im Auswahlverfahren alle Gesetze eingehalten wurden und die
Landesregierung frei entscheiden könne. Es gehe nur um die fachliche
Eignung. "Ob nun jemand mit jemandem verschwägert oder
Gemeinderat in Tripstrü ist, interessiert uns nicht." Von
politischer Seite war keine Stellungnahme zu erhalten.
Verwaltungsgericht in jedem Bundesland
Die
Verwaltungsgerichte wurden mit dem sogenannten 9+2- Modell per Reform
2012 installiert, jedes Bundesland hat ein solches Gericht erster
Instanz. Zudem gibt es zwei Bundesverwaltungsgerichte. (Renate
Graber, 2.6.2015)
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