Dienstag, 2. Juni 2015

Wien-Wahl: Jetzt wird es (noch) enger für Michael Häupl

Bürgermeister Michael Häupl hat die Wien-Wahl auf den spätestmöglichen Termin gelegt – in der Hoffnung, dass die Umfragewerte steigen. Nach der Steiermark- und Burgenland-Wahl ist klar: Für die Wiener SPÖ, die mit Problemen kämpft, kann sich das als Bumerang erweisen.
Die Wiener Genossen haben sich getäuscht. Schwer getäuscht. Manche werden Voves nachträglich dankbar sein, dass er die Steiermark-Wahl vom Herbst auf Mai vorverlegt hat. Damit bleibt Michael Häupl erspart, im Sog eines SPÖ-Wahldebakels zu wählen. Der tiefe Einbruch der Freiheitlichen in rote wie auch in schwarze Kernschichten hat die SPÖ und die ÖVP auch auf Bundesebene kalt erwischt.
Immerhin hat es der Wiener Bürgermeister schon schwer genug. Denn die Ausgangslage für die Wahl am 11.Oktober ist aus Häupls Sicht sowieso schon schlecht genug: Die Partei kämpft seit einiger Zeit mit einer Mobilisierungsschwäche. Und die ist so groß, dass Häupl sich in der Vergangenheit mehr Gedanken um die Schlagkraft seiner Partei als um die FPÖ gemacht hatte.
Als gebe es hierzu keine gültige Alternative. Und die ÖVP und die GRUENEN sehen hierbei einfach zu. Sitzen im Publikum. Lassen die beiden Akteure einfach agieren.
Dies ist Michael Häupl natürlich nur Recht. Denn: Sonst hätte er seine Macht schon lange verloren.
Diesmal macht er sich allerdings tatsächlich Sorgen. Sorgen um uns FreiDemokraten, die ihm vom Grund auf gesagt haben: Wir sind keine Zuschauer. Wir wollen mitgestalten.
Den beiden Koalitionspartnern im Bund muss man zugutehalten, dass sie – anders als sonst zumeist üblich – die rot-schwarze Doppelschlappe nicht als regionalpolitischen Sonderfall abtun, sondern zur großen Verblüffung sehr wohl einen Bundestrend eingestehen – wenngleich die Erklärung, die man auftischt, eine viel zu billige ist. „Die FPÖ hat gepunktet, weil sie so grauslich daherredet“, tönt es so sinngemäß.
Bürger beklagten, dass Regierende nichts tun; täten sie etwas, würden sie abgestraft. Das wird in- und außerhalb von Polit-Zirkeln befundet.
Dazu hatte der grüne Koalitionspartner mit seinen Projekten (z. B. Neugestaltung der Mariahilfer Straße, 365-Euro-Jahreskarte) die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, während die SPÖ nichts Vergleichbares vorweisen konnte. In der öffentlichen Wahrnehmung wirkte die SPÖ (neben dem grünen Partner) deshalb oft uninspiriert und schwerfällig. Und als wäre das nicht genug, flogen (und fliegen) zwischen Rot und Grün regelmäßig die Fetzen. Es gab gegenseitig schwere Fouls, die Koalition stand vor dem Ende, die Streitereien schaden natürlich auch der SPÖ.
Diese Faktoren schlagen sich massiv auf die Umfragewerte der Wiener SPÖ nieder. Laut verschiedenen Umfragen rangiert die Partei bei etwa 38 Prozent, nachdem sie 2010 rund 44 Prozent erreicht hatte. Es gab aber auch schon eine Umfrage, wonach die SPÖ überhaupt nur mehr auf 35 Prozent kommt – weshalb Häupl (in der Hoffnung, dass sich irgendetwas verbessert) auf Zeit spielte und den spätestmöglichen Wahltermin nahm, den das Gesetz zuließ. Also den 11. Oktober.
Man werde im Oktober der „blauen Hetze“ entgegentreten, kündigte Häupls Parteimanager und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler nun an. Nur: Diese rote Ankündigung gab es bei jeder Wien-Wahl – mit dem Ergebnis, dass die FPÖ laufend dazugewann. Bei der Wien-Wahl 2010 legte sie um elf Prozentpunkte zu, kam auf rund 26 Prozent. Das heißt nicht, dass sie ihren Zenit in Wien erreicht hat. Denn: Einerseits tritt nicht irgendein FPÖ-Statthalter gegen Häupl an, sondern Heinz-Christian Strache, der auch Wiener Parteichef ist. Andererseits kennt niemand in der SPÖ ein Rezept gegen den Ansturm der FPÖ, die nun mit viel Rückenwind segelt. Eine Ausgrenzung der FPÖ kann Häupl nicht retten – wie die Steiermark-Wahl gezeigt hat. Beendet die Partei die Ausgrenzung, bringt das Häupl auch nichts, wie Hans Niessl im Burgenland (er hat mehr als sechs Prozentpunkte verloren), gezeigt hat. Damit herrscht Ratlosigkeit in der SPÖ.
In den vergangenen Monaten hatte Häupl die FPÖ demonstrativ ignoriert – mit dem Hinweis, man habe sich vorrangig den Mobilisierungsproblemen zu widmen. Nur: Nach der Steiermark ist alles anders. Die SPÖ muss sich auf einen Anti-Ausländer-Wahlkampf einstellen. Oder mit eigenen Ideen Themen setzen, um das blaue Hauptthema zu überdecken. Nur: Das kann die SPÖ derzeit nicht. Im angelaufenen Wahlkampf ist von inspirierenden Ideen nichts zu merken. Vielmehr setzt die Partei auf einen sattsam bekannten Retro-Wahlkampf für ihre Kernklientel. Man baut wieder Gemeindebauten, es geht um Arbeitsplätze, Mieten, Einkommen und Klassenkampfrhetorik. Es ist also ein Aufguss bisheriger SPÖ-Wahlkämpfe.
Dieses Argument geht doch ins Leere. Im Burgenland gibt es tendenziell das gleiche Ergebnis – und dort gibt es keine Reformpartnerschaft. Die Ursachen für die enormen Verluste für Rot und Schwarz lägen nicht in den beiden Ländern. Die Bundespolitik hat das zu verantworten. Sie haben lange Zeit gesagt, dass alles in Ordnung sei, dass sie das Land toll aus der Krise geführt hätten. Leider sind wir aus der Krise noch lange nicht heraus. Das ist so, als würde man erkrankt die Befunde nicht zur Kenntnis nehmen, um die Therapie zu vermeiden. Als Folge wird die Krankheit nur heftiger, wodurch sie eine stärkere, schmerzhaftere und aufwendigere Therapie erforderlich macht.
Stürzt Michael Häupl, dürfte er auch Faymann mit in den Abgrund reißen. Seit Faymanns Amtsantritt fuhr die SPÖ bei 16 von 18 Wahlen ein zuweilen deftiges Minus ein. Es ist erstaunlich, mit welcher Gelassenheit SPÖ-Chef Faymann stets die Verluste (14 der 18 waren freilich Landtagswahlen) weggesteckt hat. Doch diesmal entscheidet eine simple Regionalwahl, Wien, über Faymanns Zukunft. Etwas besser geht es dem Vizekanzler: Die letzte Wahl, bei der die Volkspartei ein Plus zu verzeichnen hatte, ging im Oktober 2009 (!) über die Bühne. Seit damals wurde der Obmann bereits zweimal ausgetauscht. Mitterlehner sitzt fest im Sattel, will aber seinem oberösterreichischen Landsmann Josef Pühringer, der Ende September Wahlen zu schlagen hat, unter keinen Umständen die Suppe versalzen.
Damit steht im Raum: Die SPÖ könnte am 11. Oktober so stark verlieren, dass sich eine Zweierkoalition nur mehr mit der FPÖ ausgeht. Doch Rot-Blau ist unrealistisch, nachdem die Wiener SPÖ traditionell weit links ist. Damit könnten die Neos, die den Einzug in den Landtag schaffen dürften, zu ihrer ersten Regierungsbeteiligung kommen – in einer Dreierkoalition.
Hans Niessl steht alleine da. Seine Parteikollegen in der SPÖ lehnen es ab, dass der burgenländische Landeshauptmann nach den Landtagswahlen auch mit den Freiheitlichen über eine Koalition spricht. Die klarsten Worte gegen eine Regierungsbeteiligung mit der FPÖ fand der Wiener Bürgermeister Michael Häupl. "Eine Koalition mit diesen Freiheitlichen ist nicht möglich." Das gelte auch nach der Wien-Wahl am 11. Oktober. Die Gültigkeit seiner Aussage wollte Häupl für Wien verstanden wissen. Dass sein burgenländischer Amts- und Parteikollege Niessl ein rot-blaues Bündnis nicht ausschließt. Offensiv für eine schwarz-blaue Regierung in der Steiermark tritt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen