Mittwoch, 3. Juni 2015

Der Wakl(r)kampf hat begonnen

"Ich werde gegen diese Hetzpolitik bedingungslos und mit aller Härte eintreten. Weicheierei ist mir ohnehin nie gelegen."
Gut gebrüllt, Löwe. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat doch noch ein paar politische Instinkte. Einem Gegner, der so beschaffen ist wie die FPÖ – und noch dazu die Wiener FPÖ –, kann man nicht mit Beschwichtigung und verschämter Übernahme von dessen Themen beikommen. Michael Häupl will Schluss machen mit dieser "Weicheierei" und die direkte Konfrontation suchen.
Es scheint, als hätte die Wahl in der Steiermark und Burgenland dem mächtigen Wiener Bürgermeister die Sprache verschlagen. Am Montag wollte Häupl, der nicht gerade den Ruf besitzt, auf den Mund gefallen zu sein, die Wahlen nicht kommentieren. Am Dienstag, als Häupl im Rathaus die Song-Contest-Bilanz zog, konnte er sich diesen Fragen nicht mehr entziehen. Dabei gab er zwar einige Kommentare ab, verweigerte allerdings eine inhaltliche Stellungnahme: „Wahlergebnisse in anderen Bundesländern kommentiere ich nicht“, wiederholte der Wiener SPÖ-Chef mehrfach auf Nachfrage.
Zu Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, der einer Koalition mit der FPÖ nicht abgeneigt ist, hieß es ebenfalls: „Ich mische mich nicht in andere Landesorganisationen ein.“ Auf nochmalige Nachfrage wiederholte Häupl: Er werde sich nicht einmischen – Niessl werde seine Entscheidungen aber sicher im Parteivorstand erklären. Für Wien könne er, Häupl, aber eine Koalition mit der FPÖ ausschließen, deren „weinerliche“ Aussagen von Ausgrenzung er nicht mehr hören könne. „Das ist keine Frage der Sympathie oder der Befindlichkeit, sondern eine der Inhalte.“ Die Wiener SPÖ und die FPÖ seien zu verschieden, um eine Koalition zu bilden: „Eine Partei, die mit den Sorgen und Ängsten der Menschen spielt, will ich nicht in einer Regierung haben“, so Häupl, der in diesem Zusammenhang die für Dienstagabend geplante FPÖ-Demonstration gegen die Flüchtlingsunterkunft in Wien-Erdberg kritisierte, „bei der die FPÖ gegen christliche Syrer demonstriert“. Bei der Demo solle FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zumindest den Anstand besitzen, ein Kreuz mitzubringen, so Häupl in Anspielung an Straches Auftritt mit Kreuz bei einer Demonstration gegen ein Islamzentrum.
Am 11. Oktober wählt Wien – wie will Häupl die FPÖ stoppen? Im Wahlkampf werde die SPÖ auf die Kernthemen Arbeitsplätze, Bildung und Wohnen setzen, kündigte der Wiener SPÖ-Chef an. Anders formuliert: Die SPÖ-Wahlkampflinie wird nicht adaptiert. Auch bei einem anderen Aspekt bleibt Häupl auf seiner Linie: Die Abwanderung in das Lager der Nichtwähler sei für die SPÖ ein größeres Problem als die FPÖ. Häupl will also wieder ein Kämpfer werden, und da gibt es natürlich einige Probleme. Rein äußerlich macht er oft einen müden Eindruck. Nach 20 Jahren kein Wunder.
Mindestens so wichtig sind die realen Probleme der Bundeshauptstadt, die sich unter seiner Führung zugespitzt haben. Wien ist Spitzenreiter bei der insgesamt rekordverdächtigen Arbeitslosigkeit. Häupl: "Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt, nicht für einige wenige, sondern für alle. Ein Grund dafür ist, dass wir die Wiener ArbeitnehmerInnen nicht im Stich lassen, sondern so gut wie möglich unterstützen. Mit dem waff (waff-Präsident Bürgermeister Michael Häupl und waff-Vizepräsidentin Vizebürgermeisterin Renate Brauner! Und so sind wir schon Mitten im Wahlkampf) haben wir dafür eine Österreich weit einzigartige Einrichtung." (da hat er zu dick aufgetragen). Standortschwächen werden jetzt sichtbar. Die Industrie ist abgewandert und kann in ihrer Wertschöpfung nicht durch Stadtfeste ersetzt werden. In der Integrationsarbeit hat die Stadt Wien zwar etliche, zu wenig beachtete Arbeit geleistet, aber vor allem im Schulsystem schlagen die Folgeprobleme der Migration voll durch. Im Spitalssystem knirscht es deutlich. Und schließlich sind die (Franken-) Schulden der Stadt nicht unbeachtlich.
Noch etwas: Es wird Häupls letzter Kampf, und die Riege der potenziellen Nachfolger ist schmal. Häupl vermittelt Stabilität (? von was), aber wer vermittelt Zukunftskraft?
Der alte Löwe hat noch eine Pranke. Seine Partei müsste die Reste ihrer Zukunftsfähigkeit mobilisieren. Und auch die anderen, Grüne, Neos sowie die matte Wiener ÖVP, müssten sich besinnen, dass in diesem Wahlgang Weicheierei nichts bringt.
(stu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)


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