Montag, 8. Juni 2015

Medien 2015: Viel Steuergeld, wenig Leser

Gastkommentar von Andreas Unterberger: Die Beweise werden immer stärker: Etliche Tages- und Wochenzeitungen können angesichts der Medienkrise nur noch überleben, wenn ihnen die Politik über Inserate und Kooperationen ausreichend Steuergelder zuschiebt. Weitaus am meisten tut dies – vor allem in Zeiten vor einer bedrohlichen Wahl – die Gemeinde Wien, wie vienna.at vor kurzem auf Grund der neuesten Zahlen errechnet hat.
Das Rathaus ist im Medienbereich weitaus mehr mit schmutzigen Geschäften aktiv als jede andere staatliche Institution auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene. Laut den Meldungen auf Grund des Medientransparenzgesetzes sind allein im Vorjahr über 40 Millionen Euro vom Rathaus und den von ihm beherrschten Unternehmungen an Medien geflossen. In dieser Zahl ist noch gar nicht berücksichtigt, dass der Rechnungshof regelmäßig moniert, dass gar nicht alle Inserat-Meldepflichten gemäß jenem Gesetz wirklich erfüllt werden. Und dass Experten von Mediaagenturen sagen, viele solche Geldflüsse an Zeitungen würden getarnt erfolgen.
Der Großteil des Geldes fließt jedenfalls an Boulevardblätter. Das Blatt „Österreich“ etwa bekam im letzten März und April ein Vielfaches von dem, was an jede andere Zeitung floss.
Wie sich das auf die „Objektivität“ der redaktionellen Berichterstattung auswirkt, kann jeder Leser dieser Zeitung täglich merken. Von den eigentlich erwarteten Merkmalen einer Zeitung wie „Seriosität“ und „Qualität“ wollen wir gar nicht reden.

Gesetzliche Presseförderung

Das, was das Rathaus da an Geldern – aus Steuern und zusätzlicher Verschuldung – unter die Verleger bringt, ist ein Vielfaches dessen, was die gesetzliche Presseförderung der Republik bundesweit ausmacht. Diese Förderung ist im Gegensatz zu den willkürlich vergebenen Inserate an objektive gesetzliche und streng überprüfbare Faktoren geknüpft (wie Lehrredaktionen usw). Bei der Presseförderung gibt es keinen Platz für die subjektiven – also parteipolitisch motivierten – Entscheidungen eines Politikers. Daher gibt es bei der gesetzlichen Presseförderung auch keinerlei Verdacht, dass dadurch die Blattlinie beeinflusst oder gar gekauft würde.
Ganz anders bei der Inseratenkorruption. Diese ist eine eigenständige Erfindung der Wiener SPÖ, die damit vor allem vor der Wahl Medien besticht, um ihre Wiederwahl als Rathaus-Beherrscher zu unterstützen. Diese Erfindung hat erst nach der Übersiedlung des Wiener Wohnbaustadtrates Faymann in die Bundesregierung auch dort in breiterer Front Einkehr gehalten. Im Bund haben seither auch einige ÖVP-Minister diese üblen Gewohnheiten ihrer Koalitionspartner übernommen. Ebenso haben in Wien die Grünen seit ihrem Einstieg in die Rathaus-Koalition nicht nur nichts gegen die Medienbestechung unternommen – sie vergeben vielmehr auch selber kräftig Inserate auf Steuergeld.
Ein Hintergrund, der die Bedeutung dieser Korruption massiv vergrößert hat: Weltweit eskaliert die schlimmste Medienkrise seit der Zwischenkriegszeit. Eine Ursache ist die anhaltende Finanzkrise, die einen starken Rückgang der Inserate ausgelöst hat. Die zweite Ursache ist das Internet. Vor allem Leser unter einem Alter von rund 40 Jahren konsumieren Medien überwiegend nur noch im Internet.

Abwanderung der Inserate in die Elektronik

Noch massiver ist die Abwanderung der Inserenten in die Elektronik. Sie können dort viel billiger werben. Vor allem bestimmte Rubrikenmärkte wechselten schon fast zur Gänze weg vom teuren Papier. Wer seine Gebrauchtauto, seine Wohnung verkaufen will, braucht die ja nur einmal verkaufen. Daher zahlt er nicht dafür, dass seine Einschaltung zehn- oder hunderttausend Mal gedruckt wird. Überdies kann man im Internet eine Wohnung, ein Haus viel detaillierter mit Bild, Video und zahllosen Details anpreisen als in einem Zeitungsinserat. Ähnliches spielt sich bei der Partnersuche oder Suche von Mitarbeitern in niedrigen Einkommensregionen ab.
Wegen dieser dramatischen Verlagerung vieler Inserate nimmt international der prozentuelle Anteil der Vertriebseinnahmen (also Abo-Gebühren plus Kiosk-Umsätze) an den Verlagsbilanzen sogar signifikant zu. Obwohl auch die Zahl der Käufer deutlich sinkt. Aber die Zahl der meisten Inserate sinkt eben noch viel rascher, was vor allem für die Gratiszeitungen zum Problem geworden ist.
Lediglich Qualitäts- und Bundesländerzeitungen können ihren Marktanteil (laut Media-Analyse, der einzigen unabhängigen Messmethode) trotz der Doppelkrise halbwegs halten. Der Boulevard hingegen steckt weltweit in wachsenden Problemen. Und auch die Gratiszeitungen stagnieren trotz großer Bemühungen, sie an den Mann zu bringen. Was aber oft nur bei Schulkindern gelingt, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.
Dabei sind die schweren Verluste mancher Tageszeitungen noch geradezu harmlos im Vergleich zu den Wochen- und Monats-Illustrierten. Deren Leserzahl war zur Jahrtausendwende doppelt, dreifach, ja bei einigen Titeln sogar vierfach so hoch wie heute. Daran können auch ständige Relaunches oder Chefredakteurswechsel nichts ändern.

Zeiten der Magazine sind vorüber

Die Zeiten dieser Illustrierten und Magazine sind wohl endgültig vorüber. Auch die sogenannten „investigativen“ Geschichten, auf die sie sich in letzter Zeit konzentriert haben, locken keinen Käufer mehr in die Trafik. Denn längst ist vielen klar: Da wird gar nichts „investigativ“ aufgedeckt. Sondern es wird halt das ausgewertet, was Rechts- oder Staatsanwälte einem Journalisten aus Akten heraus zuspielen. Diese Juristen wollen so gegen einen Prozessgegner oder politischen Gegner Stimmung machen. Aber ein objektives Bild von einer Rechtssache wird in den darauf aufbauenden Berichten natürlich nicht vermittelt.
Dazu kommt noch ein weiterer Faktor, der die Leser vertreibt: Praktisch alle kriselnden Medien bewegen sich in einem einheitlich linken und politisch korrekten Mainstream. Das ist freilich nicht gerade der Trend der Wähler, wie ihn auch die jüngsten Wahlen gezeigt haben. Das ist aber die weitgehend einförmige Ideologie vieler Journalisten, auch wenn es der Auflage enorm schadet.
Und das entspricht vor allem den Wünschen und Vorgaben des weitaus größten politischen Geldgebers der Zeitungen.


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