Häupl in der „Dreigroschenoper“: Ist ihm
Würde wirklich wurscht?
Vor
der Moral komme das Fressen, schrieb Bertolt Brecht. Was aber hat Politik mit
Moral zu tun?
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Michael
Häupl „hat sich und seiner Partei die Würde genommen“. So las man es in der
Vorwoche unter dem Titel „Die verlorene Würde des Michael H.“ in einem
Kommentar des „Profil“. Wieder einmal drängt sich eine Erinnerung an Pirandello
auf: „So ist es – ist es so?“ Die öffentliche Meinung geht, scheint es,
diesfalls mit der veröffentlichten parallel. In der Tat: Michael Häupl hat den
Ruf der Bundeshauptstadt beschädigt. „Was ihm wahrscheinlich wurscht ist“, resümiert
das Nachrichtenmagazin.
Nein, es ist nicht notwendig, noch einmal über den türkischstämmigen
grünen Wiener Gemeinderat Şenol Akkılıç zu schreiben, diesen politisch Untoten,
der – Gott behüte! – auch nicht als Wiedergänger sein Unwesen treiben wird.
Seit er von der Wiener SPÖ gekauft (jawohl, gekauft, um ein sicheres Mandat
nämlich) worden ist, damit die Roten die entsprechende Stimmenanzahl haben, um
die Änderung des Wahlrechts abzuwürgen – seitdem ist im Gemeinderat der
Hauptstadt dieser Republik nichts mehr, wie es vorher war.
Man vernahm, was im Blätterwald, diesmal ohne Unterschied der jeweiligen
Blattpolitik, und sogar in den Nachrichtensendungen des ORF, der sich diesmal
zurecht auch als Kultursender, nämlich als politischer, ausgeben darf, unisono
festgestellt wurde: nämlich, dass sich ausgerechnet im Superwahljahr 2015 die
SPÖ ins Knie geschossen hat. Sie wird in nächster Zeit stark hinken.
Denn in der Tat hat das, was Michael Häupl fast wie eine politische
Nebensächlichkeit abgetan hat, wieder einmal Grundfragen gestellt: Wie steht es
wirklich mit dem, was man das „G‘hört sich“ in der Politik nennen könnte? Oder,
präziser gefragt: Sprach Bertolt Brecht die Wahrheit, wenn er in der
„Dreigroschenoper“ meinte, dass zuerst das Fressen komme und dann erst die
Moral?
Aber lassen wir die Moral beiseite. In der Politik ist sie gelegentlich nicht leicht zu finden. Da ist es einfacher, sich mit jenem Begriff zu befassen, der das umschreibt, was Michael Häupl verloren hat: Würde. Zugegeben, sie ist mit praktischer Politik schwer zu vereinen. So betrachtet sind auch die Varianten, denen der Begriff unterliegt, durchaus unterschiedlich zu werten. Würdevoll oder würdelos, würdig oder nichtswürdig, und was der gleichen Eigenschaften mehr sind: Kaum eine lässt sich in der deutschen Sprache so häufig und so unterschiedlich verwenden.
Da ist es leichter, Wikipedia zurate zu ziehen: „Im allgemeinen
Sprachverständnis bezeichnet Würde den Achtung gebietenden Wert eines Menschen
und die ihm deswegen zukommende Bedeutung.“ Wenn man dann auch noch über
merkwürdige „Würdenträger“ liest, von denen die „Würde des Amtes“ beschädigt
werden kann, glaubt man zu wissen, worum es geht.
Daran knüpft sich freilich die Frage, ob es möglich ist, ein politisches
Amt ohne Wenn und Aber mit Würde zu bekleiden und auszuüben. Die Kriterien sind
mannigfach. Eine Jungpolitikerin hat vor Jahren vorgeschlagen, angehende
Mandatare und Mandatarinnen einer Prüfung zu unterziehen. Es ging ihr damals um
den Intelligenzquotienten. Mehr wäre ratsam: Sprache, Äußeres, Benehmen und
natürlich Verantwortungsgefühl.
Aber Bertolt Brecht, nicht wahr, hat die Moral, die mit der Würde verbunden
ist, erst an zweiter Stelle gereiht. Erst kommt das Fressen. In der Politik:
genügend Mandate. Wenn es knapp wird, kann man dazukaufen. Was heißt schon
Würde?
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