Nach
fast fünf Jahren hat sich eine Familie aus Afghanistan in Österreich
wiedergefunden. Im Bezirk Voitsberg wollen Jafar, Shakera, Satar und
Sahil Mosawi ein neues Leben beginnen. Von
Clemens Ticar
Jafar
Mosawi steht am Hauptplatz in Voitsberg – seine Söhne an der Hand.
Satar (6) links, Sahil (4) rechts. Wohin er gehen möchte?
„Spielplatz“, sagt er und deutet auf die Buben. Ein kleines
Wunder: Vor knapp fünf Jahren war der heute 39-jährige Afghane in
seiner Heimat in die Gefangenschaft der Taliban geraten. Seine Frau
Shakera war damals schwanger, Sahil noch nicht auf der Welt. Es sah
so aus, als würde er seinen jüngeren Sohn nie kennenlernen . . .
Jafar war in ein Arbeitslager in Pakistan verschleppt worden. „Ungefähr zwei Jahre“ dauerte es, bis ihm die Flucht gelang. Sagt er. Und schüttelt dann den Kopf – über die Zeit in Gefangenschaft möchte er nicht sprechen. Der Afghane schlug sich durch, kam zurück in seine Heimat, machte sich auf die Suche nach seiner Familie. Zwei Jahre lang – erfolglos. Schließlich wagte er die Flucht nach Europa, landete zuerst in Wien und schließlich im Bezirk Voitsberg. Das war im November 2014.
Was er da noch nicht wusste: Seine Frau Shakera und die beiden Söhne waren schon 2012 nach Österreich geflohen.
„Ich wollte nie glauben, dass meine Familie tot ist“, sagt Jafar. Er vermutete die drei in Europa oder Australien. Als er in Graz einen Afghanen kennenlernte, der schon seit elf Jahren in Österreich lebt, bat er diesen um Hilfe. Seine Hoffnung: „Der Mann hat viele Freunde in Österreich, Deutschland und der Schweiz.“
Tatsächlich: Drei Monate später, am 18. März, wurde Jafar verständigt, dass er nach Wien fahren soll. Am Bahnhof würde ein Mann auf ihn warten. „Ich bin in Meidling ausgestiegen und mit dem Mann zu einer Wohnung gefahren.“ Dort öffnete sie die Tür: Shakera, seine Frau! „Wir haben geweint. Glückliches Weinen.“
Die 29-Jährige und die Buben wohnen in Wien in einer Ein-Zimmer-Wohnung. „30 Quadratmeter. Bett und Küche ist alles in einem Raum.“ Und mitten in diesem Raum hängt ein großes Foto von Jafar. „Satar und Sahil sind zum Foto gelaufen und haben das Gesicht verglichen, als ich in der Tür gestanden bin“, erinnert sich Jafar, während er Sahil auf der Schaukel antaucht.
Bäume
vor dem Fenster
Immer wieder hätten die Kinder früher gefragt, wo denn der Papa sei. „Arbeiten“, antwortete Shakera dann. „Papa kommt bald.“ Eine Sozialarbeiterin hatte ihr sogar geraten, Satar zu erklären, der Vater sei tot. Damit er sich besser auf die Schule konzentrieren kann. „Satar hat viel geweint.“ Die Familie suchte diese Sozialarbeiterin inzwischen gemeinsam auf: „Hallo, ich bin der Papa. Es ist ein Wunder, aber ich lebe“, sagte Jafar. „Dann hat sie geweint, nicht Satar.“
Im Bezirk Voitsberg wollen die Mosawis nun ein neues Leben beginnen. „Die Kinder haben gesagt, sie wollen Bäume sehen, wenn sie aus dem Fenster schauen“, erzählt der Vater. „Das geht in Wien nicht“, ergänzt seine Frau. In der Weststeiermark fühlt sich Jafar wohl. Er darf zwar als Asylwerber hier noch nicht arbeiten. Aber „ich spiele Volleyball und unterrichte Kung-Fu in der Volksschule“. Ehrenamtlich.
All das sagt der Afghane auf Deutsch. „Ich lerne fünf bis sechs Stunden, jeden Tag.“
„Hier zu sein, ist eine große Chance. Ich habe in Voitsberg viele wunderbare Menschen kennengelernt“, möchte Jafar Mosawi Danke sagen. „Miracle heißt Wunder, oder?“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen