Irene Brickner
20. April 2015, 23:13
Reform verändert das Aufnahmeverfahren für Flüchtlinge grundlegend - Bis zuletzt wurde gestritten
Wien – In Kraft treten soll die Asylnovelle am ersten Juli, also schon in zweieinhalb Monaten. Die Zeit für Vorbereitungen bis dahin erscheint recht knapp bemessen: Mit der Gesetzesänderung, die heute, Dienstag, dem Ministerrat vorliegt, wird es zu einer tiefgreifenden Änderung des Aufnahmeprozederes für Flüchtlinge in Österreich kommen.Die Verhandlungen zwischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ihrem Schattenminister auf SPÖ-Seite, Verteidigungsminister Gerald Klug, hatten am Montag bis in die Abenstunden gedauert. Grund dafür: Einwände der Bundesländer gegen das geplante Regelwerk – allen voran massive Kritik aus dem Land Wien. Diese sollen nun "in der parlamentarischen Diskussion" erwogen werden, hieß es Montag Abend.
Direkt in den Ländern
Konkret sollen Asylwerber – so entschieden wurde, dass ihr Antrag in Österreich behandelt wird, sie also in kein anderes EU-Land überstellt werden – ab Juli statt wie bisher in die Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham in Länder-Verteilerzentren kommen. Von dort aus sollen sie direkt in Länder-Grundversorgungsquartiere in Gasthöfen oder Heimen gebracht werden, derer es bekanntlich nicht übermäßig viele gibt.Diese Unterkünfte müssen sie jedoch laut einer geplanten Änderung im Grundversorgungsgesetz, die Teil der Asylnovelle ist, unter Umständen bald wieder verlassen: Dann, wenn ihr Asylantrag in erster Instanz abgelehnt wurde und ihrer Berufung gegen diese Entscheidung keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, obwohl das Verfahren dann noch weitergeht.
Gröbere Befürchtungen
Ein solcher gesetzlich vorgesehener Quartierverlust lässt Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien (FSW) im Standard-Gespräch Gröberes befürchten. Viele der negativ beschiedenen Asylwerber würden nach einer Ablehnung nicht einfach aus Österreich verschwinden, meint er. Sondern sie würden sich vielmehr, obdachlos geworden, dorthin wenden, wo sie noch am ehesten Unterstützung erwarten können: an die Sozialhilfeträger in größeren Städten, allen voran in Wien."Auf diese Weise die Grundversorgung zu entlasten, bedeutet eine wesentlich höhere Obdachlosigkeit in den Städten zu akzeptieren. Die Folgekosten für Notquartiere und das Gesundheitssystem sind enorm", kritisierte das Land Wien bereits in der Stellungnahme zum Fremdenrechtsänderungsgesetz, vulgo Asylnovelle, im Begutachtungsverfahren.
Gegen Grundversorgungsvereinbarung
Aus Tirol, Vorarlberg und Kärnten kamen ähnliche Einwände: Und mehr noch: Die geplante Änderung widerspreche der von Bund und Ländern unterzeichneten Grundversorgungsvereinbarung aus 2004, laut der alle hilfs- und schutzbedürftigen Fremden unterzubringen sind, über deren Asylantrag noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.Neben besagten Bundesländern stellten im Begutachtungsverfahren auch Amnesty und das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR den neuen Grundversorgungsentzug infrage: Derlei werde der Verelendung von Flüchtlingen Vorschub leisten.
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