Die
Wiener Grünen haben mehrere massive Probleme. Ausgerechnet ihr
Koalitionspartner hat sie öffentlich gemacht. Zeit, der Koalition Adieu zu
sagen, Frau Vassilakou.
Es lief lang gut für Maria Vassilakou und
ihre Wiener Grünen: Begeistert von den neuen Plätzen auf der Regierungsbank
umschifften sie pragmatisch bis selbstvergessen jeden Konflikt mit dem
selbstbewussten Koalitionspartner. Mit glänzendem Fahrrad, schicker Architektur
und edlem Fußgängerzonen-Beton gelang es der einstigen Neigungsgruppe Chaos,
eine eigene Handschrift in Wien zu entwickeln. Leuchtturmprojekte nennt man
das, ob darunter die See schmutzig-grau ist, tut nichts zur Sache.
Mit anderen klassischen Grün-Themen mussten sie sich nicht aufhalten.
Sozial- und Kulturpolitik oder gar Integration: ressortiert bei der SPÖ und
kompliziert ist das alles auch noch. Die Oberfläch(e/lichkeit) der Stadt eignet
sich auch perfekt zur Selbstdarstellung. Das wussten schon die alten Roten.
Dann kam ausgerechnet einer der stillen Hinterbänkler, ein
Integrationsspezialist und Sozialarbeiter kurdischer Abstammung ohne jeden
Glamour, den die grüne Basis nicht mehr auf einen halbwegs sicheren Listenplatz
gewählt hatte.Şenol Akkılıç nahm das freie Mandat ernst und ließ sich mit einem
hoffentlich lukrativen Angebot der SPÖ zum Wechsel animieren. Die ihrerseits
das Wort Skrupel nicht kennt und die politische Intrige für ehrbares Handwerk
hält. Und schon fehlte die Mehrheit für ein neues, nicht ganz so
mehrheitsfreundliches Wahlrecht in Wien. Fast vier Jahre lang haben die Grünen
das Thema in der Schublade des Notars liegen gelassen. (Für die Einführung
eines tatsächlich begrüßenswerten Mehrheitswahlrechts auf Bundesebene treten
übrigens auch ÖVP-Politiker ein – nur in Wien sei das undemokratisch, aber das
nur nebenbei.)
Staatsfeind Nummer eins. Seither ist der „naive Tor“ (©„Profil“)Akkılıç Staatsfeind Nummer eins der Grünen, und die sind beim Jagen nicht zimperlich. Maria Vassilakou und ihre angeblich loyalen Politik-Buben regten sich jedenfalls furchtbar auf. Zornig drohten sie der SPÖ, verwendeten Burgtheater-Gesten und sprachen von einem „dunklen Tag“. Doch dann zogen sie die Drohung mit dem sofortigen Aus schnell wieder zurück und formulierten eine völlig absurde, aber politikwissenschaftlich interessante Position. Die Koalition ist am Ende, die gemeinsame Regierung geht aber weiter.
Seither leidet Michael Häupl jedenfalls an chronischem Schluckauf dank
ununterbrochenen Lachanfalls. Und nicht nur er.
Liebe Maria Vassilakou, wie wäre es einfach mit der Wahrheit? Die lautet in
etwa so: „Wir Wiener Grüne wollen auch in der Regierung sitzen, über
Fahrradwege entscheiden, Geld ausgeben und die Helden auf dem Karmelitermarkt
sein. Dafür machen wir fast – Entschuldigung, ohne fast – alles. Denn wenn wir
es nicht machen, tut es die Wiener ÖVP bestimmt wieder.“
Oder aber Maria Vassilakou probiert es wieder mit echter Politik. Sagt dem
Bürgermeister Adieu, kann dafür morgens wieder den Spiegel im Badezimmer
aufhängen und Eva Glawischnig ernsthaft vermitteln, dass bunte Plakate kein
Parteiprogramm ersetzen. Kurz, es geht um den Rest ihrer politischen
Glaubwürdigkeit.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)
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