Sonntag, 12. April 2015

Vassilakous Beitrag zu Häupls Schluckauf


Die Wiener Grünen haben mehrere massive Probleme. Ausgerechnet ihr Koalitionspartner hat sie öffentlich gemacht. Zeit, der Koalition Adieu zu sagen, Frau Vassilakou.


Mit anderen klassischen Grün-Themen mussten sie sich nicht aufhalten. Sozial- und Kulturpolitik oder gar Integration: ressortiert bei der SPÖ und kompliziert ist das alles auch noch. Die Oberfläch(e/lichkeit) der Stadt eignet sich auch perfekt zur Selbstdarstellung. Das wussten schon die alten Roten.

Dann kam ausgerechnet einer der stillen Hinterbänkler, ein Integrationsspezialist und Sozialarbeiter kurdischer Abstammung ohne jeden Glamour, den die grüne Basis nicht mehr auf einen halbwegs sicheren Listenplatz gewählt hatte.Şenol Akkılıç nahm das freie Mandat ernst und ließ sich mit einem hoffentlich lukrativen Angebot der SPÖ zum Wechsel animieren. Die ihrerseits das Wort Skrupel nicht kennt und die politische Intrige für ehrbares Handwerk hält. Und schon fehlte die Mehrheit für ein neues, nicht ganz so mehrheitsfreundliches Wahlrecht in Wien. Fast vier Jahre lang haben die Grünen das Thema in der Schublade des Notars liegen gelassen. (Für die Einführung eines tatsächlich begrüßenswerten Mehrheitswahlrechts auf Bundesebene treten übrigens auch ÖVP-Politiker ein – nur in Wien sei das undemokratisch, aber das nur nebenbei.)


Staatsfeind Nummer eins. Seither ist der „naive Tor“ (©„Profil“)Akkılıç Staatsfeind Nummer eins der Grünen, und die sind beim Jagen nicht zimperlich. Maria Vassilakou und ihre angeblich loyalen Politik-Buben regten sich jedenfalls furchtbar auf. Zornig drohten sie der SPÖ, verwendeten Burgtheater-Gesten und sprachen von einem „dunklen Tag“. Doch dann zogen sie die Drohung mit dem sofortigen Aus schnell wieder zurück und formulierten eine völlig absurde, aber politikwissenschaftlich interessante Position. Die Koalition ist am Ende, die gemeinsame Regierung geht aber weiter.

Seither leidet Michael Häupl jedenfalls an chronischem Schluckauf dank ununterbrochenen Lachanfalls. Und nicht nur er.

Liebe Maria Vassilakou, wie wäre es einfach mit der Wahrheit? Die lautet in etwa so: „Wir Wiener Grüne wollen auch in der Regierung sitzen, über Fahrradwege entscheiden, Geld ausgeben und die Helden auf dem Karmelitermarkt sein. Dafür machen wir fast – Entschuldigung, ohne fast – alles. Denn wenn wir es nicht machen, tut es die Wiener ÖVP bestimmt wieder.“

Oder aber Maria Vassilakou probiert es wieder mit echter Politik. Sagt dem Bürgermeister Adieu, kann dafür morgens wieder den Spiegel im Badezimmer aufhängen und Eva Glawischnig ernsthaft vermitteln, dass bunte Plakate kein Parteiprogramm ersetzen. Kurz, es geht um den Rest ihrer politischen Glaubwürdigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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