Von Hansjörg Müller. Aktualisiert am 29.04.2015
Der
Wiener Arzt Peter Fabjan ist Universalerbe Thomas Bernhards. Wo sich
der Nachlass des Jahrhundert-Dramatikers befindet, mag er nicht
verraten.
Die Beziehungen,
die den österreichischen Dramatiker Thomas Bernhard mit der
Aussenwelt verbanden, waren komplizierte. Auch sein Halbbruder und
zeitweiliger Leibarzt Peter Fabjan blieb nicht verschont: «Etwas
Fürchterliches» sei passiert, berichtete Bernhard am Morgen des
24. Februar 1972 seinem Freund und Eckermann Karl Ignaz
Hennetmair.
Mehr als zwei
Stunden später als vereinbart sei Fabjan am Abend zuvor zur Visite
erschienen. «Setz dich hin», habe er ihn, Bernhard, geheissen, und
dies «in so einem Ton, wie sie das im Spital zu den Bauern sagen».
Woraufhin der weltberühmte Literat den regional bekannten
Internisten hinauswarf, verbunden mit der Aufforderung, ihm ja nicht
mehr ins Haus zu kommen. «Jetzt weiss ich endgültig, dass ich mit
ihm als Arzt nicht rechnen kann, und für meine Arbeiten hat er ja
noch nie Verständnis gezeigt», soll Bernhard damals laut Hennetmair
geklagt haben.
Eine
beachtete Randfigur
Das Zerwürfnis
blieb nicht von Dauer, wahrscheinlich auch, weil der lungenkranke
Bernhard einen Arzt brauchte, der ihm auch ausserhalb der
Sprechzeiten zur Verfügung stand. Heute ist Fabjan
Universalerbe des 1989 verstorbenen Bernhard und als solcher zu
einer beachteten Randfigur des Literaturbetriebs geworden. Neun Jahre
nach seines Halbbruders Tod gründete er die
Thomas-Bernhard-Privatstiftung, eine «gemeinnützige
Einrichtung (…) mit dem Zweck, den Dichter im In- und
Ausland zu vertreten», wie es auf ihrer Homepage heisst. Vor allem
aber betrieb die Stiftung ein Archiv in der Villa
Stonborough-Wittgenstein, einem hochherrschaftlichen Anwesen am
Ufer des oberösterreichischen Traunsees.
Am 1. Januar
stellte das Archiv, in dem sich ein Teil des Bernhard-Nachlasses
befand, den Betrieb ein; der Vertrag mit Archivleiter Martin Huber
wurde aufgelöst, gemäss Fabjan «im gegenseitigen Einvernehmen».
Grund für das Zerwürfnis ist dem Vernehmen nach ein Projekt, das
der Arzt zusammen mit der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften und dem Suhrkamp-Verlag vorantrieb – und dies,
ohne Huber zu informieren: die Digitalisierung der Archiv-Bestände
zwecks Erstellung einer historisch-kritischen Bernhard-Ausgabe.
Schwere Vorwürfe stehen seither gegen Fabjan im Raum, allen voran
der, er nehme Geld vom Staat und mache damit, was er wolle: Jährlich
88 000 Euro erhält die Privatstiftung jährlich von der
Republik Österreich, weitere 22 000 von der Gemeinde Wien.
«Die
Feuerwehr ist auch nicht weit»
Der naheliegenden
Frage, wo sich der Bernhard-Nachlass seit der Schliessung des Archivs
befindet, ist nun die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»
nachgegangen. Ein Reporter hat den Medizinalrat Dr. Peter Fabjan
in dessen Domizil aufgesucht, in der Blutgasse 3/2 gleich hinter
dem Wiener Stephansdom. Fabjan gab sich bedeckt: «Ich möchte
das eigentlich nicht in der Zeitung lesen», erklärte er. Gleichwohl
bemühte er sich, allfällige Sorgen zu zerstreuen: Man könne davon
ausgehen, «dass alles bestmöglich untergebracht ist. Klimatisiert,
polizeilich überwacht, und die Feuerwehr ist auch nicht weit.
»Einsichtnahme in
die Archiv-Bestände ist laut Fabjan möglich. Allerdings nur für
den, der es vermöge, die Thomas-Bernhard-Privatstiftung von einem
«begründeten wissenschaftlichen Interesse» zu überzeugen.(Basler
Zeitung)
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