Dienstag, 28. Oktober 2014

Zwangsräumung

Zwangsräumungen: Wohnungsverlust wird Politthema
Eine neue Initiative will Räumungen vor Ort verhindern - während der Verband der Hausbesitzer eine Regelung fordert, um sie zu beschleunigen
Ihre Miete hat Monika R. immer pünktlich beglichen, so wie früher ihre Eltern, seit diese 1958 in die 27,5-Quadratmeter-Wohnung in Wien-Ottakring zogen. Nach dem Tod von Vater und Mutter übernahm die frühpensionierte Verkäuferin und Sekretärin den unbefristeten Mietvertrag. 200 Euro, inklusive Betriebskosten, überweist sie allmonatlich.
Nun könnte die Oktobermiete ihre letzte Zahlung gewesen sein: Die 51-Jährige wird delogiert. Sie habe sich geweigert, Handwerker in die Wohnung zu lassen, um die Folgen eines Wasserschadens zu sanieren; damit habe sie "grob nachteiligen Gebrauch des Mietgegenstands" an den Tag gelegt, lautet die Begründung. Monika R. widerspricht: Der Wasserschaden sei gar nicht in ihrer Wohnung aufgetreten. Vielmehr werde sie als inzwischen einzige Mieterin unter Wohnungsbesitzern aus dem Gründerzeithaus gedrängt.
Erste Räumung abgeblasen
Ein erster Räumungstermin war für den sechsten Oktober angesetzt. Er wurde abgeblasen. Ob dafür die vorher angekündigte Anwesenheit von 50 Protestierenden ausschlaggebend war, ist unklar: "Monika R. ist ein krasses Beispiel für Spekulation mit Wohnraum. Immer öfter werden Mieter mit sogenannten Altverträgen aus Wohnungen vertrieben", sagt eine Vertreterin der Initiative "Zwangsräumungen verhindern", die den Protest organisiert hat.
Nach Städten wie London, Paris und Berlin würden sich auch in Wien die sozialen Kosten der Gentrifizierung - Abwanderung armer und Zuzug wohlhabender Schichten in ganze Stadtteile - nun bemerkbar machen, sagt die Sprecherin. Dazu komme eine zunehmende Mietenverteuerung, vor allem am freien Wohnungsmarkt: "Wie in Spanien oder Berlin brauchen Menschen, die sich gegen Wohnungsverlust zur Wehr setzen, Unterstützung."
"Fortgesetzte Entmündigung"
So etwa Monika R., die nicht zuletzt "durch fortgesetzte Entmündigung" in die Delogierung getrieben worden sei. Tatsächlich ist die Frühpensionistin im Verkehr mit Gerichten, Ämtern und in Vermögensangelegenheiten seit 20 Jahren besachwaltert. Doch gegen die Wohnungskündigung wurde von Sachwalterseite kein Einspruch erhoben. So erlangte die Kündigung Rechtskraft.
Ein darauf neu bestellter Sachwalter beantragte Wiedereinsetzung, doch das fruchtete nicht. Nun hat er, um seiner Klientin Obdachlosigkeit zu ersparen, den Mietvertrag einer Ersatzwohnung für sie unterzeichnet. Diese lehnt Monika R. entschieden ab: "Ich habe fast mein ganzes Leben in der derzeitigen Wohnung gelebt. Ich will bleiben", betont sie.
Nächster Räumungsversuch am 10. Dezember
Ein nächster Räumungstermin ist für den 10. Dezember angesetzt. Man werde vor Ort sein, heißt es bei der Antidelogierungsinitiative. Aktionen von Gruppen wie dieser hätten "einen Sensibilisierungseffekt", kommentiert dies Christian Boschek, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer. Wichtiger jedoch sei "präventive Hilfe" (Interview rechts).

Friedrich Noszek, Präsident des Zentralverbands der Hausbesitzer in Wien, setzt diesbezüglich einen ganz anderen Schwerpunkt. Man dürfe "nicht nur die Seite der Mieter, sondern auch jene der Vermieter sehen", sagte er. Daher müssten "beschleunigte Delogierungen" eingeführt werden, wie es sie in Deutschland schon gebe. (Irene Brickner, DER STANDARD, 29.10.2014)

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