Zwangsräumungen:
Wohnungsverlust wird Politthema
Eine neue Initiative will
Räumungen vor Ort verhindern - während der Verband der Hausbesitzer eine
Regelung fordert, um sie zu beschleunigen
Ihre Miete hat Monika R.
immer pünktlich beglichen, so wie früher ihre Eltern, seit diese 1958 in die
27,5-Quadratmeter-Wohnung in Wien-Ottakring zogen. Nach dem Tod von Vater und
Mutter übernahm die frühpensionierte Verkäuferin und Sekretärin den
unbefristeten Mietvertrag. 200 Euro, inklusive Betriebskosten, überweist sie
allmonatlich.
Nun könnte
die Oktobermiete ihre letzte Zahlung gewesen sein: Die 51-Jährige wird
delogiert. Sie habe sich geweigert, Handwerker in die Wohnung zu lassen, um die
Folgen eines Wasserschadens zu sanieren; damit habe sie "grob nachteiligen
Gebrauch des Mietgegenstands" an den Tag gelegt, lautet die Begründung.
Monika R. widerspricht: Der Wasserschaden sei gar nicht in ihrer Wohnung
aufgetreten. Vielmehr werde sie als inzwischen einzige Mieterin unter
Wohnungsbesitzern aus dem Gründerzeithaus gedrängt.
Erste Räumung abgeblasen
Ein erster Räumungstermin
war für den sechsten Oktober angesetzt. Er wurde abgeblasen. Ob dafür die vorher
angekündigte Anwesenheit von 50 Protestierenden ausschlaggebend war, ist
unklar: "Monika R. ist ein krasses Beispiel für Spekulation mit Wohnraum.
Immer öfter werden Mieter mit sogenannten Altverträgen aus Wohnungen
vertrieben", sagt eine Vertreterin der Initiative "Zwangsräumungen
verhindern", die den Protest organisiert hat.
Nach Städten wie London,
Paris und Berlin würden sich auch in Wien die sozialen Kosten der
Gentrifizierung - Abwanderung armer und Zuzug wohlhabender Schichten in ganze
Stadtteile - nun bemerkbar machen, sagt die Sprecherin. Dazu komme eine
zunehmende Mietenverteuerung, vor allem am freien Wohnungsmarkt: "Wie in
Spanien oder Berlin brauchen Menschen, die sich gegen Wohnungsverlust zur Wehr
setzen, Unterstützung."
"Fortgesetzte
Entmündigung"
So etwa Monika R., die nicht
zuletzt "durch fortgesetzte Entmündigung" in die Delogierung
getrieben worden sei. Tatsächlich ist die Frühpensionistin im Verkehr mit
Gerichten, Ämtern und in Vermögensangelegenheiten seit 20 Jahren besachwaltert.
Doch gegen die Wohnungskündigung wurde von Sachwalterseite kein Einspruch
erhoben. So erlangte die Kündigung Rechtskraft.
Ein darauf neu bestellter
Sachwalter beantragte Wiedereinsetzung, doch das fruchtete nicht. Nun hat er,
um seiner Klientin Obdachlosigkeit zu
ersparen, den Mietvertrag einer Ersatzwohnung für sie unterzeichnet. Diese
lehnt Monika R. entschieden ab: "Ich habe fast mein ganzes Leben in der
derzeitigen Wohnung gelebt. Ich will bleiben", betont sie.
Nächster Räumungsversuch am
10. Dezember
Ein nächster Räumungstermin
ist für den 10. Dezember angesetzt. Man werde vor Ort sein, heißt es bei der
Antidelogierungsinitiative. Aktionen von Gruppen wie dieser hätten "einen
Sensibilisierungseffekt", kommentiert dies Christian Boschek,
Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer. Wichtiger jedoch sei "präventive
Hilfe" (Interview rechts).
Friedrich Noszek, Präsident
des Zentralverbands der Hausbesitzer in Wien, setzt diesbezüglich einen ganz anderen
Schwerpunkt. Man dürfe "nicht nur die Seite der Mieter, sondern auch jene
der Vermieter sehen", sagte er. Daher müssten "beschleunigte
Delogierungen" eingeführt werden, wie es sie in Deutschland schon gebe.
(Irene Brickner, DER STANDARD, 29.10.2014)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen