Samstag, 11. Oktober 2014

Geschichten aus dem Gemeindebau

Wissen ist wichtig, nicht meinen

Das ist ja ganz richtig, dass der Gemeindebau nicht mehr so billig ist, wie man gemeinhin meint. Der Gemeindebau ist heute schon Luxus geworden. 
Wiener Wohnen hat ja sein neues Amtsgebäude verkauft und mietet es jetzt zurück. Wer sagt uns denn, dass die Gemeindewohnung noch der Stadt Wien gehören? Der Rechnungshof darf Wiener Wohnen nicht prüfen, dies ist untersagt. Die Mieten steigen, steigen und steigen....

Dem Gemeindebau und seinen Bewohnern ist erstmals ein Buch gewidmet. Über alte Plumpsklos, Freunderlwirtschaft und Streunerkatzen aus Rumänien.
Das WC war für die Kinder die erste Attraktion. "Das hat gleich weggeschwemmt!", hat die Tochter begeistert gerufen. So etwas hatte die damals sechsjährige Tochter von Erika Krottmaier noch nie gesehen.
Damals, das war 1970. Die Familie Krottmaier zieht in ihre Gemeindewohnung. Vater, Mutter, fünf Kinder. Zuvor wohnten sie auf 22 Quadratmetern in einer kleinen Dienstwohnung in der Schutzengelkirche. Mit Plumpsklo. Die Gemeindewohnung war ein sozialer Aufstieg - und 111 Quadratmeter groß. "Das war ein Gefühl, unvorstellbar", sagt Erika Krottmaier heute.
Die Wohnung bekommen haben sie nur, weil ein Onkel im Magistrat gearbeitet hat. Freunderlwirtschaft der alten Schule. "Alles geschoben", sagt Krottmaier. Dabei war die Wohnung in einem schlechten Zustand. "Wir haben alles renovieren müssen. 15.000 Schilling haben wir investiert, das war viel Geld damals."
Sozialpolitisch notwendig
Frau Krottmaier ist eine Protagonistin, die im neuen Buch "Gemeinde.Wohnen" eine Hauptrolle spielt. Erstmals wird die Geschichte des Grazer Gemeindebaus und ihrer Bewohner erzählt und beleuchtet. "Das Thema wurde bisher völlig vernachlässigt, im Gegensatz zu Wien etwa", sagen die Herausgeber Michaela Strapatsas und Nikolaus Reisinger. In Wien pflegt man regelrecht den Kult um seine Gemeindebauten, in Graz hat man in den frühen 2000er-Jahren laut darüber nachgedacht, den Gemeindebau zu privatisieren und loszuwerden.
"Dabei ist das sozialpolitisch dringend notwendig", sagt Wohnungsstadträtin Elke Kahr (KPÖ). Heute gibt es rund 10.800 Gemeindewohnungen in Graz, das ist ein Anteil von acht Prozent am gesamten Wohnungsmarkt.
In einer dieser 10.800 Wohnungen wohnt auch Bebica Mandoiu. Er kommt aus Rumänien und ist vor mehr als 25 Jahren vor dem Regime Ceausescus, dem damaligen kommunistischen Diktator, geflüchtet. Seit sieben Jahren lebt er jetzt im Gemeindebau in der Fröbelgasse, vor kurzem zog er in den modernen Zubau.
Schimmel im Keller
"Die alten Mauern waren sehr feucht, das Fundament im Keller von Schimmel befallen. Aber im neuen Teil ist es wunderbar, vor allem der Garten, wo wir immer zusammensitzen können." Da ist auch seine Katze mit dabei: "Mitzi" kommt ebenfalls aus Rumänien, Mandoius Tochter hat die Streunerin von der Straße gerettet. "Jetzt begleitet sie mich immer bei meinen Spaziergängen in den Park."
Der Großteil der Gemeindewohnungen stammt aus der Zwischen- und Nachkriegszeit, da war und ist der Sanierungsbedarf gewaltig. Seit 1999 investiert die Stadt Millionen, um die alte Bausubstanz aufzuwerten.

Auch das Haus von Erika Krottmaier am Eggenberger Gürtel wurde vor drei Jahren saniert, Wohnungen wurden zusammengelegt. Heute lebt die 81-Jährige auf 45 Quadratmetern. Und so billig, wie man gemeinhin meint, ist eine neue Gemeindewohnung gar nicht: 400 Euro zahlt sie, ohne Heizung und Strom.

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