Samstag, 11. Oktober 2014

Auf 16 Quadratmetern durchs Studium

Wien. Ein Regal, ein Bett, eine zweite Matratze und eine kleine Ablage. Viel mehr Platz ist in dem kleinen Zimmer mit Rückwandfenster nicht. Die Kaffeemaschine thront auf einer Ecke des Schreibtischs. Ina präsentiert ihr gerade mal 16 Quadratmeter großes Reich. Darauf angesprochen meint sie nur schmunzelnd: "Je kleiner das Zimmer, desto weniger hat man zu putzen." Vor etwas mehr als drei Jahren ist sie von Steyr nach Wien gekommen. Aber wer ist Ina? Die Antwort ist einfach: Ina ist Studentin.

Allein im vergangenen Wintersemester studierten mehr als 170.000 Menschen in Wien, von denen knapp 23.000 neu zugelassen wurden. Viele ziehen dafür in die Stadt. Über 90 Studentenwohnheime bieten Platz für mehr als 12.000 angehende Akademiker. Ina wohnt im Haus Oberösterreich im 7. Bezirk. "Hier sind viele Leute aus Oberösterreich, gerade aus meiner Heimatstadt", erklärt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Es wohnen auch Freunde von mir hier, aber man ist einander auch schon verbunden, wenn man aus derselben Stadt oder demselben Bundesland ist."
Gebühr für Suche
Eine Wohnmöglichkeit zu finden, ist nicht einfach. "Das erste Problem ist, dass man überhaupt mal einen Wohnheimplatz oder eine WG findet", weiß Julia Freidl, Generalsekretärin der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). "Auch in Wien sind die Wartelisten für Studentenwohnheime irre lang." Manche Wohnheimbetreiber verlangen sogar eine Gebühr, um Studenten überhaupt erst auf die Warteliste zu setzen. "Eigentlich ist das ja vollkommen absurd, vor allem, wenn ich mich bei mehreren Heimen bewerben will, um die Chance zu haben, einen Platz zu bekommen", meint Freidl. Auf ihrem "Schwarzen Brett" bietet die ÖH online neben Jobangeboten auch eine Liste freier Wohnheimplätze und kostenlose WG-Inserate an. Studenten können auch kostenlose Mietvertragsprüfungen in Anspruch nehmen. Ina hatte mit ihrem Heimplatz Glück. "Meine Stadt hat hier auch Zimmer angemietet, dadurch hab ich eines bekommen."
Neben ihren Freunden und Annehmlichkeiten wie einem Billardraum, einer Heimbar, Arbeitszimmern für Musik- und Architekturstudenten und einem Fitnessraum ist Ina aber auch mit Schwierigkeiten im Wohnheimleben konfrontiert. "Man kann hier nur wohnen, wenn man pro Semester eine gewisse Anzahl an ECTS-Punkten aus dem Studium für abgeschlossene Kurse abgibt. Vor allem gegen Ende des Studiums, wenn man nur wenige Kurse hat oder an seiner Meisterarbeit schreibt, muss man um seinen Heimplatz verhandeln." Auch kann man sich seine Zimmerkollegen nicht aussuchen. "Im ersten Semester musste ich in einem Doppelzimmer wohnen. Meine Mitbewohnerin war sehr unordentlich, hat nichts abgewaschen und hat es im Zimmer sogar schimmeln lassen", erinnert sie sich.
Große Mietpreisspannen
Die Preise in den einzelnen Heimen können stark variieren. Ina zahlt für ihr Heimzimmer etwa 220 Euro im Monat. "Es ist echt leistbar, man kann daneben gut sparen, wenn man beispielsweise arbeitet, und muss nicht alles Geld in ein Zimmer stecken, für Möbel, Internet oder Heizkosten", meint sie. Dafür hat sie weder eine eigene Küche noch ein Badezimmer - Toiletten und getrennte Duschkabinen werden vom gesamten Stockwerk geteilt.
Kostspieliger hingegen sind beispielsweise die Zimmer der gemeinnützigen Studentenwohnbau Aktiengesellschaft (Stuwo AG). Sie betreibt in Wien neun Häuser mit insgesamt 1950 Wohnheimplätzen. In den 20 Jahren seit der Gründung hat sie mehr als 9000 Studenten beherbergt. Ein möbliertes Einzelzimmer mit Wohnküche, Badezimmer und WC in einem Stuwo-Haus kostet ungefähr 400 Euro im Monat. Damit liegen die Mieten im oberen Drittel der Durchschnittspreise Wiens. Das ist unter anderem dadurch bedingt, dass die Häuser der Stuwo AG größtenteils neu gebaut sind.
Die Zimmerpreise liegen auch deutlich unter jenen von privat finanzierten Wohnheimen wie dem Milestone beim neuen WU-Campus, wo ein vollmöbliertes Zimmer 590 Euro im Monat kostet. "Unsere Vision ist es, ,Wohnen für Studenten‘ ganz neu zu definieren. High Class Wohnqualität kombiniert mit den unvergleichlichen Vorteilen eines lebendigen Community-Lifestyles", wirbt der Betreiber auf seiner Homepage. Julia Freidl steht den hohen Mietpreisen privater Studentenwohnheime skeptisch gegenüber: "Das entspricht nicht mehr dem sozialen Gedanken der Studentenwohnheime."
ÖH fordert Mietsenkungen
Seit die Förderungen für Studentenwohnheime vom Bund im Sparpaket 2010 gestrichen wurden, müssen sich Wiener Studentenheimbetreiber auf die Gemeindeunterstützung verlassen. Laut Wohnbaumagistrat werden dafür Förderdarlehen in Höhe von 510 Euro pro Quadratmeter vergeben. Für eine 16 Quadratmeter große Wohnung wie die von Ina wären das 8160 Euro. Die Darlehen haben mit 35 Jahren eine ungewöhnlich lange Laufzeit und sind fix mit 1 Prozent p.a. verzinst. Seit 2008 wurden so etwa 2400 Wohnheimzimmer gesichert.
Laut der Studierenden-Sozialerhebung 2011 stehen Studenten im Durchschnitt knapp 1000 Euro im Monat zur Verfügung, mit denen sie ihren gesamten Lebensunterhalt bestreiten müssen - Unterkunft inklusive. Wohnheimförderungen sind daher wichtig, da Studenten die "angespannte Situation" am Wiener Wohnungsmarkt stärker spüren als andere, meint Julia Freidl und fordert mehr leistbares Wohnen für Studenten: "Es soll wieder Realität werden, dass es wieder mehr Heimplätze um 200 Euro gibt." Seitens der Stuwo AG sieht man in einer Übernahme der Möblierungskosten in Studentenwohnheimen durch den Bund eine Entlastungsmöglichkeit für Studenten. Diese müssen die Kosten zwischen 36 und 45 Euro monatlich als Teil der Wohnheimmiete selbst tragen. Auch Julia Freidl steht diesem Vorschlag positiv gegenüber. "Hauptsache, die Preise sinken wieder."
Ina möchte die Erfahrung im Studentenwohnheim nicht missen. "Ich habe sehr schöne Erinnerungen an meine Zeit hier. Einmal haben wir sogar einen Polterabend im Gemeinschaftsraum gefeiert", erzählt sie. Nächstes Jahr wird sie nach Abschluss ihres Studiums ausziehen. An Nachmietern mangelt es nie.


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