Hohe Wohnungspreise in Wien: Die Schuldigen sitzen im
Rathaus
In Wien werden jedes Jahr 6000 bis 7000 Wohnungen
gebaut. Benötigt würden aber 10.000. Das treibt die Preise für die wenigen noch
am Markt befindlichen Wohnungen zwangsläufig gewaltig nach oben.
Nun glaubt man im
Rathaus, wie im Kommunismus diese Entwicklung durch noch mehr Reglungen und
Mietpreisbremsen bekämpfen zu können.
Vor den Wahlen wurden leistbares Wohnen und ein neues
Mietrecht thematisiert. Aber die Mieten steigen und von einem neuen Mietrecht
ist wenig bis nichts Konkretes zu vernehmen.
Die SPÖ versucht sich als Partei des
sozialen Wohnbaus zu präsentieren, auch auf europäischer Ebene. Leider scheint
sich die Sozialdemokratie hier auf alten Lorbeeren ausruhen zu wollen. Der
Wohnungsmarkt befindet sich in einem dynamischen Ungleichgewicht und die
Menschen sind die Leidtragenden. Hochrangige Amtsträger der SPÖ würden
auf europäischer Ebene das Modell des sozialen Wohnbaus bewerben. Wenn ich mir
die Missstände und Probleme in Österreich ansehe, dann handelt es sich wohl um
ein Ablenkungsmanöver, wir fordern Lösungen statt Werbetouren. Der
Wohnungsmarkt in Österreich gerät immer mehr in Schieflage. Besonders in Wien
werden Wohnungen vom Zuhause zur finanziellen Herausforderung. Die aus
Überfrachtungen resultierende Preisspirale muss aufgehalten werden. Der soziale
Wohnbau ist eine großartige Errungenschaft. Aber die SPÖ scheint nicht mehr in
der Lage, diese Tradition erfolgreich weiterzuführen. Das spüren die Menschen.
Das vertreibt aber
nur noch mehr Wohnungen vom Markt. Außerdem sind jetzt schon rund 80 Prozent
aller Wohnungen in irgendeiner Form durch die Politik preisreguliert. Das
Naturgesetz von höheren Preisen als Folge von zu geringem Angebot wirkt immer,
auch wenn man es als neoliberal oder sonst was beschimpft. Was aber ist die
wirkliche Wurzel des Übels? Das sind vor allem die massiven Regulierungen und
Vorschriften für den Wohnbau. Und das ist die Aufhebung der Zweckbindung der
Wohnbauförderungs-Gelder. Aus diesen Geldern, die von jedem Lohn abgezogen
werden, bedienen sich in ganz Österreich seit einigen Jahren die Landesfürsten
für alle möglichen Zwecke. Zur Wählerbestechung oder dazu, auch weiterhin nicht
sparen zu müssen. Früher sind hingegen mit diesen Geldern die ärgsten Folgen
der Regulierungen ausgeglichen worden, sodass ausreichend gebaut worden ist.
Gewiss
muss man kritisch fragen, wieso überhaupt angesichts des dramatischen
Geburtendefizits seit 1970 jedes Jahr noch 10.000 neue Wohnungen benötigt
werden. Die Antwort ist klar: Das ist eine klare Folge des Zuzugs aus dem
Ausland, der trotz der besonders in Wien explodierenden Arbeitslosigkeit
ungebremst weitergeht. Neben der von vielen Wienern kritisch beäugten
Entwicklung der Asylantenzahlen sind dabei die so genannten
Familienzusammenführungen quantitativ noch viel bedeutender. Diese haben vielen
Großfamilien den Weg nach Wien ermöglicht. Dort warten zwar keine Arbeitsplätze
auf sie, aber eines der großzügigsten Wohlfahrtssysteme der Welt. Dazu kommen
die vielen Studenten, die vor dem deutschen Numerus clausus geflüchtet sind und
hier gratis studieren (auch wenn – etwa die Mediziner – nicht daran decken, ihr
Können dann auch in Österreich einzusetzen).
Da
das alles politisch aber derzeit unabänderlich scheint, wird die Frage umso
wichtiger, warum der Bau neuer Wohnungen in Wien eigentlich so teuer ist und in
viel zu geringem Umfang erfolgt. Das führt einer der besten österreichischen
Experten für Immobilienentwicklung (der freilich nur ungenannt die volle
Wahrheit sagt) auf zwei Hauptfaktoren zurück: erstens auf die Dauer der
Genehmigungsverfahren durch – sagen wir es vorsichtig: – meist unmotivierte
Beamte; und zweitens auf die vielen überflüssigen Bauvorschriften, die von der
Politik im Lauf der Jahre in Wien, Österreich oder Europa beschlossen worden
sind.
Die da etwa sind:
·
Die immens teuren Vorschriften zur „Erdbebensicherheit“ – obwohl
in Wien oder Österreich seit Jahrtausenden kein Erdbeben ernsthafte, über
Mauerrisse hinausgehende Schäden verursacht hat (Hochwässer und Hangrutschungen
sind in Österreich ja – außerhalb von Großstädten – viel gefährlicher, aber
dennoch werden sie am Land bei Baugenehmigungen kaum beachtet);
·
Der Zwang, für jede Wohnung Kamine einzubauen, obwohl fast nur
noch Häuser mit Haus-Zentralheizungen errichtet werden;
·
Die (als Folge einer PR-Kampagne des Aufzugskartells von der
Wiener Politik dekretierte) Notwendigkeit, überall doppelte Lifttüren
einzubauen, obwohl dadurch viele Aufzüge nicht nur teurer, sondern auch
unbrauchbar eng geworden sind;
·
Der (unter dem Druck der Grünen vorgeschriebene)
„Energieausweis“, der sich als völlig weltfremd und unverständlich erwiesen
hat, der auch von jedem Wohnungskäufer und -mieter ignoriert wird, der jeden
Wohnungserwerb um rund 400 Euro teurer macht, und von dem nur die
Ausweis-ausstellenden Sachverständigen profitieren;
·
Das Vorhandensein von 9 unterschiedlichen Landesbauordnungen und
9 Landesbaugesetzen in Österreich (was alle bautechnischen Rationalisierungen
behindert);
·
Die gerade in den einschlägigen Magistratsabteilungen Wiens fast
ungehindert übliche Korruption.
Diese
– hier nur beispielhaft aufgezählten – Faktoren führen dazu, dass in Wien laut
Nationalbank die Immobilienpreise heute um mehr als 20 Prozent überhöht sind.
Und dass die Quadratmeterpreise in Österreich um rund 25 Prozent höher sind als
in Deutschland. Dort sind zwar die (weniger geregelten) Mieten etwas höher.
Aber insgesamt gibt man in Deutschland jedenfalls einen geringeren Anteil des
Einkommens fürs Wohnen aus.
Dazu
kommt die Entwicklung der Bankzinsen: Die EZB sorgt ja dafür, dass man auf der
Bank praktisch keine Zinsen für sein Geld bekommt. Daher wird noch mehr Geld in
Beton angelegt – selbst wenn der dabei entstehende Wohnraum gar nicht fürs
Wohnen genutzt wird.
Dazu
kommt das Fluchtgeld aus Russland und der Ukraine, das man lieber in Wiener
Wohnhäusern anlegt als in dortigen Banken oder Investitionen.
Dazu
kommt, dass die Banken bei Wohnraumfinanzierung viel zurückhaltender geworden
sind, dass sie nur noch einen deutlich kleiner gewordenen Prozentsatz des
Wohnungswertes mit Krediten finanzieren. Das ist wieder eine Folge von
politisch (vor allem auch durch das EU-Parlament) verordneten
Finanzmarkt-Regulierungen, siehe Stresstests, siehe Basler Abkommen, siehe
höhere Eigenkapitalquoten.
Fehler im “sozialen Wohnbau”
Dazu
kommt, dass auch noch die Fehler der Vergangenheit zurückzuzahlen sind, als man
im „sozialen Wohnbau“ mit Schwimmbädern auf dem Dach und anderem Luxus sehr
teuer gebaut hat. Von diesem Luxus profitiert heute noch so mancher
rathausnahen Prominente.
Wenn
man nicht an all diesen Fronten massiv eingreift, wenn man nicht endlich
begreift, dass die Marktmechanismen immer wirken, ob man sie mag oder nicht,
dann wird das Wohnungsthema von Jahr zu Jahr mehr zu einem eminenten
Sprengstoff werden.
Freilich:
Man will es sich aber nicht mit den dahinterstehenden Lobbys und
Korruptionisten verderben. Daher hat Wien nur in jenem Bereich alle Regeln
beiseitegeschoben, wo es keine geldkräftige Gegen-Lobby gegen die gemeinsame
Gier von Korruptionisten und den am Wohnbau verdienenden Unternehmen gibt. Das
ist aber der einzige Bereich, wo man die zum Teil Jahrhunderte alten Regeln und
Ordnungen unbedingt weiterbeachten hätte müssen: Beim Stadtbild, bei der
Ästhetik, beim Denkmalschutz.
Da
geht es ja „nur“ um kulturelle Werte, da geht es nur um die Schönheit der
Kaiserstadt. Das aber ist seit einigen Jahren allen Parteien in Wien wurscht,
ob sie nun an der Macht oder in Opposition sind. Sozialisten ist ja alles aus
Monarchiezeiten sowieso zuwider. Und der von dieser Schönheit lebende
Wien-Tourismus blüht ja noch.
Über den Autor
Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von
„Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unterwww.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs
meistgelesener Internet-Blog ist.
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