Sonntag, 12. Oktober 2014

Problembewältigung im Roten Wien

Die Wiener Stadtwerke bekommen schön langsam ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem mit ihrer Tochter Wien Energie. Doch die Prioritäten liegen anderswo: Kommende Woche wird ein zusätzliches Vorstandsmitglied bestellt.


Froh sein dürfen wir, dass wir die SPÖ und unseren lieben und ehrenwerten Bürgermeister Häupl haben, der für seine Werbung - denn es ist nur seine - viel Geld ausgibt. Für uns hat er ja nichts über, das Glas Roter ist ihm näher als alles andere. Auf jeden Fall sieht er etwas Rot und das genügt.

13.10.2014 | 06:03 |   (Die Presse)
Ein kleines Übungsbeispiel: Ihnen gehört ein Unternehmen, das schwierige Zeiten durchmacht. Die Umsätze werden von Jahr zu Jahr weniger, die Erträge erst recht. Gleichzeitig galoppieren Ihnen die Kosten davon. Was tun? Lautet Ihre Antwort: umstrukturieren, neue Geschäftsfelder erschließen, Kosten eindämmen? Sehr gut, setzen.
Doch leider: In der Praxis ist all das nicht gar so einfach. Erst recht nicht, wenn der Eigentümer des besagten Unternehmens die öffentliche Hand ist. Noch weniger, wenn es sich um die Stadt Wien handelt.
Die Stadt Wien ist bekanntlich Eigentümerin der Wiener Stadtwerke. Das eingangs geschilderte Problem trifft auf das Unternehmen eindeutig zu. Mit einem zusätzlichen Detail: Zu den Wiener Stadtwerken gehören die Wiener Linien, mit denen natürlich kein Geschäft zu machen ist. Und dann gibt es noch die Wien Energie, die viele Jahre lang quasi die Cashcow des Konzerns war. Mit der Betonung auf „war“: Bei dem Energieunternehmen, das im Gegensatz zu den Wiener Linien auf dem freien Markt agiert, läuft alles längst nicht mehr so, wie es sollte. Viele Kunden haben zu anderen, günstigeren Energieversorgern gewechselt. Und das Geschäft mit der Energieproduktion leidet unter den stark gefallenen Strompreisen.
Dazu kommt, dass die Netzgesellschaft (Wiener Netze) unter der Bürde von tausenden Pensionisten ächzt: Vor Jahren schon wurden dem Unternehmen Beamte der Stadt Wien „umgehängt“, das Ergebnis kann sich sehen lassen: 2012 mussten Rückstellungen für Pensionen in Höhe von fast 800 Millionen Euro gebildet werden. Angesichts der höheren Lebenserwartung und der niedrigen Zinsen muss da wahrscheinlich schon bald nachdotiert werden.
Was also tun? Kommenden Freitag treffen die zwölf Mitglieder des Stadtwerke-Aufsichtsrates zu einer Sitzung zusammen. Um das wirtschaftliche Problem in Angriff zu nehmen? Fehlanzeige. Auf der Tagesordnung stehen die üblichen Berichte über den Geschäftsverlauf. Was wohl weniger spaßig sein wird. Dafür soll aber auch über ein in die Zukunft gerichtetes Thema diskutiert werden: Personalentscheidungen.
Keine Bange, da geht es nicht darum, dass der Rotstift angesetzt wird. Eher im Gegenteil. Es wird ein neuer Vorstand bestellt werden. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es wird nicht ein Vorstandsmitglied ersetzt – es kommt ein weiteres Vorstandsmitglied dazu. Die Wiener Stadtwerke werden also in Hinkunft von vier statt von bisher drei Vorständen geleitet. Was angesichts der wirtschaftlich schwierigen Lage einigermaßen originell ist.
Andererseits: Es passt ganz gut ins Bild. In der letzten Aufsichtsratssitzung Ende Juli wurde, wie berichtet, Vorstand Marc Hall entmachtet. Er war für das Energiegeschäft zuständig gewesen und hatte dort nach dem Geschmack der Magistratsbeamten zu engagiert gearbeitet. Hall bleibt dennoch Vorstand: Er ist jetzt für Europäische Energiepolitik, IT-Strategie und -Security zuständig. Kein wirklich abendfüllendes Programm.
Nebenbei bemerkt: Anfang des Jahres wurde Gabriele Payr als Stadtwerke-Chefin abgesägt. Damals wurde noch ausschweifend argumentiert, dass „angesichts der wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen“ eine Verkleinerung des Vorstands notwendig sei. Man werde jetzt strukturelle Reformen in Angriff genommen.
So schnell ändern sich die Dinge. Der Vorstand der Wiener Stadtwerke wird ab kommender Woche wieder aus vier Mitgliedern bestehen. Streng genommen sind es eigentlich fünf. Denn Gabriele Payr hat klammheimlich einen Konsulentenvertrag erhalten.
Wie auch immer: Der nunmehr offenbar doch erforderliche vierte Vorstandsposten wurde brav ausgeschrieben. Aber wir kennen das ja. Im Konzern pfeifen es jedenfalls schon längst die Spatzen vom Dach: Der Neue wird Robert Grüneis.
Der 46-Jährige hat in den vergangenen Jahren im Konzern einen kometenhaften Aufstieg vollzogen. Derzeit ist er Geschäftsführer der Wien Energie. Grüneis ist im roten Wien zufälligerweise bestens vernetzt – vor allem zu der für die Stadtwerke zuständigen SPÖ-Finanzstadträtin, Renate Brauner, hat er einen guten Draht.
Bei der kommenden Aufsichtsratssitzung muss die Personalrochade also nur mehr abgenickt werden. Und das wird's auch schon gewesen sein. Die zum Payr-Abschied postulierten strukturellen Reformen werden warten müssen.
Mit Grüneis werde es jedenfalls, so berichten Insider, keine bösen Überraschungen in den Stadtwerken geben. Heißt: Das fixfertige Restrukturierungsprogramm für den Energiebereich mit dem schönen Namen „Megawatt“ wird wohl weiterhin ein Dasein in den Schubladen fristen.
Seit einem Jahr gibt es das Papier bereits. Zweimal war es schon auf der Tagesordnung von Stadtwerke-Aufsichtsratssitzungen. Beide Male wurde die Sache verschoben. Dieses Mal hat es das Konzept erst gar nicht auf die Tagesordnung geschafft.
Dabei klingt es nicht unvernünftig. Und die Restrukturierungen wären eh recht gemütlich angegangen worden. „Megawatt“ sieht vor, dass ab 2018 jährlich 150 Millionen Euro bei den Fixkosten eingespart werden.
Wieso erst so spät, ist nicht überliefert. Vermutlich hat das etwas damit zu tun, dass in Wien im nächsten Jahr Gemeinderatswahlen anstehen – was das mysteriöse Verschwinden des Konzeptes ganz gut erklärt. Das Thema Einsparungen soll angesichts drohender Wahlen nicht einmal angedacht werden. Und damit fällt auch Teil zwei des Konzeptes ins Wasser: Da war vorgesehen, dass bis zum Jahr 2030 rund zwei Milliarden Euro in erneuerbare Energie investiert werden – womit sich Ertragspotenziale auftun sollten.

Das wird's alles nicht spielen, und schön langsam wird in dem Unternehmen das Geld knapp. Dazu kommt, dass die Stadtwerke sich einst um gutes Geld in den Stromkonzern Verbund eingekauft haben und mit einem Anteil von rund 13 Prozent dort zweitgrößter Eigentümer (nach der Republik Österreich) sind. Der Verbund hat aber blöderweise auch schon bessere Zeiten gesehen. Für 2013 gab es für die Stadtwerke noch eine Dividende von 45 Millionen Euro. Heuer werden es vermutlich nur mehr rund fünf Millionen sein.
Muss die Stadt Wien also Geld nachschießen? Man wird sehen. Die Prioritäten sind immerhin gesetzt: Zunächst einmal müssen wichtige personalpolitische Weichenstellungen vollzogen werden. Und dann wird in Wien gewählt. Bis dahin wird genau nichts passieren.

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