Samstag, 7. März 2015

Das "Rote" Wien.

Da es in Wien neue Gemeindebauten geben soll, werfe ich einen Blick zurück. Heute ist schließlich nichts ohne damals, besonders wenn es um morgen geht.

Schaut euch Wien wie es lebt von Karl Glanz mal an! http://www.amazon.de/gp/product/B00PRZVUPC?ie=UTF8&camp=3206&creative=21426&creativeASIN=B00PRZVUPC&linkCode=shr&tag=httpdegeoc0ca-21&linkId=5VROM3SINNCZUL6L&qid=1416674125&sr=8-1&keywords=wien+wie+es+lebt+%2Bkarl+glanz via @

Damals. 1934. Das Licht geht aus. Der Vorbote zu den Kämpfen. Der Karl-Marx-Hof, Prestigebau des Roten Wiens, wird von Panzern umstellt, beschossen und dann gestürmt. Polizei und Soldaten kämpfen gegen die Schutzbündler der Sozialdemokraten, hinterlassen mehr als 300 Tote auf beiden Seiten. Der Karl-Marx-Hof bleibt zerschossen zurück.
Heute. Der Bau ist ohne Spuren. Ich suche die rostroten Wände ab, im Kopf die vielen Einschusslöcher, die ich auf den Schwarz-Weiß-Fotos gesehen habe. Keine Spuren. Vielmehr grüßt eine kleinbürgerliche Idylle: Dottergelbe Blumen blühen auf dem gestutzten Rasen, darüber spazieren Hundebesitzer und Jogginghosen-Träger, von den Loggien lachen die Gartenzwerge. Nur eine Tafel erinnert daran, dass "Österreichs Arbeiter als erste in Europa dem Faschismus entgegentraten". Und natürlich der Name des Platzes, um den sich das längste Wohnhaus der Welt reiht: 12.-Februar-Platz.
Damals. 1919. Die Geschichte des sozialen Wohnbaus beginnt – und damit auch die des Karl-Marx-Hofs. Das Habsburger-Reich ist zerfallen, Wien muss den Zuwachs Hunderttausender bewältigen. Die Wohnungsnot wird Anlass für die Verwirklichung von Utopien. Die größte davon ist der Karl-Marx-Hof, das "Versailles der Arbeiter". Vier Straßenbahn-Haltestellen lang, Wohnraum für 5000 Menschen. Eine Stadt in der Stadt, 1930 eröffnet mit den Worten: "Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen."
Heute. In Wahlkampfzeiten holt man wieder die Steine hervor. Man besinnt sich auf den Gemeindebau, als Rezept gegen Wohnungsnot, als Symbol für die Ära der Sozialdemokratie. Dabei ist der Gemeindebau längst keine rote Hochburg mehr. Und auch sonst scheint er eher Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein. Mittendrin im Karl-Marx-Hof steht sogar ein Museum. Ein Ort im Heute für das Rote Wien von damals.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen