Da es in Wien neue Gemeindebauten geben soll, werfe ich
einen Blick zurück. Heute ist schließlich nichts ohne damals, besonders wenn es
um morgen geht.
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Damals. 1934. Das Licht geht aus. Der Vorbote
zu den Kämpfen. Der Karl-Marx-Hof, Prestigebau des Roten
Wiens, wird von Panzern umstellt, beschossen und dann gestürmt. Polizei und
Soldaten kämpfen gegen die Schutzbündler der Sozialdemokraten, hinterlassen mehr
als 300 Tote auf beiden Seiten. Der Karl-Marx-Hof bleibt zerschossen zurück.
Heute. Der Bau ist ohne Spuren. Ich suche die
rostroten Wände ab, im Kopf die vielen Einschusslöcher, die ich auf den
Schwarz-Weiß-Fotos gesehen habe. Keine Spuren. Vielmehr grüßt eine
kleinbürgerliche Idylle: Dottergelbe Blumen blühen auf dem gestutzten Rasen,
darüber spazieren Hundebesitzer und Jogginghosen-Träger, von den Loggien lachen
die Gartenzwerge. Nur eine Tafel erinnert daran, dass "Österreichs
Arbeiter als erste in Europa dem Faschismus entgegentraten". Und natürlich
der Name des Platzes, um den sich das längste Wohnhaus der Welt reiht:
12.-Februar-Platz.
Damals.
1919. Die Geschichte des sozialen Wohnbaus beginnt – und damit auch die des
Karl-Marx-Hofs. Das Habsburger-Reich ist zerfallen, Wien muss den Zuwachs
Hunderttausender bewältigen. Die Wohnungsnot wird Anlass für die Verwirklichung
von Utopien. Die größte davon ist der Karl-Marx-Hof, das "Versailles der
Arbeiter". Vier Straßenbahn-Haltestellen lang, Wohnraum für 5000 Menschen.
Eine Stadt in der Stadt, 1930 eröffnet mit den Worten: "Wenn wir einst
nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen."
Heute. In Wahlkampfzeiten holt man wieder die
Steine hervor. Man besinnt sich auf den Gemeindebau, als Rezept gegen Wohnungsnot, als Symbol für die Ära der
Sozialdemokratie. Dabei ist der Gemeindebau längst keine rote Hochburg mehr.
Und auch sonst scheint er eher Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein.
Mittendrin im Karl-Marx-Hof steht sogar ein Museum. Ein Ort im Heute für das Rote Wien von
damals.
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