Wien: Wie es nach Anrainer-Beschwerden und
einer Strafzettel-Flut weitergehen soll
Auf eine Tiefgarage mit 174 Stellplätzen,
kommen derzeit über 1.000 Seestadt-Bewohner, bis Ende März sind es rund 2.800.
Die Parksituation in Wiens eigentlich verkehrsberuhigter "Smart
City"(22. Bezirk) gestaltet sich momentan noch
nicht so, wie sich Bewohner und Projektleiter das wünschen würden. Denn an der
Oberfläche sollten laut Projektplanung nicht allzu viele Autos zu sehen sein,
mangels Tiefgaragen-Parkplätzen kämpfen die Bewohner aber nun dort um jeden
freien Platz. Wiener Parksheriffs haben gemeinsam mit der Polizei verstärkte
Kontrollen durchgeführt, es hagelte Strafzettel, gegen die teilweise bereits
erfolgreich Einspruch erhoben wurde. Doch wie soll es nun weitergehen mit dem
Parkplatzchaos?
Die Wien 3420 Aspern Development AG, die in Koordination mit
der Projektleitung Seestadt Aspern (PSA) das Projekt "aspern
Seestadt" entwickelt, verspricht baldige Abhilfe beim Parkplatzproblem:
"Bis Ende März sollen noch zwei weitere Garagen eröffnen", sagt
Pressesprecher Stefan Stiglbauer. Er bestätigt gleichzeitig, dass es zahlreiche
Beschwerden von Anrainern aufgrund der Parkplatzsituation gegeben hat. Vor
allem die während der Umzugsphase ausgeteilten Strafzettel seien kritisiert
worden. Außerdem "haben für einige Parkplätze in der Maria-Tusch-Straße
die Bodenmarkierungen gefehlt. Die Strafen für Falschparken waren hier
natürlich nach dem Straßenverkehrsgesetz gerechtfertigt, aber doch hart und für
die Bewohner unverständlich", sagt er. Nach einem Proteststurm der
Seestädter habe die Projektleitung der Seestadt aber auf die Behörden
eingewirkt. Viele Strafzettel seien daraufhin nach einem Einspruch erlassen worden.
Was die Polizei zur
Parkplatzsituation sagt
Die
Wiener Polizei hat in den letzten Wochen gemeinsam mit den Parksheriffs
verstärkt kontrolliert: "Uns lagen Beschwerden von Anrainern, aber auch
von Zulieferern vor, dass manche Straßenzüge verparkt waren", sagt
Wolfgang Schererbauer, Leiter der Parkraumüberwachungsgruppe in Wien. Die
Vergehen hätten vor allem die Nichtbeachtung der Kurzparkzone, das Halten in
zweiter Spur, und das Nichtbeachten von Halteverboten betroffen. Wie viele
Strafzettel bisher verteilt worden seien, darüber gebe es keine Aufzeichnungen,
so Schererbauer.
Für
künftige Seestadt-Bewohner verspricht der Leiter der Parkraumüberwachung:
"In Absprache mit dem Seestadt-Koordinator werden bei Einzugsterminen von
neuen Bewohnern, wo mit vermehrten Lieferverkehr zu rechnen ist, die Gebiete
nicht schwerpunktmäßig bestreift, sondern hier wird nur über Aufforderung
eingeschritten." Und zu den bereits erfolgten Einsprüchen gegen
Anonymverfügungen und Organstrafmandate hält Schererbauer fest, dass es durchaus
immer wieder zu unterschiedlichen rechtlichen Auslegungen komme, wo geparkt
werden darf und wo nicht. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass baulich
einige Straßenabschnitte noch nicht fertig oder erst teilfertig seien.
"Wir haben uns mit der Stadt Wien verständigt, dass wir bis zur rechtlich
verständlichen Fertigstellung der Straßenabschnitte in der Seestadt nur über
Aufforderung von Fahrzeuglenkern oder Anrainern einschreiten."
Lösungsansätze und
Lichtblicke?
Schon
im März wird die Anzahl der Seestadt-Bewohner erneut beträchtlich anwachsen.
Bis Ende April sollen dann rund 4.000 Menschen in der "Smart City"
wohnen. Wird das Parkplatzproblem bis dahin gelöst sein? Bereits jetzt würden
genügend Parkplätze bestehen, teilweise müssten Bewohner eben auf
fertiggestellte Garagen ausweichen, zeigt sich Stiglbauer zuversichtlich. Bis
Sommer 2015 sollen sechs Sammeltiefgaragen mit rund 1.900 Stellplätzen
fertiggestellt sein, allerdings wohnen bis dahin auch 6.000 Menschen in der
Seestadt. Gerechnet wird mit 0,7 Stellplätzen pro Haushalt, auf 100 Wohnungen
kommen also 70 Stellplätze. Das sei die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl an
Pflichtstellplätzen, so Stiglbauer. Und der bisherige Erfahrungswert in Wien
zeige, dass diese Anzahl ausreichend sei.
Wer schon eine Wohnung hat, aber noch keine
zugewiesene, fertige Garage, für den gibt es eine Übergangslösung: Man kann
einen provisorischen Garagenplatz beantragen, wie der Garagenbetreiber
"Wipark bestätigt. "Wipark" betreibt die derzeit einzig
benutzbare Garage D5a und eröffnet bis Ende des zweiten Quartals 2015 noch drei
weitere Garagen. "Derzeit sind in D5a rund 120 Stellplätze belegt, circa
50 sind noch frei", sagt Wolfgang Richter von "Wipark". Die
normalen Stellplatzkosten betragen 86,60 Euro im Monat. Für Härtefälle, die
noch ohne Garage sind, sei "Wipark" bereit eine Gratis-Monatskarte zu
vergeben. Auch gebe es einen Oberflächenstellplatz nahe der U2-Station
Seestadt, der 25 Euro im Monat kostet. Dort könnten unter anderem Umzugshelfer und
Lieferwagen für 3 Euro pro Tag parken.
Eine Frage der Kosten
Diese
vorübergehende Lösung hat allerdings einen Haken: Viele Bewohner oder
Umzugshelfer müssten mehrere hundert Meter zur provisorischen Garage und knapp
900 Meter zum U2-nahen Parkplatz zurücklegen. Das will nicht jeder in Kauf
nehmen. Und es ist auch eine Frage der Kosten: "Alle Garagen sind sauteuer
und zu weit von der Wohnung entfernt", schreibt ein Bewohner auf Facebook.
Ein anderer Anrainer meint dazu: "Die Parkplatzpreise sind nicht billig,
das stimmt, bin aber trotzdem bereit den Preis zu bezahlen, die Stellplätze
sind groß und die Parkgaragen sind sauber und gut beleuchtet. Was mich noch
stört, ich hätte gerne einen garantierten Platz." Die Garagenbetreiber
haben sich nämlich für die freie Platzwahl entschieden. Warum? Das erklärt der
Wipark-Sprecher: "Reservierte Parkplätze sind erfahrungsgemäß
problematischer." Erstens weil die Flexibilität der Platzwahl wegfalle und
zweitens weil es dann aufgrund von Parkplatzstreitigkeiten - durch Zuparken oder
"Parkplatzklau" - häufiger zu Besitzstörungsklagen komme,
argumentiert Richter.
Viele Fragen bleiben
offen
Eine
Informationsveranstaltung am 9. März - mit Aspern Development AG,
Projektleitung Seestadt, Polizei und Bewohnern - zum heiß diskutierten
Parkplatzthema hat einige Neuerungen gebracht, aber viele Fragen bleiben laut
Seestädtern offen. Es wurden temporäre Lieferzonen für Bewohner, die gerade
umsiedeln, errichtet (siehe oberstes Bild), wie Stefan Stiglbauer bestätigt.
Das Parken auf dem Grünsteifen der Johann-Kutschera-Straße wird weiterhin
geduldet. Wie die "initiative
parken seestadt" auf ihrer Facebook-Seite berichtet, konnten jedoch nicht alle Punkte
zufriedenstellend geklärt werden:
·
Die Tages-Parkgaragenpreise sollen reduziert werden - vor allem
für Besucher, die für einen Abend oder ein ganzes Wochenende zu Gast sind.
"Die Besucherpreise müssen spürbar runter", schreibt dazu ein
Anrainer auf Facebook.
·
Eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs wird gewünscht. Nur
jeder zweite U-Bahn-Zug fährt bis zur Station Seestadt und die
"Seestadt-Buslinie" 84A verkehrt derzeit im Viertelstunden-Takt.
·
Dem Wunsch nach generellen Halte- und Ladezonen wurde offenbar
nicht nachgegangen.
·
Bemängelt wird ebenfalls, dass die Übergangslösung für Bewohner
ohne zugewiesene Garage nicht zufriedenstellend ist.
"Offen
gebliebene Fragen oder Anregungen werden wir kurzfristig bearbeiten", sagt
der Pressesprecher der Aspern Development AG. Er schätzt die Grundstimmung zur
Parkplatzsituation positiv ein: Der Informationsabend habe für ihn gezeigt,
dass die Bewohner das Konzept der "Smart City" - sprich keine
verparkten Gassen, viel Grünflächen, wenig Verkehr - auch wollen.
Ob
die "Smart City" auch in Sachen Verkehrsberuhigung zum
Vorzeigeprojekt avancieren kann, wird die Zukunft zeigen.
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