Polit-Kommunikation. Die Stadt Wien ist der größte Einzelwerber mit Steuergeld; 41,5 Millionen gab sie 2014 aus. Der Großteil landete bei jenen drei Boulevardblättern, die der Presserat am häufigsten verurteilt.
Die Stadt Wien hält ihre Bürger
offenbar für einfältig. Dass es an Marktständen frische Ware gibt, muss der
Leserschaft des Boulevards seitenweise klargemacht werden. "Unsere Märkte,
unsere Stärke" heißt eine Kampagne mit der sensationellen Mitteilung:
"Regionale und saisonale Lebensmittel gibt’s hier direkt vom Feld für den
Teller."
Ähnlich heiße
Informationen gibt es über die städtischen Parkanlagen ("Miteinander
spielen, sporteln, reden") oder über die "fliegenden Klassenzimmer –
innovative Module in Holzbauweise machen Wiens Schulen größer."
Letzteres soll die
Tatsache behübschen, dass an vielen Schulen Platznot herrscht, nachdem die
Stadt bei Neubauten und Renovierungen jahrelang säumig war.
Diese und ähnliche
Wohlfühl-Inserate erscheinen vor allem in der "Krone" und in den
Gratiszeitungen "Heute" und "Österreich".
Wie viel Steuergeld
wo landet, verraten die laut Medientransparenzgesetz veröffentlichten Daten der
Medienbehörde RTR.
"Wir machen, was wir
wollen"
Die öffentliche Hand
gab im Vorjahr insgesamt 192 Millionen Euro für Inserate und Werbekampagnen
aus. Gegenüber dem Nationalratswahljahr 2013 war das ein leichter Rückgang.
Damals warben Regierung, Länder, öffentliche Stellen und staatsnahe Unternehmen
um 201 Millionen Euro.
Größter Einzelwerber
war auch 2014 die Stadt Wien mit den ihr nahestehenden Beteiligungen. 41,5
Millionen Euro an Werbeschaltungen meldete Wien der Medienbehörde. Der Großteil
der von der öffentlichen Hand eingesetzten Werbegelder ging erneut an
"Krone", "Heute", "Österreich". Sie verbuchten
über 50 Millionen Euro Einnahmen, mehr als ein Viertel aller Ausgaben
öffentlicher Stellen.
Die
"Krone" erhielt rund 22,5 Millionen aus öffentlichen Werbetöpfen,
"Heute" 14,5 Millionen, "Österreich" 13,7 Millionen Euro.
Die teure Wiener
Werbestrategie sorgte vergangene Woche für einen heftigen Wortwechsel zwischen
Parteifreunden. Nachdem Kanzler und SP-Chef Werner Faymann zu mehr Sparsamkeit
aufgerufen hatte, richtete ihm Wiens Bürgermeister Michael Häupl öffentlich
aus: "Er macht, was er will, wir machen, was wir wollen." Böser
Nachsatz Häupls: Er vertraue prinzipiell Faymanns Ratschlägen in Sachen
Inserate, "weil davon versteht er was" – ein derber Hinweis auf die
Probleme, die auch Faymann mit seiner Inseratenpolitik in der Vergangenheit
hatte.
Spitzenreiter bei Verstößen
Die drei
Boulevardblätter, die am meisten Steuergeld bekommen, sind gleichzeitig jene
Tageszeitungen, die 2014 am häufigsten vom Presserat verurteilt wurden. Diese
Einrichtung der journalistischen Selbstkontrolle stellt nach einem
ausführlichen Verfahren Verstöße gegen den Ehrenkodex der österreichischen
Presse fest.
Laut Fallstatistik
gab es bei der "Krone" 16 erwiesene Verstöße, bei
"Österreich" elf, bei "Heute" fünf (OÖNachrichten: null).
Keine der drei
Boulevardzeitungen unterwirft sich dem Ehrenkodex. Er gibt Normen für die
journalistische Arbeit vor, etwa für die Fairness der Berichterstattung, den
Persönlichkeitsschutz und die Methoden der Recherche.
Dass jene, die das
meiste Steuergeld kriegen, diese Richtlinien nicht anerkennen, ist für den
Geschäftsführer des Presserates unvereinbar. Alexander Warzilek ruft die
Politiker zur Haltungsänderung auf: "Ausschließlich Medien, die den
Ehrenkodex ernst nehmen, sollten öffentliche Inserate bekommen."
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