Mittwoch, 18. März 2015

Nach der "Smart"-Wohnung die "Gemeindewohnung neu"


Analyse |


Die Stadt Wien baut wieder Gemeindewohnungen. 25 Millionen Euro an Sonderförderung stehen dafür in der kommenden Legislaturperiode zur Verfügung

Es begann im 5. Bezirk: 1920 wurde mit dem Metzleinstaler Hof am Margaretengürtel der erste Wiener Gemeindebau fertiggestellt. Und es endete (vorläufig) im 23. Bezirk: Am 1. Mai 2004 wurde der bisher letzte Gemeindebau in der Rößlergasse in Liesing an die Mieter übergeben.

Die Bautätigkeit dazwischen kann sich sehen lassen: 220.000 Wohnungen in rund 2300 Gemeindebauten gibt es heute in der Bundeshauptstadt, in denen ein Viertel der gesamten Bevölkerung lebt. Ein international herzeigbares Erfolgsmodell.

Dass die Stadt aufgehört hatte, Gemeindewohnungen zu errichten, hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten war, dass sich die Gemeindewohnungen der letzten Jahre kaum noch von den geförderten Wohnbauten der Genossenschaften unterschieden; weder in der Gestaltung (die schon sehr lange nichts mehr mit der ikonografischen "Superblock" -Architektur der Gemeindebauten der 1920er- und 1930er-Jahre, etwa jener des Karl-Marx-Hofes, zu tun hatte) noch in der Höhe der Erstbezugsmieten.

Noch im Vorjahr ausgeschlossen

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP), der die Entscheidung, nicht mehr selbst zu bauen, nicht getroffen, sondern von seinem Vorgänger Werner Faymann "geerbt" hatte, schloss noch im vergangenen Jahr die Wiederaufnahme des Baus von Gemeindewohnungen gegenüber dem STANDARD aus. "Unter den jetzigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen" sei es schlicht "nicht sinnvoll", sagte der Stadtrat.

Insbesondere die finanziellen Rahmenbedingungen hätten sich zu stark geändert. Unter anderem müsse man heute nämlich europaweit ausschreiben, was Nachverhandlungen ausschließe. Beim Nachverhandeln könne man im gemeinnützigen Sektor aber 15 bis 20 Prozent der Kosten einsparen, so Ludwig damals. Würde die Stadt wieder selbst bauen, könnten mit denselben Fördermitteln also weniger Wohnungen entstehen als jetzt. "Unterm Strich ist den Mieterinnen und Mietern ziemlich egal, ob auf der Hausfassade ,Gemeindebau' oder ,geförderter Wohnbau' steht. Für die Mieter ist interessant, was sie für die Wohnung zahlen."

Ludwig setzt seit 2012 auf sein "Smart"-Wohnbauprogramm mit kompakten Grundrissen. Der oft gehörten Kritik, die Eigenmittelanteile im geförderten Wohnbau wären zu hoch, hält er die sogenannte Superförderung entgegen, außerdem unterstütze die Stadt Eigenmittelersatzdarlehen.

Verstummt ist die Diskussion innerhalb der Wiener SPÖ aber nie. Am Landesparteitag 2014 gab es zwei Anträge, die den "Neubau von gemeindeeigenem Wohnraum" zum Ziel hatten.

Wahlkampf beschleunigte

Und nun verkündete Bürgermeister Michael Häupl (SP) auf der Klubklausur der Wiener SPÖ in Rust die frohe Botschaft: Wien werde wieder Gemeindewohnungen bauen. Einschränkung: Es würden "neue" Gemeindewohnungen werden, so der Stadtchef.

Der kurz zuvor erfolgte Vorstoß der Wiener Grünen, die sich ebenfalls den Neubau von Gemeindewohnungen ins Wahlprogramm schrieben, mag auch ein wenig ausschlaggebend gewesen sein. Schließlich werden am 11. Oktober ein neuer Landtag und Gemeinderat gewählt.

Vor allem aber geht der Schwenk zurück auf die gestärkte Position von Georg Niedermühlbichler. Der Präsident der Mietervereinigung Österreichs, überzeugter Fan des günstigen Wohnraums namens Gemeindebau, war bisher "nur" Landtagsabgeordneter. Im Vorjahr stieg er aber zum Wiener Landesparteisekretär und Wahlkampfmanager auf. Als solcher orchestrierte er nun am Wohnbaustadtrat vorbei die Ankündigung des Neubaus durch Häupl.

25 Millionen Euro

Und Finanzstadträtin Renate Brauner (SP). Diese kündigte an, dass es in der kommenden Legislaturperiode ein Sonderbudget in Höhe von 25 Millionen Euro dafür geben wird. Man werde also - ein Zugeständnis an Ludwig - weder am geförderten Wohnbau im Allgemeinen noch am "Smart" -Programm im Speziellen sparen. Insgesamt könnten bis 2020 rund 2000 Gemeindewohnungen errichtet werden.

Die Wohnungen baut aber nicht das stadteigene Unternehmen "Wiener Wohnen", das die Verwaltung aller Gemeindewohnungen innehat. Stattdessen wird derzeit gerade eine Errichtungsgesellschaft gegründet, in der der gemeinnützige Bauträger Gesiba, eine 100-Prozent-Tochter der Wien Holding, 51 Prozent halten soll, Wiener Wohnen 49 Prozent.

Wo die erste neue Anlage mit 120 Wohnungen gebaut wird, steht schon fest: Es ist der alte Standort der AUA-Zentrale in der Fontanagasse 1 im 10. Bezirk. Das Areal hat die Gesiba der AUA abgekauft, derzeit läuft die Flächenwidmung für die Neubebauung. Sobald die neue Gesellschaft gegründet ist, wird die Gesiba das Grundstück in diese einbringen. 2017 sollen dort die ersten neuen Gemeindewohnungen übergeben werden.

Keine Eigenmittel

Kosten sollen sie maximal 7,50 Euro pro Quadratmeter und Monat - und zwar brutto. Das ist die Grenze, die auch für die "Smart"-Wohnungen gilt. Im Unterschied zu diesen müssen die Bewohner der neuen Gemeindewohnungen aber keine Eigenmittel beisteuern.

Wie die "Smart"-Wohnungen sollen die neuen Gemeindewohnungen später auch in geförderte Wohnprojekte integriert werden, kündigte Ludwig an. Wie das konkret funktionieren soll, wo diese Wohnungen doch im Eigentum der neuen Gesellschaft bleiben sollen, ist abzuwarten. Ob die gedeckelte Miete von 7,50 Euro gehalten werden kann, wird man ebenfalls abwarten müssen.

Beabsichtigt ist jedenfalls, dass sich die Bestandsmieten nach Ausfinanzierung der Häuser - also nach rund 35 Jahren - wie im geförderten Wohnbau üblich am burgenländischen Richtwert orientieren (falls es das Richtwertsystem dann noch gibt). Und hohe Grundstückspreise will man umgehen, indem auf gemeindeeigenem Grund gebaut wird. Das von Ludwig installierte Liegenschaftsmanagement der Stadt soll helfen, diese Baugründe zu finden. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 14.3.2015)

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