Analyse |
18. März 2015, 14:44
Die Stadt Wien baut wieder Gemeindewohnungen. 25 Millionen Euro an
Sonderförderung stehen dafür in der kommenden Legislaturperiode zur Verfügung
Es begann im 5. Bezirk:
1920 wurde mit dem Metzleinstaler Hof am Margaretengürtel der erste Wiener
Gemeindebau fertiggestellt. Und es endete (vorläufig) im 23. Bezirk: Am 1. Mai
2004 wurde der bisher letzte Gemeindebau in der Rößlergasse in Liesing an die
Mieter übergeben.
Die Bautätigkeit
dazwischen kann sich sehen lassen: 220.000 Wohnungen in rund 2300
Gemeindebauten gibt es heute in der Bundeshauptstadt, in denen ein Viertel der
gesamten Bevölkerung lebt. Ein international herzeigbares Erfolgsmodell.
Dass die Stadt aufgehört
hatte, Gemeindewohnungen zu errichten, hat mehrere Gründe. Einer der
wichtigsten war, dass sich die Gemeindewohnungen der letzten Jahre kaum noch
von den geförderten Wohnbauten der Genossenschaften unterschieden; weder in der
Gestaltung (die schon sehr lange nichts mehr mit der ikonografischen
"Superblock" -Architektur der Gemeindebauten der 1920er- und
1930er-Jahre, etwa jener des Karl-Marx-Hofes, zu tun hatte) noch in der Höhe
der Erstbezugsmieten.
Noch im Vorjahr
ausgeschlossen
Wohnbaustadtrat Michael
Ludwig (SP), der die Entscheidung, nicht mehr selbst zu bauen, nicht getroffen,
sondern von seinem Vorgänger Werner Faymann "geerbt" hatte, schloss noch im vergangenen Jahr die Wiederaufnahme des Baus
von Gemeindewohnungen gegenüber dem STANDARD aus. "Unter den jetzigen
gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen" sei es schlicht
"nicht sinnvoll", sagte der Stadtrat.
Insbesondere die
finanziellen Rahmenbedingungen hätten sich zu stark geändert. Unter anderem
müsse man heute nämlich europaweit ausschreiben, was Nachverhandlungen
ausschließe. Beim Nachverhandeln könne man im gemeinnützigen Sektor aber 15 bis
20 Prozent der Kosten einsparen, so Ludwig damals. Würde die Stadt wieder
selbst bauen, könnten mit denselben Fördermitteln also weniger Wohnungen
entstehen als jetzt. "Unterm Strich ist den Mieterinnen und Mietern
ziemlich egal, ob auf der Hausfassade ,Gemeindebau' oder ,geförderter Wohnbau'
steht. Für die Mieter ist interessant, was sie für die Wohnung zahlen."
Ludwig setzt seit 2012
auf sein "Smart"-Wohnbauprogramm mit kompakten Grundrissen. Der oft
gehörten Kritik, die Eigenmittelanteile im geförderten Wohnbau wären zu hoch,
hält er die sogenannte Superförderung entgegen, außerdem unterstütze die Stadt
Eigenmittelersatzdarlehen.
Verstummt ist die
Diskussion innerhalb der Wiener SPÖ
aber nie. Am Landesparteitag 2014 gab es zwei Anträge, die den "Neubau von
gemeindeeigenem Wohnraum" zum Ziel hatten.
Wahlkampf beschleunigte
Und nun verkündete Bürgermeister Michael Häupl (SP) auf der Klubklausur
der Wiener SPÖ in Rust die frohe Botschaft: Wien werde wieder
Gemeindewohnungen bauen. Einschränkung: Es würden "neue"
Gemeindewohnungen werden, so der Stadtchef.
Der kurz zuvor erfolgte
Vorstoß der Wiener Grünen, die sich ebenfalls den Neubau von Gemeindewohnungen
ins Wahlprogramm schrieben, mag auch ein wenig ausschlaggebend gewesen sein.
Schließlich werden am 11. Oktober ein neuer Landtag und Gemeinderat gewählt.
Vor allem aber geht der
Schwenk zurück auf die gestärkte Position von Georg Niedermühlbichler. Der
Präsident der Mietervereinigung Österreichs, überzeugter Fan des günstigen
Wohnraums namens Gemeindebau, war bisher "nur" Landtagsabgeordneter.
Im Vorjahr stieg er aber zum Wiener Landesparteisekretär und Wahlkampfmanager
auf. Als solcher orchestrierte er nun am Wohnbaustadtrat vorbei die Ankündigung
des Neubaus durch Häupl.
25 Millionen Euro
Und Finanzstadträtin
Renate Brauner (SP). Diese kündigte an, dass es in der kommenden
Legislaturperiode ein Sonderbudget in Höhe von 25 Millionen Euro dafür geben
wird. Man werde also - ein Zugeständnis an Ludwig - weder am geförderten
Wohnbau im Allgemeinen noch am "Smart" -Programm im Speziellen sparen.
Insgesamt könnten bis 2020 rund 2000 Gemeindewohnungen errichtet werden.
Die Wohnungen baut aber
nicht das stadteigene Unternehmen "Wiener Wohnen", das die Verwaltung
aller Gemeindewohnungen innehat. Stattdessen wird derzeit gerade eine
Errichtungsgesellschaft gegründet, in der der gemeinnützige Bauträger Gesiba,
eine 100-Prozent-Tochter der Wien Holding, 51 Prozent halten soll, Wiener
Wohnen 49 Prozent.
Wo die erste neue Anlage
mit 120 Wohnungen gebaut wird, steht schon fest: Es ist der alte Standort der
AUA-Zentrale in der Fontanagasse 1 im 10. Bezirk. Das Areal hat die Gesiba der
AUA abgekauft, derzeit läuft die Flächenwidmung für die Neubebauung. Sobald die
neue Gesellschaft gegründet ist, wird die Gesiba das Grundstück in diese
einbringen. 2017 sollen dort die ersten neuen Gemeindewohnungen übergeben
werden.
Keine Eigenmittel
Kosten sollen sie
maximal 7,50 Euro pro Quadratmeter und Monat - und zwar brutto. Das ist die
Grenze, die auch für die "Smart"-Wohnungen gilt. Im Unterschied zu
diesen müssen die Bewohner der neuen Gemeindewohnungen aber keine Eigenmittel
beisteuern.
Wie die
"Smart"-Wohnungen sollen die neuen Gemeindewohnungen später auch in
geförderte Wohnprojekte integriert werden, kündigte Ludwig an. Wie das konkret
funktionieren soll, wo diese Wohnungen doch im Eigentum der neuen Gesellschaft
bleiben sollen, ist abzuwarten. Ob die gedeckelte Miete von 7,50 Euro gehalten
werden kann, wird man ebenfalls abwarten müssen.
Beabsichtigt ist
jedenfalls, dass sich die Bestandsmieten nach Ausfinanzierung der Häuser - also
nach rund 35 Jahren - wie im geförderten Wohnbau üblich am burgenländischen
Richtwert orientieren (falls es das Richtwertsystem dann noch gibt). Und hohe
Grundstückspreise will man umgehen, indem auf gemeindeeigenem Grund gebaut wird.
Das von Ludwig installierte Liegenschaftsmanagement der Stadt soll helfen,
diese Baugründe zu finden. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 14.3.2015)
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