Die Stadt will wieder bauen. Wenn das Projekt erfolgreich sein will, muss es auch den modernen Lifestyle der Mieter bedienen
von Birgit
Wittstock | aus FALTER
11/15
Eröffnung
der Wohnbauanlage Friedrich-Engels-Platz von Architekt Rudolf Perco am
16.7.1933 in der Brigittenau (Foto: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung)
Nach mehr als zehn Jahren Pause will die Stadt Wien wieder Gemeindewohnungen bauen. Warum? Weil im Herbst gewählt wird. Eine treffsichere Sozialpolitik lässt sich mit den billigen Bleiben aber schon lange nicht mehr machen.
Die Waschküche ist noch lange nicht tot. Schon gar nicht in
einer Zukunft, in der alle wieder in kleineren Wohnungen leben sollten.
Kleinere Wohnungen, dafür großzügigerer Grünraum vorm Fenster. Sportflächen für
alle. Nicht nur – mit viel Glück – einen Supermarkt in der Erdgeschoßzone,
sondern eine Schule, eine Bibliothek, ein Mutter-Kind-Zentrum, eine
Fahrradwerkstatt, Gemeinschaftsgärten im Hof, ein Schwimmbad mit Sauna im
Keller, Solaranlage auf dem Dach, alles barrierefrei erreichbar. Rundum Ruhe,
weil verkehrsberuhigtes Grätzel. Könnte es so aussehen, das Leben im
Gemeindebau neu? Eigentlich sollte es das können, denn Ähnliches gab es schon
in den Gemeindebauten des Roten Wien, damals in den 1920er-Jahren – mit
Ausnahme der Solaranlage.
Nach fast zehnjähriger Pause verkündeten Bürgermeister Michael
Häupl und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig jüngst die Wiederauferstehung des
Gemeindebaus: Von etwa 2000 Wohnungen in der nächsten Legislaturperiode ist die
Rede, beginnen will man noch in diesem Jahr auf einem Areal in Oberlaa, am
südlichen Stadtrand Wiens, auf dem bis vor einigen Jahren noch die Zentrale der
Austrian Airlines stand. 120 Wohnungen werden dort hochgezogen, die spätestens
2018 übergeben werden sollen. Finanziert werden soll das Projekt mit 25
Millionen Euro aus einem „Sondertopf“ der Finanzstadträtin Renate Brauner, der
sich offenbar wie von Zauberhand füllen lässt: „Wenn er nachgefüllt werden
muss, dann wird er nachgefüllt“, sagte Brauner in Rust. Den Bau übernimmt dann
eine eigens eingerichtete „Gemeindewohnungserrichtungsgesellschaft“, die zu 51
Prozent von der Gesiba und zu 49 Prozent vom, mit 2,7 Milliarden Euro verschuldeten,
Wiener Wohnen gehalten werden soll. Lediglich ein Wahlkampfschmäh, mit dem sich
die SPÖ die Stimmen der auch von den Blauen umkämpften Gemeindebauklientel
sichern will? Immerhin klagen sowohl die grünen Koalitionspartner als auch die
Opposition, dass 2000 Wohnungen innerhalb von fünf Jahren nichts weiter als ein
Tropfen auf den heißen Stein wären. Angesichts eines Zuzugs von 20.000 Menschen
pro Jahr und dem jährlichen Neubauvolumen von mehr als 7000 Wohnungen erscheint
Häupls Plan tatsächlich eher bescheiden. Braucht Wien den Gemeindebau neu
überhaupt? Wie soll er aussehen, dieser neue soziale Wohnbau, und wer soll
darin leben?
Es ist ein Statement, dass die Stadt das Thema
Gemeindebau neu nun nach der Finanzkrise aufgreift“, sagte der Michael Klein.
Er forscht an der TU Wien in der Abteilung für Wohnbau und Entwerfen. Anstatt
nur monofunktionale Wohnstrukturen zu bauen, gehe es heute darum, mit dem
Gemeindebau auch Funktionen zu schaffen, die weiter ausstrahlen: Bibliotheken,
Schulen, Freiräume. „Soziale Nachhaltigkeit bedeutet das Einbinden des
Gemeindebaus in die Stadt.“ Was die Stadt eigentlich schon seit Jahren, mit
mehr oder weniger großem Erfolg, versucht: angefangen bei mobilen
Gemeinschaftsgärten, die in immer mehr Bauten beackert werden, bis hin zu
Wohnpartnern, die im Sommer abends in den Blöcken patrouillieren, um wegen
spielender Kinder und lärmender Jugendlicher streitende Nachbarn zu befrieden.
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