Von Ricky Knoll, Birgit Kaltenböck | 01.03.2015 - 08:00 |
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Mit seiner himmelblauen Häkelmütze und der dunkelblauen Daunenjacke ist Hannes Unterberger auf dem Weg in seine Bleibe, den Wehrturm Nummer 10 auf dem Kapuzinerberg. Der 45-jährige Schwarzacher hat davor über das Sozialamt ein Zimmer in der Stadt bewohnt. "Einmal hat eine Freundin bei mir geschlafen, der Vermieter ist draufgekommen und ich musste das Zimmer räumen", sagt er. Als Lagerarbeiter und Abwäscher hielt er sich zuletzt über Wasser, doch "ohne Zimmer kriegst keine Arbeit". In seinem Umfeld kenne er einige, denen es so ginge wie ihm. Er versuche auch öfters, in einer Notschlafstelle unterzukommen. "Zurzeit ist aber alles überbelegt." Egal welche Arbeit, er würde alles annehmen, "Hauptsache ein geregeltes Einkommen". Unterbergers Nachbarn sind Silvia und Haiko im Wehrturm Nummer zwei. Das Paar hat sich hier vor Jahren häuslich niedergelassen und möchte seinen Turm nicht verlassen. Anders geht es Unterberger, der seufzt: "Ich möchte nur von dem Berg herunter."
1100 wohnungslose Personen in der Stadt Salzburg
Hannes Rothbucher ist seit 1996 bei der Beratungseinrichtung
im Bahnhofssozialdienst beziehungsweise der Wohnintegration. Er spricht von
zurzeit rund 1100 wohnungslosen Personen in der Stadt Salzburg. "Davon
sind etwa 157 akut obdachlos. Die Mehrzahl der wohnungslosen Personen ist bei
Bekannten untergebracht, etwa 150 in den Pensionszimmern", sagt
Rothbucher. Für diese Personen stehen ganzjährig eine Caritas-Notschlafstelle
mit elf Männer- und vier Frauenplätzen und die Pension Torwirt in der
Glockengasse mit gesamt zehn Plätzen bereit. "Über die Wintermonate bis
Ende März stehen weitere 18 Plätze, darunter für vier Frauen, zur Verfügung.
Armutsmigranten finden in der Arche Nord eine Bleibe über Nacht."
Im Vorjahr haben sich 950 verschiedene Personen beim Bahnhofssozialdienst gemeldet. Im Winter sei kein Anstieg spürbar. Seit dem vergangenen Jahr habe sich nicht viel getan, es fehle noch immer an ausreichendem Wohnraum in der Stadt Salzburg. "Nicht ohne Grund ist die Anzahl der wohnungslosen Personen, die bei Bekannten nächtigen, so hoch", sagt Rothbucher.
Die Zahl der Wohnungslosen hat sich in Salzburg innerhalb der vergangenen 15 Jahre vervierfacht. Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit und vielleicht noch psychische Probleme obenauf, das sind die "Klassiker", dass jemand auf der Straße - oder in einem Wehrturm - und in der Armut landet. Immer häufiger geraten auch die sogenannten "neuen Selbstständigen" - Ein-Personen-Unternehmen, Freiberufler oder ausgegliederte Dienstnehmer - in eine prekäre Lage.
Hilfe für Wohnungslose
Die Wohnungslosenhilfe, ein gemeinsames Projekt aller
karitativen Einrichtungen in Salzburg (Caritas, soziale Arbeit GmbH,
Sachwalterschaft, Laube, Pro Mente, Verein Neustart etc.), bietet diesen
Menschen mit "housing first" eine neue Einrichtung, betrieben von der
Vinzenzgemeinschaft. Jene, die mindestens ein Jahr auf der Straße leben oder
wiederholt dort landen, bekommen in einer gemeinsamen Wohnung intensive
Betreuung, maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse. Die Idee dahinter: Das
Programm passt sich den Betroffenen an, nicht umgekehrt. "Mit der dichten
Betreuung im ersten Jahr erzielen wir beste Erfolge und liefern den Beweis:
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann kann man auch mit jemandem
zusammenarbeiten, der ein Riesenpackl zu tragen hat", weiß Heinz Schoibl.
Der Sozialpsychologe beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Armut und ist
Mitglied der Wohnungslosenhilfe. Insgesamt drei Jahre können Betroffene in dem
Projekt mit nach und nach weniger werdender Betreuung verweilen. Derzeit
versucht die Wohnungslosenhilfe, ein Netzwerk aus ehrenamtlichen Wohnpaten
aufzubauen.
Recht auf Wohnen?
Schoibl fordert vom Land Salzburg überdies die Verankerung
des Rechts auf Wohnen. Die derzeit geltenden Regelungen zielen weit an der
Realität vorbei. "Die Stadt Salzburg hat den HWA, den höchstzulässigen
Wohnungsaufwand pro Person, mit 380 Euro im Monat festgelegt. Das reicht bei
Weitem nicht, dafür gibt es höchstens ein Pensionszimmer", berichtet er.
Die Stadt Innsbruck gewährt beispielsweise einen Rechtsanspruch darauf, höhere
Kosten zu finanzieren. "Es kann ja nicht davon abhängig sein, wo ich
gerade lebe, ob ich etwas zum Wohnen habe oder nicht."
Dazu fordert er eine österreichweit geltende Regelung, so wie es ursprünglich bei der Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung gedacht war, und nicht neun unterschiedliche Landesgesetze. "Österreich hat die Sozial-Charta unterzeichnet, aber dezidiert das Wohnrecht ausgeklammert. Immerhin könnte Salzburg hier vorbildliche Schritte im Alleingang setzen." Für Schoibl gehört dazu auch, dass Wohnungslosigkeit bei der Vergabe von Sozialwohnungen in puncto Dringlichkeit berücksichtigt wird und die Unterstützungen so geregelt werden müssen, dass man sich eine Wohnung tatsächlich leisten kann. "Die Leute sind zum Teil seit Jahren beim Wohnungsamt gemeldet, leben aber trotzdem im Pensionszimmer, wo sie nicht besucht werden können", beklagt Schoibl.
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