1. Jänner 2100, 01:00
Viele gemeinnützige
Wohnbauträger können sich die Grundstücke nicht mehr leisten. Manche von ihnen
sind erfinderisch geworden
250 Euro pro Quadratmeter erzielbarer Nutzfläche. Das ist seit
vielen Jahren die Obergrenze für den Ankauf von Grundstücken für geförderten
Wohnbau in Wien. Mehr darf von Gesetz wegen nicht bezahlt werden. Zieht man
Inflation, Grundstücksknappheit, die zunehmende Bodenspekulation und die
generell gestiegenen Immobilienpreise in Betracht, fragt man sich mitunter, wie
das Baugeschäft für einen gemeinnützigen Bauträger überhaupt noch kostendeckend
sein kann.
"Noch
geht's", sagt Manfred Wasner, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Bau- und
Siedlungsgesellschaft Migra GmbH, "aber lang geht's nimmer. Manche
Projekte wie etwa das Schloss Liesing, das wir gerade sanieren und erweitern,
sind so klein und so exklusiv, dass wir mit geförderten Wohnungen allein keine
Kostendeckung mehr zustande bringen. Bei anderen Projekten wie beim
Hauptbahnhof mit einer Liegenschaft in der ersten Reihe übersteigen die
Bodenkosten deutlich unser Soll." Solche Projekte müsse man mit freifinanzierten
Wohnungen "auffetten" und querfinanzieren. Eine Korrektur der 250
Euro nach oben, so Wasner, sei längst überfällig.
(Anm.: Manfred Wasner legt im Nachhinein Wert auf die Feststellung, keinesfalls von einer "längst überfälligen" Korrektur gesprochen zu haben, sondern vielmehr davon, dass es "zu erwarten sei, dass auch die förderbaren Grundkosten in der Zukunft ähnlich dem Verbraucherpreisindex steigen werden".)
(Anm.: Manfred Wasner legt im Nachhinein Wert auf die Feststellung, keinesfalls von einer "längst überfälligen" Korrektur gesprochen zu haben, sondern vielmehr davon, dass es "zu erwarten sei, dass auch die förderbaren Grundkosten in der Zukunft ähnlich dem Verbraucherpreisindex steigen werden".)
Erweiterung des Repertoires
Auch das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW), traditionell
zutiefst gemeinnützig orientiert, erweitert sein Repertoire derzeit um den
Faktor der Freifinanzierung. Der Leopold Tower neben dem neuen Shoppingcenter
Citygate im 22. Bezirk ist ein solches Projekt. Gemeinsam mit den drei
Tochterfirmen Wohnungseigentum GmbH, immo 360° und room4rent errichtet das ÖSW
darin mehr als 300 freifinanzierte Wohnungen. Ein Großteil ist bereits
vermietet und verkauft. Im Juli soll der von querkraft architekten geplante
85-Meter-Turm mit seinen expressiv geknickten Balkonbändern eröffnet werden.
"Als gemeinnütziger Bauträger kommt man heute kaum noch in
den Genuss von leistbaren attraktiven Grundstücken", erklärt ÖSW-Vorstand
Michael Pech. In manchen Lagen gebe es bloß zwei Möglichkeiten: "Entweder
man kauft Green- und Brownfields und lässt diese dann in Baugrund für
gefördertes Wohnen umwidmen, was jedoch viele Jahre in Anspruch nehmen kann.
Oder aber man baut freifinanziert oder kombiniert das Projekt mit Wohnungen für
den freien Markt. Die Leistbarkeit im geförderten Mietsegment ist damit de
facto nicht mehr gegeben. Das ist ein Hemmschuh an allen Ecken und Enden."
Verkauf an Fonds geplant
Pech hat noch weitere freifinanzierte Projekte in der Pipeline.
Geplant sind ein Wohnturm bei den Gasometern und einer in Monte Laa, der an einen
Fonds verkauft werden soll. "Die Bau-Erträge sind dort nicht groß, aber
sehr stabil. Wir haben den Vertrag vor Weihnachten unterschrieben", so
Pech. Die Reaktion auf die Marktsituation ist unmissverständlich. Ist das die
Zukunft der Gemeinnützigen?
"Leistbare gewidmete Baugründe in schönen Lagen sind kaum
noch finanzierbar", bestätigt Herrmann Koller, Vorstand beim
gemeinnützigen Bauträger Heimbau. "Durch die hohen Grundstückspreise sind
auch wir gezwungen, diese Schiene zu fahren. Doch das geht nur zu einem
gewissen Grad. Manchmal sind wir mit Grundkosten von 1000 Euro pro Quadratmeter
konfrontiert, das rechnet sich nicht, da kann man nicht einmal mehr
kombinierten Wohnbau machen." Die Umwidmung von Grundstücken sei zwar eine
Option, die man immer wieder angehe, doch das verlängere die Entwicklungszeit
pro Projekt um ein Vielfaches. Viel sinnvoller, so Koller, wäre ein Nachrücken
der Politik: "Wir sind nicht die Einzigen, die klagen, weil's nicht mehr
geht. Will man geförderten Wohnbau sicherstellen, so wird eine Anhebung der 250
Euro unausweichlich sein."
Kreativer Umgang mit vorhandenem Geld
Mehr und mehr geht es um einen kreativen Umgang mit den
Geldmitteln. "Der freifinanzierte Wohnbau ist für uns eine gute und
sinnvolle Ergänzung", meint auch Michael Gehbauer, Geschäftsführer der
Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). "Denn die
250-Euro-Grenze erfordert schon einiges an Kreativität." Die Zukunft der
Bauträgerschaft sieht Gehbauer in den Bauträger-Kooperationen, die von der Stadt
Wien kürzlich angekündigt wurden. Dabei sollen geförderte und freifinanzierte
Wohnungen auf demselben Baugrund realisiert werden. "Angesichts dessen,
wie sich die Preise entwickelt haben, sind Mischprojekte unvermeidlich. Es wird
sie geben - und zwar in vielen Varianten."
Ein Ausweg aus der Misere ist auch die von Wohnbaustadtrat Michael
Ludwig 2011 ins Leben gerufene Wohnbauinitiative. "Die Latte mit 250 Euro
pro Quadratmeter förderbarer Fläche ist noch ein Preis aus der Zeit vor den
großen Marktbewegungen, und sie ist auch nicht mehr leicht einzuhalten",
fügt Bernd Rießland, Vorstand der Sozialbau AG, hinzu. "Doch dafür gibt es
die Wohnbauinitiative, die es uns ermöglicht, auch ohne Förderwürdigkeit
günstig und leistbar zu bauen. Solange es Alternativen gibt, sehen wir uns
gerne als Partner der Stadt."
"Vorgabe ist machbar"
Die Buwog ist zwar ein gewinnorientierter
Mitbewerber am Markt, war dem sozialen Wohnbau allerdings lange Zeit
wohlgesonnen. Zahlreiche geförderte Projekte sind in den letzten Jahren
entstanden. Damit ist jetzt wohl Schluss. "Die Obergrenze von 250 Euro pro
Quadratmeter ist unrealistisch, weil sie geförderten Wohnbau in reiner Form
praktisch unmöglich macht", sagt Geschäftsführer Andreas Holler.
"Grundsätzlich ist die Mischung aus freifinanzierten und geförderten
Wohnungen machbar. Die Nachfrage danach ist groß. Voraussetzung dafür ist aber
die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit." Mit den aktuellen Förderkriterien sei
dies schwierig zu machen.
Gegenwind kommt von der Gesiba. Sie ist die Einzige, die sich
gegen die "Verfreiung" der gemeinnützigen Bauwirtschaft auflehnt.
"Das Thema gibt es bei uns nicht", sagt Generaldirektor Ewald
Kirschner. "Ja, die Baugründe sind teurer geworden, und das Angebot für
uns ist kleiner als noch vor einigen Jahren. Doch dann muss man sich halt in
anderen Lagen umsehen. Unser Auftrag ist klipp und klar, und dem möchten wir
folgen. Im Sinne des gemeinnützigen Gedankens sage ich: 250 Euro pro
Quadratmeter sind durchaus zeitgemäß. Möglichkeiten, damit umzugehen, gibt es
zur Genüge. Alles andere ist fahrlässig." Das sehen die meisten anders.
Die Diskussion ist eröffnet. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 14.3.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen