Dienstag, 17. März 2015

Die gemeine Last der Gemeinnützigen

WOJCIECH CZAJA

Viele gemeinnützige Wohnbauträger können sich die Grundstücke nicht mehr leisten. Manche von ihnen sind erfinderisch geworden

250 Euro pro Quadratmeter erzielbarer Nutzfläche. Das ist seit vielen Jahren die Obergrenze für den Ankauf von Grundstücken für geförderten Wohnbau in Wien. Mehr darf von Gesetz wegen nicht bezahlt werden. Zieht man Inflation, Grundstücksknappheit, die zunehmende Bodenspekulation und die generell gestiegenen Immobilienpreise in Betracht, fragt man sich mitunter, wie das Baugeschäft für einen gemeinnützigen Bauträger überhaupt noch kostendeckend sein kann.
"Noch geht's", sagt Manfred Wasner, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgesellschaft Migra GmbH, "aber lang geht's nimmer. Manche Projekte wie etwa das Schloss Liesing, das wir gerade sanieren und erweitern, sind so klein und so exklusiv, dass wir mit geförderten Wohnungen allein keine Kostendeckung mehr zustande bringen. Bei anderen Projekten wie beim Hauptbahnhof mit einer Liegenschaft in der ersten Reihe übersteigen die Bodenkosten deutlich unser Soll." Solche Projekte müsse man mit freifinanzierten Wohnungen "auffetten" und querfinanzieren. Eine Korrektur der 250 Euro nach oben, so Wasner, sei längst überfällig. 
(Anm.: Manfred Wasner legt im Nachhinein Wert auf die Feststellung, keinesfalls von einer "längst überfälligen" Korrektur gesprochen zu haben, sondern vielmehr davon, dass es "zu erwarten sei, dass auch die förderbaren Grundkosten in der Zukunft ähnlich dem Verbraucherpreisindex steigen werden".)

Erweiterung des Repertoires

Auch das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW), traditionell zutiefst gemeinnützig orientiert, erweitert sein Repertoire derzeit um den Faktor der Freifinanzierung. Der Leopold Tower neben dem neuen Shoppingcenter Citygate im 22. Bezirk ist ein solches Projekt. Gemeinsam mit den drei Tochterfirmen Wohnungseigentum GmbH, immo 360° und room4rent errichtet das ÖSW darin mehr als 300 freifinanzierte Wohnungen. Ein Großteil ist bereits vermietet und verkauft. Im Juli soll der von querkraft architekten geplante 85-Meter-Turm mit seinen expressiv geknickten Balkonbändern eröffnet werden.
"Als gemeinnütziger Bauträger kommt man heute kaum noch in den Genuss von leistbaren attraktiven Grundstücken", erklärt ÖSW-Vorstand Michael Pech. In manchen Lagen gebe es bloß zwei Möglichkeiten: "Entweder man kauft Green- und Brownfields und lässt diese dann in Baugrund für gefördertes Wohnen umwidmen, was jedoch viele Jahre in Anspruch nehmen kann. Oder aber man baut freifinanziert oder kombiniert das Projekt mit Wohnungen für den freien Markt. Die Leistbarkeit im geförderten Mietsegment ist damit de facto nicht mehr gegeben. Das ist ein Hemmschuh an allen Ecken und Enden."

Verkauf an Fonds geplant

Pech hat noch weitere freifinanzierte Projekte in der Pipeline. Geplant sind ein Wohnturm bei den Gasometern und einer in Monte Laa, der an einen Fonds verkauft werden soll. "Die Bau-Erträge sind dort nicht groß, aber sehr stabil. Wir haben den Vertrag vor Weihnachten unterschrieben", so Pech. Die Reaktion auf die Marktsituation ist unmissverständlich. Ist das die Zukunft der Gemeinnützigen?
"Leistbare gewidmete Baugründe in schönen Lagen sind kaum noch finanzierbar", bestätigt Herrmann Koller, Vorstand beim gemeinnützigen Bauträger Heimbau. "Durch die hohen Grundstückspreise sind auch wir gezwungen, diese Schiene zu fahren. Doch das geht nur zu einem gewissen Grad. Manchmal sind wir mit Grundkosten von 1000 Euro pro Quadratmeter konfrontiert, das rechnet sich nicht, da kann man nicht einmal mehr kombinierten Wohnbau machen." Die Umwidmung von Grundstücken sei zwar eine Option, die man immer wieder angehe, doch das verlängere die Entwicklungszeit pro Projekt um ein Vielfaches. Viel sinnvoller, so Koller, wäre ein Nachrücken der Politik: "Wir sind nicht die Einzigen, die klagen, weil's nicht mehr geht. Will man geförderten Wohnbau sicherstellen, so wird eine Anhebung der 250 Euro unausweichlich sein."
Kreativer Umgang mit vorhandenem Geld
Mehr und mehr geht es um einen kreativen Umgang mit den Geldmitteln. "Der freifinanzierte Wohnbau ist für uns eine gute und sinnvolle Ergänzung", meint auch Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). "Denn die 250-Euro-Grenze erfordert schon einiges an Kreativität." Die Zukunft der Bauträgerschaft sieht Gehbauer in den Bauträger-Kooperationen, die von der Stadt Wien kürzlich angekündigt wurden. Dabei sollen geförderte und freifinanzierte Wohnungen auf demselben Baugrund realisiert werden. "Angesichts dessen, wie sich die Preise entwickelt haben, sind Mischprojekte unvermeidlich. Es wird sie geben - und zwar in vielen Varianten."
Ein Ausweg aus der Misere ist auch die von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig 2011 ins Leben gerufene Wohnbauinitiative. "Die Latte mit 250 Euro pro Quadratmeter förderbarer Fläche ist noch ein Preis aus der Zeit vor den großen Marktbewegungen, und sie ist auch nicht mehr leicht einzuhalten", fügt Bernd Rießland, Vorstand der Sozialbau AG, hinzu. "Doch dafür gibt es die Wohnbauinitiative, die es uns ermöglicht, auch ohne Förderwürdigkeit günstig und leistbar zu bauen. Solange es Alternativen gibt, sehen wir uns gerne als Partner der Stadt."

"Vorgabe ist machbar"

Die Buwog ist zwar ein gewinnorientierter Mitbewerber am Markt, war dem sozialen Wohnbau allerdings lange Zeit wohlgesonnen. Zahlreiche geförderte Projekte sind in den letzten Jahren entstanden. Damit ist jetzt wohl Schluss. "Die Obergrenze von 250 Euro pro Quadratmeter ist unrealistisch, weil sie geförderten Wohnbau in reiner Form praktisch unmöglich macht", sagt Geschäftsführer Andreas Holler. "Grundsätzlich ist die Mischung aus freifinanzierten und geförderten Wohnungen machbar. Die Nachfrage danach ist groß. Voraussetzung dafür ist aber die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit." Mit den aktuellen Förderkriterien sei dies schwierig zu machen.
Gegenwind kommt von der Gesiba. Sie ist die Einzige, die sich gegen die "Verfreiung" der gemeinnützigen Bauwirtschaft auflehnt. "Das Thema gibt es bei uns nicht", sagt Generaldirektor Ewald Kirschner. "Ja, die Baugründe sind teurer geworden, und das Angebot für uns ist kleiner als noch vor einigen Jahren. Doch dann muss man sich halt in anderen Lagen umsehen. Unser Auftrag ist klipp und klar, und dem möchten wir folgen. Im Sinne des gemeinnützigen Gedankens sage ich: 250 Euro pro Quadratmeter sind durchaus zeitgemäß. Möglichkeiten, damit umzugehen, gibt es zur Genüge. Alles andere ist fahrlässig." Das sehen die meisten anders. Die Diskussion ist eröffnet. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 14.3.2015)


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