Donnerstag, 29. Mai 2014

Vorschläge für eine bessere Wohn(bau)politik in Österreich

 Die Situation am österreichischen Wohnungsmarkt spitzt sich zu, Wohnen wird immer teurer. Der gesetzliche Rahmen ist schwach und weitgehend veraltet. Nach einem Aufflackern der Diskussion über die Zukunft des Wohnens in Österreich im Nationalratswahlkampf 2013 ist das Interesse an nötigen Reformen auf politischer Seite rasch wieder abgeflaut. 


Da ist es auch gar nicht seltsam, dass SPÖ-Bundesrätin Inge Posch-Gruska, sich am Mittwoch, im Bundesrat gefreut hat, dass mit dem vorliegenden Budget in soziale Bereiche wie Pflege, Wohnen, Familienförderung und Kinderbetreuung Geld investiert wird. "Ein Budget ist nur gut, wenn es positiv bei der Bevölkerung ankommt. Gespart wird bei der Verwaltung, investiert in Bereichen, wo das Geld dringend gebraucht wird. Gerade für Familien hält das Budget einiges parat: Ausbau von Kinderbetreuung, monatliches Auszahlen der Familienbeihilfe und Ausweiten der Bezugsmöglichkeiten. In Summe ist das Budget sozial konzipiert und familienfreundlich." Was laut Posch-Gruska jetzt noch fehlt, ist eine Steuerreform, um eine gerechte Verteilung der Abgabenlast zu erwirken. "ArbeitnehmerInnen müssen mehr von ihrem Einkommen haben, Millionäre müssen mehr zum Gemeinwohl beitragen."
Die EU-Wahl ist vorbei und das Aufwachen ist, war fürchterlich für die Genossen, die die ganze Zeit über nichts gemerkt haben oder es nicht bemerken wollten. Jetzt melden sie sich zu Wort, wieder einmal mit Parolen, unnütz wie sie selber.

Von den obersten Etagen des DC Towers, der mit 250 Metern Höhe das neue höchste Gebäude Österreichs ist. Das schicke Ambiente zu genießen, das Architekt Dominique Perrault in dem Wolkenkratzer nahe der Donau geschaffen hat, ist, wie auch nicht anders zu erwarten, kein billiges Vergnügen. So liegen die Büromieten im Hightech-Turm im günstigsten Fall bei 17 Euro je Quadratmeter. In der Spitze werden sogar 32 Euro je Quadratmeter bezahlt. Auch die Schaffung von Wohneinheiten ist geplant. Sicher ist, dass Spitzenpreise erzielt würden, sollten diese Appartments auf den Markt kommen. Und auch bei Eigentumswohnungen schießen die Preise weiter in die Höhe. Wie der von der Wirtschaftskammer erstellte "Immobilienpreisspiegel 2014“ zeigt, ist das Preisniveau in Wien im Vorjahr neuerlich stark gestiegen. Gar nicht so sehr in der Innenstadt: Dort müssen zwar je Quadratmeter im Schnitt über 7.000 Euro auf den Tisch geblättert werden, was Österreich-Rekord ist. Aber gegenüber 2012 sind die Preise in der City um 2,4 Prozent gesunken. Ganz anders verlief die Entwicklung im Rest von Wien. So zogen die Quadratmeterpreise neuer Eigentumswohnungen in acht der 23 Wiener Bezirke um mehr als zehn Prozent an. Noch schneller drehte sich im Vorjahr die Preisspirale bei gebrauchten Eigentumswohnungen mit einem Anstieg des Quadratmeterpreises um 12,8 Prozent quer über Wien. In den Bezirken 5, 6, 9 und 12 explodierten die Preise sogar um mehr als 16 Prozent. Angesichts des zwar abgeschwächten, aber nicht gestoppten Preisauftriebs in und rund um Ballungsräume stellt sich die Frage nach der Leistbarkeit immer drängender. Eine Antwort darauf lässt sich über den Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen festmachen. So mussten Mietern laut einer OeNB-Erhebung im Jahr 2012 österreichweit schon rund ein Drittel des Haushaltseinkommens für das Dach über dem Kopf ausgeben. Bei Wohnungseigentümern erreichte der Anteil knapp 25 Prozent. Weil die Mieten vor allem in Wien schon am Plafond angelangt sind, haben sie im Vorjahr nur noch um durchschnittlich 0,1 Prozent zugelegt. Bei freien Mieten von rund neun Euro je Quadratmeter ist die Leistbarkeit ein zunehmendes Problem.

Wie eine im Vorfeld des Verbandstages der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft durchgeführte Umfrage unter den 190 Mitgliedsunternehmen ergeben hat, stellen die hohen Grundstückskosten und die Verfügbarkeit von Bauland das mit Abstand brennendste Problem für den Wohnungsbau dar. Hier gelte es durch wirksame Maßnahmen zur Baulandmobilisierung anzusetzen, um den gerade in den Ballungszentren stark nachgefragten Wohnraum anbieten zu können, erklärte Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen
(GBV), im Rahmen der Jahrestagung in Innsbruck. Die Grundstücksfrage stehe daher ganz oben auf der wohnungspolitischen Prioritätenliste der Gemeinnützigen. Als "Hoffnungsgebiet" für günstiges Bauland sieht Wurm u.a. ehemalige Kasernenareale. "Es ist erfreulich, dass auch die Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm die Dringlichkeit grundstücksmobilisierender Maßnahmen erkannt hat, nun gilt es aber den Worten Taten folgen zu lassen und im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Grundstücksreserven rasch für den geförderten Wohnbau zu widmen". Zusätzlich gelte es auch eine verfassungsrechtliche
Klarstellung zur Anwendung baulandmobilisierender Instrumente in den
Ländern bzw. Gemeinden herbeizuführen.

Ebenso wichtig für das Einbremsen des Kostenanstiegs im sozialen Wohnbau ist ein Stopp der ständig steigenden Qualitätsanforderungen im bautechnischen und energetischen Bereich. Zwischen 2005 und 2012 sind die Baukosten bei den GBV um ein Drittel bzw. über 400 Euro/m2 angestiegen, der größte Anteil resultiert aus Auflagen energieeffizienten Bauens und weiteren qualitativen Bauvorschriften
wie Brandschutz, umfassender Barrierefreiheit und Stellplatzverpflichtung. Die Folge ist eine Mieterhöhung in diesem Zeitraum um einen Euro/m2 auf 7,2 Euro/m2. Die Gemeinnützigen haben einen umfassenden Katalog an Vorschlägen mit kostendämpfender Wirkung ausgearbeitet. Wurm appellierte an die Politik, der auch im Regierungsprogramm verankerten Zielvorstellung einer Sicherung leistbaren Wohnens konkrete Umsetzungsschritte folgen zu lassen.
Zur Steigerung der dringend notwendigen Neubauleistung seien auch Maßnahmen auf gesetzlicher Ebene erforderlich. GBV-Obmann Wurm: "Handlungsbedarf besteht vorrangig bei den steigenden eigenmittelfinanzierten Instandhaltungsausgaben. Zur Finanzierung immer kostenintensiverer thermischer Sanierungen und
wohnungsinnenseitiger Brauchbarmachungen müssen die GBV eine immer
größer werdende Summe an Eigenmitteln aufwenden." Dieses
"Wohnbauzweckkapital" fehle im produktiven Segment zur Errichtung
kostengünstiger Wohnungen. Vorschläge zur Abfederung zunehmender
Sanierungsausgaben und damit "Freispielen" des im wohnwirtschaftlichen Kreislauf zweckgebundenen GBV-Eigenkapitals für künftige Wohnbauvorhaben liegen seit längerem auf dem Tisch. "Jetzt gilt es Nägel mit Köpfen zu machen und mutige wohnungspolitische Reformen auf den Weg zu bringen. Der grassierende Wohnungsmangel in den Städten duldet keinen Zeitaufschub mehr", appellierte Wurm.

"Es braucht ein bundesweit einheitliches, transparentes Wohnrecht", fordert Jörg Wippel, Mastermind der Initiative "Re:Think - Wohn.Bau.Politik" heute gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach, Franz Fischler. 
Auch bei der Raumordnung sieht Wippel großes Potenzial: "Der Preisanstieg von Immobilien und Grundstücken in innerstädtischen Lagen drängt den Wohnbau immer weiter an die Ränder der Stadt. Dieser Wohnbau erfordert jedoch vielfach die Schaffung neuer Infrastruktur. Neue Gebiete werden so verstädtert. Das ist ökologisch wie wirtschaftlich problematisch. Wir müssen unseren Fokus auf die
Verdichtung innerhalb des vorhandenen Bestandes legen", sagt Wippel
weiter.
Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien führt dazu aus: "Seit 1950 hat sich die Wohnfläche pro Einwohner verdoppelt. Wir versiegeln pro Tag zwei Hektar Land - doppelt so viel wie in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes eigentlich vorgesehen.". Die Widmungskompetenz müsse von den Gemeinden auf die Länder übergehen - es brauche eine übergeordnete Strategie und
Sanktionsmöglichkeiten bei unökologischen Projekten, führte Frey einige der Ergebnisse des Re:think-Prozesses aus.
Die dritte zentrale Forderung adressiert eine Reform der Wohnbauförderung. Die Maxime "erhalten, verbessern und erst dann neu bauen" muss zur Grundlage einer zeitgemäßen Wohnbauförderung werden, fordern alle drei Experten.
Wippel und Fischler zeigten sich nach einem Gespräch mit dem für das Wohnrecht zuständigen Bundesminister für Justiz Wolfgang Brandstetter zuversichtlich, dass es noch bis zum Herbst zu ersten Vorschlägen für eine große Wohnrechtsreform kommen könnte. 
Im Rahmen der neuen Workshop-Events des europäischen Forum Alpbach
"Re:Think", wurden im März 2014 neue Ideen und Vorschläge für eine nachhaltige Wohnbaupolitik für Bund und Länder erarbeitet. Die Detailergebnisse der zweitägigen Veranstaltung, an der rund 60 Stakeholder teilgenommen hatten, werden im Rahmen der "Baukulturgepräche" des Europäischen Forums in Alpbach am 28. und 29.August präsentiert.
Forum Alpbach Präsident Franz Fischler sieht in seinem Veranstaltungsformat wie auch im Thema Wohnbaupolitik großes Potenzial: "Die Re:Think Events sind sehr dicht - durchmoderiert und ergebnisorientiert. Im Thema Wohnbau gelingt es uns, jahrelanger Tatenlosigkeit auf Seite der Verantwortlichen mit klaren
Handlungsvorschlägen entgegenzutreten", so Fischler.


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