Wien haftet noch mit knapp acht Milliarden Euro für Altschulden
der Bank Austria. Die Stadt will die Stiftung, über die wild spekuliert wird,
partout nicht offenlegen. Ein Gutachten attestiert jetzt allerdings
Publizitätspflicht.
Seit dem Milliarden-Debakel mit der Hypo und den Haftungen
des Landes Kärnten schiebt jeder Politiker das Reiz-Thema Haftungen und Banken
noch weiter von sich. Verständlich, wer möchte schon den politischen Gegnern
freiwillig Munition liefern. Mit Haftungen der öffentlichen Hand, für die im
Fall des Falles die Steuerzahler brennen müssen, lässt sich leicht politisches
Kleingeld machen. Auch Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl und seine Finanz-Stadträtin Renate Brauner beantworten Fragen nach den Haftungen der
Stadt Wien für die Bank Austria und nach der AVZ-Stiftung seit Jahren sehr
selektiv bis gar nicht.
Veröffentlicht werden
lediglich die Ausschüttungen der Stiftung (genau: Privatstiftung zur Verwaltung
von Anteilsrechten) an den Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und
Technologiefonds (WWFT) sowie der aktuelle Letztstand der Haftungen. Dieser
wird im jährlichen Rechnungsabschluss der Gemeinde Wien ausgewiesen. Als dürre
Zahl und ohne weitere Erklärungen. Für 2012 waren’s 8,17 Milliarden Euro, 2013
dürften es unter acht Milliarden sein.
Die Stiftung muss zwei Drittel ihres Gewinns
an den Fonds abliefern, seit 2001 in Summe 91,6 Millionen Euro. Mit Geld für
die Forschung kann man immer punkten. Das ist aber auch schon alles, Einblick
in das Gebaren der Stiftung wird nicht gewährt. Weshalb seit Jahren wild
spekuliert wird.
Als die Wiener FPÖ
heuer in einer Anfrage Genaueres wissen wollte, bissen die Stadt-Blauen bei
Brauner auf Granit. Das Fragerecht im Gemeinderat beziehe sich "nicht auf
die privatrechtliche Tätigkeit einer eigenständigen juristischen Person".
Heißt im Klartext: Die Stiftung ist ausgelagert und hat mit der Gemeinde Wien
nichts zu tun. Basta.
Johann Gudenus, Klubobmann der
Rathaus-Freiheitlichen, vermutet ein "Milliardengrab der Wiener SPÖ. Wir
wollen wissen: Wie viel wurde verspekuliert, wie viel verschleudert? In welche
Kanäle ist Geld geflossen?".
Die
FPÖ ließ ein Gutachten dazu erstellen. Anwalt Markus
Tschank vergrub sich in den Tiefen des alten
Sparkassengesetzes und kam zum Ergebnis, dass die Stiftung im "eigenen
Wirkungskreis" der Gemeinde Wien liegt. Brauner müsse den Gemeinderat sehr
wohl informieren.
Die Unterlagen wären
vorhanden. Die Stiftung wird jährlich vom Wirtschaftsprüfer und dem
Sparkassen-Prüfungsverband unter die Lupe genommen, der einen
haftungsrechtlichen Prüfbericht erstellt. "Brauner umgeht die
Informationsrechte der Mandatare im Gemeinderat", kritisiert Tschank und
wirft der Vize-Bürgermeisterin vor, den "Rechtsstaat zu biegen".
Gudenus legt nach: "Warum wird der Prüfbericht wie ein Geheimdokument behandelt?
Wir wollen Antworten."
"Die Stiftung
gehört sich selbst, die Gemeinde Wien hat keinen Einfluss darauf", lässt
Brauner ausrichten. Die Gemeinde dürfe die Abschlüsse gar nicht
veröffentlichen, an "unserer Rechtsposition hat sich nichts
geändert".
Die FPÖ versucht es
nun über den Stadtrechnungshof und beantragte eine Gebarungs- und
Sicherheitskontrolle der Stiftung. Die städtischen Kontrollore sollen auch die
Prüfberichte des Sparkassenverbandes einfordern.
Der
Bundes-Rechnungshof darf nämlich nicht in die Stiftung schauen. Obwohl
Rechnungshof-Präsident Josef Moser wegen
der Brisanz von Haftungen der öffentlichen Hand gerne würde: "Die
Übernahme von Haftungen stellt generell ein Gefährdungspotenzial dar, weshalb
eine Änderung der Rechtslage im Sinne einer Ausweitung der Prüfkompetenzen des
Rechnungshofes sinnvoll wäre."
Abgesehen vom
politischen Schlagabtausch, wie steht die geheimnisumwitterte Stiftung
tatsächlich da?
Sie haftet für die
Altschulden der Bank Austria. Diese beliefen sich bei Gründung der Stiftung auf
rund 120 Milliarden Euro und schmelzen jährlich ab. Dafür hat Wien die
Ausfallshaftung übernommen.
Darüber hinaus hat die
Stiftung die Haftung für die aktuellen Verbindlichkeiten der Bank Austria
geschultert, derzeit ebenfalls rund 120 Milliarden Euro. Sollte die Bank
gröbere Probleme bekommen, was freilich unwahrscheinlich ist, wäre die Stiftung
erledigt.
Im Gegensatz zu Kärnten gelang es Häupl und seinem damaligen
VP-Koalitionspartner Bernhard Görg, die Haftungen für die Bank Austria von der
Stadt wegzuschieben. Hohe Verluste in Russland drohten die Bank 2000 in eine
gefährliche Schräglage zu bringen und im Rathaus wurde man sich der
Haftungsproblematik bewusst. Die Haftungen wurden mitsamt den Aktien der Stadt
Wien an der Bank Austria in die Stiftung eingebracht. Bank-Austria-Chef Gerhard Randa (Bild) musste
einen Käufer für die größte Bank des Landes suchen.
Ursprünglich war die Stadt über
die AVZ (siehe
Artikelende) mit 40 Prozent der größte Aktionär der Bank Austria.
Nach dem Verkauf und der Fusion mit der bayrischen HypoVereinsbank gehörten der
AVZ 5,39 Prozent der Bayern-Bank. Der Anteil war 1,7 Milliarden Euro wert.
Die
Stiftung war also richtig reich. Das sollte sich ändern. Die HVB samt Bank
Austria wurde von der UniCredit übernommen und die Stiftung hielt nun Aktien
der italienischen Großbank. Die Finanzkrise trieb den Kurs der Italiener in den
Keller. Obendrein hatte die Stiftung inzwischen um einige Hundert Millionen
Euro nachrangige Anleihen der Erste Bank erstanden, um die man damals ebenfalls
zitterte. Eine Zeit lang schauten die 14 Stiftungsvorstände der
Vermögensvernichtung zu, besteht doch der Stiftungszweck im Halten der
Bank-Aktien. Als die Notbremse gezogen wurde und man Aktien verkaufte, war der
Kurs schon längst tief unter Wasser.
Heute
hält die Stiftung nur noch 0,2 bis 0,3 Prozent an der UniCredit sowie drei
andere Beteiligungen. Das gesamte Vermögen ist auf rund 500 Millionen Euro
geschmolzen, dafür ist die Stiftung schuldenfrei. Die Beteiligung am
Verkehrsbüro (60,98 Prozent) ist mit rund 100 Millionen Euro bewertet. Der
25-prozentige Anteil am Geldkartenanbieter Card Complete mit 50 Millionen Euro
und die 8,25 Prozent an der Kontrollbank mit 35 Millionen. Dazu kommen noch
5,05 Prozent an der Bank Austria Real Invest Immobilien-Management sowie
Anleihen und Cash-Positionen. Sollte die Stiftung aufgelöst werden, kann Wien
das Vermögen einkassieren.
Der bunt gemischte
Stiftungsvorstand erneuert sich übrigens, ebenso wie der Aufsichtsrat der
Staatsholding ÖIAG, von selbst.
Warum Wien für Bank Austria haftet: 1990 wurde das operative
Geschäft der Zentralsparkasse, einer Sparkasse der Gemeinde Wien, mit der
Länderbank zur Bank Austria fusioniert. Die einbringende Z blieb
als Holding AVZ (Anteilsverwaltung Zentralsparkasse) weiter bestehen
und war Hauptaktionär der Bank Austria. Laut Sparkassengesetz haftete die
Gemeinde Wien für die Verbindlichkeiten der Bank Austria. 2000 wurde die AVZ in
eine Privatstiftung umgewandelt, die Haftungen wanderten in die Stiftung.
(KURIER) ERSTELLT
AM 18.05.2014, 08:00
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