Sonntag, 18. Mai 2014

AVZ-Stiftung: Licht ins Dunkel

Wien haftet noch mit knapp acht Milliarden Euro für Altschulden der Bank Austria. Die Stadt will die Stiftung, über die wild spekuliert wird, partout nicht offenlegen. Ein Gutachten attestiert jetzt allerdings Publizitätspflicht.

Seit dem Milliarden-Debakel mit der Hypo und den Haftungen des Landes Kärnten schiebt jeder Politiker das Reiz-Thema Haftungen und Banken noch weiter von sich. Verständlich, wer möchte schon den politischen Gegnern freiwillig Munition liefern. Mit Haftungen der öffentlichen Hand, für die im Fall des Falles die Steuerzahler brennen müssen, lässt sich leicht politisches Kleingeld machen. Auch Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl und seine Finanz-Stadträtin Renate Brauner beantworten Fragen nach den Haftungen der Stadt Wien für die Bank Austria und nach der AVZ-Stiftung seit Jahren sehr selektiv bis gar nicht.
Veröffentlicht werden lediglich die Ausschüttungen der Stiftung (genau: Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten) an den Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWFT) sowie der aktuelle Letztstand der Haftungen. Dieser wird im jährlichen Rechnungsabschluss der Gemeinde Wien ausgewiesen. Als dürre Zahl und ohne weitere Erklärungen. Für 2012 waren’s 8,17 Milliarden Euro, 2013 dürften es unter acht Milliarden sein.
Die Stiftung muss zwei Drittel ihres Gewinns an den Fonds abliefern, seit 2001 in Summe 91,6 Millionen Euro. Mit Geld für die Forschung kann man immer punkten. Das ist aber auch schon alles, Einblick in das Gebaren der Stiftung wird nicht gewährt. Weshalb seit Jahren wild spekuliert wird.
Als die Wiener FPÖ heuer in einer Anfrage Genaueres wissen wollte, bissen die Stadt-Blauen bei Brauner auf Granit. Das Fragerecht im Gemeinderat beziehe sich "nicht auf die privatrechtliche Tätigkeit einer eigenständigen juristischen Person". Heißt im Klartext: Die Stiftung ist ausgelagert und hat mit der Gemeinde Wien nichts zu tun. Basta.
Johann Gudenus, Klubobmann der Rathaus-Freiheitlichen, vermutet ein "Milliardengrab der Wiener SPÖ. Wir wollen wissen: Wie viel wurde verspekuliert, wie viel verschleudert? In welche Kanäle ist Geld geflossen?".
Die FPÖ ließ ein Gutachten dazu erstellen. Anwalt Markus Tschank vergrub sich in den Tiefen des alten Sparkassengesetzes und kam zum Ergebnis, dass die Stiftung im "eigenen Wirkungskreis" der Gemeinde Wien liegt. Brauner müsse den Gemeinderat sehr wohl informieren.
Die Unterlagen wären vorhanden. Die Stiftung wird jährlich vom Wirtschaftsprüfer und dem Sparkassen-Prüfungsverband unter die Lupe genommen, der einen haftungsrechtlichen Prüfbericht erstellt. "Brauner umgeht die Informationsrechte der Mandatare im Gemeinderat", kritisiert Tschank und wirft der Vize-Bürgermeisterin vor, den "Rechtsstaat zu biegen". Gudenus legt nach: "Warum wird der Prüfbericht wie ein Geheimdokument behandelt? Wir wollen Antworten."
"Die Stiftung gehört sich selbst, die Gemeinde Wien hat keinen Einfluss darauf", lässt Brauner ausrichten. Die Gemeinde dürfe die Abschlüsse gar nicht veröffentlichen, an "unserer Rechtsposition hat sich nichts geändert".
Die FPÖ versucht es nun über den Stadtrechnungshof und beantragte eine Gebarungs- und Sicherheitskontrolle der Stiftung. Die städtischen Kontrollore sollen auch die Prüfberichte des Sparkassenverbandes einfordern.
Der Bundes-Rechnungshof darf nämlich nicht in die Stiftung schauen. Obwohl Rechnungshof-Präsident Josef Moser wegen der Brisanz von Haftungen der öffentlichen Hand gerne würde: "Die Übernahme von Haftungen stellt generell ein Gefährdungspotenzial dar, weshalb eine Änderung der Rechtslage im Sinne einer Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofes sinnvoll wäre."
Abgesehen vom politischen Schlagabtausch, wie steht die geheimnisumwitterte Stiftung tatsächlich da?
Sie haftet für die Altschulden der Bank Austria. Diese beliefen sich bei Gründung der Stiftung auf rund 120 Milliarden Euro und schmelzen jährlich ab. Dafür hat Wien die Ausfallshaftung übernommen.
Darüber hinaus hat die Stiftung die Haftung für die aktuellen Verbindlichkeiten der Bank Austria geschultert, derzeit ebenfalls rund 120 Milliarden Euro. Sollte die Bank gröbere Probleme bekommen, was freilich unwahrscheinlich ist, wäre die Stiftung erledigt.
Im Gegensatz zu Kärnten gelang es Häupl und seinem damaligen VP-Koalitionspartner Bernhard Görg, die Haftungen für die Bank Austria von der Stadt wegzuschieben. Hohe Verluste in Russland drohten die Bank 2000 in eine gefährliche Schräglage zu bringen und im Rathaus wurde man sich der Haftungsproblematik bewusst. Die Haftungen wurden mitsamt den Aktien der Stadt Wien an der Bank Austria in die Stiftung eingebracht. Bank-Austria-Chef Gerhard Randa (Bild) musste einen Käufer für die größte Bank des Landes suchen.
Ursprünglich war die Stadt über die AVZ (siehe Artikelende) mit 40 Prozent der größte Aktionär der Bank Austria. Nach dem Verkauf und der Fusion mit der bayrischen HypoVereinsbank gehörten der AVZ 5,39 Prozent der Bayern-Bank. Der Anteil war 1,7 Milliarden Euro wert.
Die Stiftung war also richtig reich. Das sollte sich ändern. Die HVB samt Bank Austria wurde von der UniCredit übernommen und die Stiftung hielt nun Aktien der italienischen Großbank. Die Finanzkrise trieb den Kurs der Italiener in den Keller. Obendrein hatte die Stiftung inzwischen um einige Hundert Millionen Euro nachrangige Anleihen der Erste Bank erstanden, um die man damals ebenfalls zitterte. Eine Zeit lang schauten die 14 Stiftungsvorstände der Vermögensvernichtung zu, besteht doch der Stiftungszweck im Halten der Bank-Aktien. Als die Notbremse gezogen wurde und man Aktien verkaufte, war der Kurs schon längst tief unter Wasser.
Heute hält die Stiftung nur noch 0,2 bis 0,3 Prozent an der UniCredit sowie drei andere Beteiligungen. Das gesamte Vermögen ist auf rund 500 Millionen Euro geschmolzen, dafür ist die Stiftung schuldenfrei. Die Beteiligung am Verkehrsbüro (60,98 Prozent) ist mit rund 100 Millionen Euro bewertet. Der 25-prozentige Anteil am Geldkartenanbieter Card Complete mit 50 Millionen Euro und die 8,25 Prozent an der Kontrollbank mit 35 Millionen. Dazu kommen noch 5,05 Prozent an der Bank Austria Real Invest Immobilien-Management sowie Anleihen und Cash-Positionen. Sollte die Stiftung aufgelöst werden, kann Wien das Vermögen einkassieren.
Der bunt gemischte Stiftungsvorstand erneuert sich übrigens, ebenso wie der Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG, von selbst.
Warum Wien für Bank Austria haftet: 1990 wurde das operative Geschäft der Zentralsparkasse, einer Sparkasse der Gemeinde Wien,  mit der Länderbank  zur Bank Austria fusioniert.  Die einbringende Z blieb als  Holding AVZ (Anteilsverwaltung Zentralsparkasse)  weiter bestehen und war Hauptaktionär der Bank Austria. Laut Sparkassengesetz haftete die Gemeinde Wien für die Verbindlichkeiten der Bank Austria. 2000 wurde die AVZ in eine Privatstiftung umgewandelt, die Haftungen wanderten in die Stiftung.  
(KURIER) ERSTELLT AM 18.05.2014, 08:00



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