Donnerstag, 31. Juli 2014

Kritik an der Stadt Wien

Gegen Spekulanten: „Stadt schöpft nicht alles aus“

Grüne fordern vom Magistrat mehr Härte gegen Immobilienspekulanten, die Altmieter mit unseriösen Methoden vertreiben. Als Beispiel wurde die Immobilie einer Firma genannt, dessen Chef bei der Grünen Wirtschaft war.
Bis 2001 war das Haus im Besitz der Stadt Wien und wurde damals um knapp 3,8 Millionen Euro an die Lenikus GmbH verkauft. Seither versucht der Besitzer seine Mieter loszuwerden - so jedenfalls der Vorwurf, den am Donnerstag auch die Wiener Grünen bei einer Pressekonferenz erhoben. Geplant sei die Errichtung von Innenstadtbüros in bester Lage. Die Vermietung dieser ist freilich um einiges lukrativer als die der in die Jahre gekommenen Wohnungen, zumal die verbliebenen Mieter alte Mietverträge mit guten Konditionen haben. Seit der Aufsehen erregenden Räumung der "Pizzeria Anarchia" am vergangenen Montag sind die Praktiken von Immobilienspekulanten ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. 30 ähnliche Fälle soll es laut Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) aktuell geben.
Was ist aber mit Wiener Wohnen? Das Wohnen war einmal ein Menschenrecht! Wiener Wohnen hat es gebrochen und das auf mannigfache Weise. Der Mieter hat bei Wiener Wohnen keine Rechte, er hat nur Pflichten. Wenn er auf sein Recht pocht, dass er nach den MRG ja hat, wird ihm das schlecht bekommen. Die Stadt Wien bekämpft Wohnungsspekulation ja nicht erst seit gestern, heißt es aus dem Ludwig Büro. Da hat sich der leibe Herr Ludwig schön in die Nesseln gesetzt, denn auch er ist einer dieser Spekulanten, die er (natürlich) nicht strafrechtlich verfolgen will. Wer will sich schon selbst auf die Anklagebank bringen? Wenn es notwendig sei, schalte man natürlich auch die Staatsanwaltschaft ein, so Ludwig. Die Staatsanwaltschaft prüft und prüft und prüft, bis der Kläger gestorben ist. Prüft dann weiter, bis der Akt sich selbst auflöst, verkrümelt, nicht mehr gefunden werden kann. Die Staatsanwaltschaft ist eine Unterorganisation von Wiener Wohnen.

  (Die Presse)
Wien. Die Stadt schöpfe nicht alle Möglichkeiten aus, um gegen Immobilienspekulanten vorzugehen. Diese Kritik äußerte der grüne Planungssprecher Christoph Chorherr am Donnerstag. Die zuständigen Magistratsabteilungen müssten härter gegen Spekulanten durchgreifen, die Altmieter aus ihren Häusern ekeln wollten, so Chorherr anlässlich der Vorgänge rund um die „Pizzeria Anarchia“. Denn das sei kein Einzelfall.
Es wird nun auf allen Ebenen heftig darüber diskutiert, was man gegen jene Immobilienspekulanten machen kann, die versuchen, Altmieter aus ihren Häusern zu ekeln. Und noch immer ist die Frage offen, ob denn nun die Steuerzahler die Räumung des Hauses tragen müssen oder ob der Hauseigentümer dafür belangt werden kann. Er glaubt, dass ein Regress gegenüber dem Hauseigentümer geltend gemacht werden kann - die "Wiener Zeitung" hat darüber berichtet - und fordert eine juristische Prüfung. Von juristischer Seite wird allerdings ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch stark bezweifelt. Schließlich würden die dazu notwendigen Voraussetzungen - kausal verursachter Schaden, rechtswidriges Verhalten, Fahrlässigkeit oder Vorsatz und vorsätzlich sittenwidriges Verhalten und Verschulden - nicht vorliegen. "Es mangelt schon an einem rechtswidrigen Verhalten der Eigentümer", erklärt etwa Lisa-Maria Fidesser von der Rechtsanwaltskanzlei Preslmayr.
Konkret fordert Chorherr, dass Wien die Anträge bei der zuständigen Schlichtungsstelle selbst stellt, wenn ein Besitzer sein Haus verfallen lässt, um damit seine Mieter aus den Wohnungen zu bekommen. Damit würde die Stadt nicht nur Präsenz gegenüber Spekulanten zeigen, sie könnte auch die Immobilien unter Zwangsverwaltung stellen, die notwendigen Sanierungen durchführen lassen und dem Hauseigentümer in Rechnung stellen. „Die Gemeinde hat ein ziemliches Repertoire, das sie bisher noch nicht genutzt hat“, so Chorherr. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig konterte: Die Forderungen von Chorherr seien bereits umgesetzt – außer jene, die unrealistisch sind (Stichwort: Zwangsverwaltung). Man müsse sich schließlich an den Rechtsstaat halten.

Ex-Grüner als Spekulant

Zur Präsentation seiner Initiative gegen Spekulanten wählte Chorherr jedenfalls einen Ort nahe der Adresse Bauernmarkt1 im ersten Bezirk – eine Adresse, die bereits mehrfach in diesem Zusammenhang in den Medien war. Dieses Haus gehört der Immobilienfirma Lenikus, die in vergangenen Jahren oft einschlägig im Visier der Stadt stand – nachdem Mieter (nach dem Eigentümerwechsel) sich oft an die Stadt gewandt hatten, mit dem Vorwurf: Der neue Eigentümer wolle sie mit unschönen Methoden loswerden, um das Haus abzureißen, einen Neubau zu errichten und danach deutlich höhere Mieten zu verlangen. Was seitens Lenikus immer bestritten wurde. Die Stadt führte jedenfalls zahlreiche einschlägige Gerichtsverfahren mit dieser Immobilienfirma, der Prozess betreffend der Adresse Bauernmarkt 1 läuft noch. Wobei Firmenchef Martin Lenikus eine kontroversielle Persönlichkeit ist.
Früher hatte Lenikus den Ruf eines unangenehmen Immobilienspekulanten. Es gab zahlreiche Beschwerden von Mietern inklusive Prozesse. Im Laufe der Zeit verlagerte er seinen Fokus überraschend: Er redete von Nachhaltigkeit, war jahrelang Mitglied der Grünen Wirtschaft, engagierte sich bei Hotelprojekten, kaufte riesige Weingärten, betätigte sich als Winzer. Er förderte junge Künstler, stellte ihnen Gratis-Ateliers in ungenutzten Wohnungen zur Verfügung, zeigte eine soziale Ader, indem er der Flüchtlingshelferin Ute Bock Wohnungen in seinen Häusern zur Verfügung stellte. Eine Wandlung vom Saulus zum Paulus?
Was dagegen spricht: Die massiven Spekulationsvorwürfe und Prozesse bei seinen verbliebenen Immobilien reißen bis heute nicht ab. Und hinter dem sozialen Engagement für Ute Bock vermuten manche, er wolle Flüchtlinge in alte Häuser bringen, um dadurch die Altmieter zu vertreiben. Was Lenikus zurückgewiesen hat. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)
Unterdessen hat der grüne Stadtplanungssprecher Christoph Chorherr die Gründung einer Ethikkommission der Immobilienwirtschaft vorgeschlagen, deren Aussagen - ähnlich dem Presserat - zwar keine rechtlichen Konsequenzen, aber dafür öffentliche Relevanz hätten. Dieser Vorschlag wurde sowohl von SPÖ als auch von ÖVP begrüßt. Allerdings werde man Spekulationen nicht durch "schöne Worte und neue Regulierungen" verhindern, gab Landesparteiobmann Manfred Juraczka (ÖVP) zu bedenken.
 Im Büro des zuständigen Wohnbaustadtrats Michael Ludwig (SPÖ) sieht man den am Donnerstag geäußerten Vorschlag des grünen Koalitionspartners, künftig als Stadt etwa vor der Schlichtungsstelle gegen Immobilienspekulanten aufzutreten, skeptisch. Denn Mieter würden bereits „tagtäglich“ mit allen rechtlichen und behördlichen Mitteln unterstützt - u.a. durch Übernahme von Verfahrens- und Anwaltskosten. „Die Wahrung der Rechte des Mieters steht für uns im Vordergrund“, betonte ein Sprecher des Wohnbaustadtrats gegenüber der APA.


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