Gegen Spekulanten: „Stadt schöpft nicht alles
aus“
Grüne fordern vom Magistrat mehr Härte gegen
Immobilienspekulanten, die Altmieter mit unseriösen Methoden vertreiben. Als
Beispiel wurde die Immobilie einer Firma genannt, dessen Chef bei der Grünen
Wirtschaft war.
Bis 2001 war das Haus im Besitz der Stadt Wien und wurde damals um knapp
3,8 Millionen Euro an die Lenikus GmbH verkauft. Seither versucht der Besitzer
seine Mieter loszuwerden - so jedenfalls der Vorwurf, den am Donnerstag auch
die Wiener Grünen bei einer Pressekonferenz erhoben. Geplant sei die Errichtung
von Innenstadtbüros in bester Lage. Die Vermietung dieser ist freilich um
einiges lukrativer als die der in die Jahre gekommenen Wohnungen, zumal die
verbliebenen Mieter alte Mietverträge mit guten Konditionen haben. Seit der Aufsehen
erregenden Räumung der "Pizzeria Anarchia" am vergangenen Montag sind
die Praktiken von Immobilienspekulanten ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.
30 ähnliche Fälle soll es laut Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP) aktuell
geben.
Was ist
aber mit Wiener Wohnen? Das Wohnen war einmal ein Menschenrecht! Wiener Wohnen
hat es gebrochen und das auf mannigfache Weise. Der Mieter hat bei Wiener Wohnen keine Rechte, er hat nur Pflichten.
Wenn er auf sein Recht pocht, dass er nach den MRG ja hat, wird ihm das
schlecht bekommen. Die Stadt Wien bekämpft Wohnungsspekulation ja nicht erst
seit gestern, heißt es aus dem Ludwig Büro. Da hat sich der leibe Herr
Ludwig schön in die Nesseln gesetzt, denn auch er ist einer dieser Spekulanten,
die er (natürlich) nicht strafrechtlich verfolgen will. Wer will sich schon
selbst auf die Anklagebank bringen? Wenn es notwendig sei, schalte man
natürlich auch die Staatsanwaltschaft ein, so Ludwig. Die Staatsanwaltschaft
prüft und prüft und prüft, bis der Kläger gestorben ist. Prüft dann weiter, bis
der Akt sich selbst auflöst, verkrümelt, nicht mehr gefunden werden kann. Die
Staatsanwaltschaft ist eine Unterorganisation von Wiener Wohnen.
(Die Presse)
Wien. Die Stadt schöpfe nicht alle Möglichkeiten aus, um gegen
Immobilienspekulanten vorzugehen. Diese Kritik äußerte der grüne
Planungssprecher Christoph Chorherr am Donnerstag. Die zuständigen
Magistratsabteilungen müssten härter gegen Spekulanten durchgreifen, die
Altmieter aus ihren Häusern ekeln wollten, so Chorherr anlässlich der Vorgänge
rund um die „Pizzeria Anarchia“. Denn das sei kein Einzelfall.
Es wird nun auf allen Ebenen
heftig darüber diskutiert, was man gegen jene Immobilienspekulanten machen
kann, die versuchen, Altmieter aus ihren Häusern zu ekeln. Und noch immer ist
die Frage offen, ob denn nun die Steuerzahler die Räumung des Hauses tragen
müssen oder ob der Hauseigentümer dafür belangt werden kann. Er glaubt, dass ein Regress
gegenüber dem Hauseigentümer geltend gemacht werden kann - die "Wiener
Zeitung" hat darüber berichtet - und fordert eine juristische Prüfung. Von
juristischer Seite wird allerdings ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch
stark bezweifelt. Schließlich würden die dazu notwendigen Voraussetzungen -
kausal verursachter Schaden, rechtswidriges Verhalten, Fahrlässigkeit oder
Vorsatz und vorsätzlich sittenwidriges Verhalten und Verschulden - nicht
vorliegen. "Es mangelt schon an einem rechtswidrigen Verhalten der
Eigentümer", erklärt etwa Lisa-Maria Fidesser von der Rechtsanwaltskanzlei
Preslmayr.
Konkret fordert Chorherr, dass Wien die
Anträge bei der zuständigen Schlichtungsstelle selbst stellt, wenn ein Besitzer
sein Haus verfallen lässt, um damit seine Mieter aus den Wohnungen zu bekommen.
Damit würde die Stadt nicht nur Präsenz gegenüber Spekulanten zeigen, sie
könnte auch die Immobilien unter Zwangsverwaltung stellen, die notwendigen
Sanierungen durchführen lassen und dem Hauseigentümer in Rechnung stellen. „Die
Gemeinde hat ein ziemliches Repertoire, das sie bisher noch nicht genutzt hat“,
so Chorherr. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig konterte: Die Forderungen von
Chorherr seien bereits umgesetzt – außer jene, die unrealistisch sind
(Stichwort: Zwangsverwaltung). Man müsse sich schließlich an den Rechtsstaat
halten.
Ex-Grüner als Spekulant
Zur Präsentation
seiner Initiative gegen Spekulanten wählte Chorherr jedenfalls einen Ort nahe
der Adresse Bauernmarkt1 im ersten Bezirk – eine Adresse, die bereits mehrfach
in diesem Zusammenhang in den Medien war. Dieses Haus gehört der
Immobilienfirma Lenikus, die in vergangenen Jahren oft einschlägig im Visier
der Stadt stand – nachdem Mieter (nach dem Eigentümerwechsel) sich oft an die
Stadt gewandt hatten, mit dem Vorwurf: Der neue Eigentümer wolle sie mit
unschönen Methoden loswerden, um das Haus abzureißen, einen Neubau zu errichten
und danach deutlich höhere Mieten zu verlangen. Was seitens Lenikus immer
bestritten wurde. Die Stadt führte jedenfalls zahlreiche einschlägige
Gerichtsverfahren mit dieser Immobilienfirma, der Prozess betreffend der Adresse
Bauernmarkt 1 läuft noch. Wobei Firmenchef Martin Lenikus eine kontroversielle
Persönlichkeit ist.
Früher hatte Lenikus den Ruf eines
unangenehmen Immobilienspekulanten. Es gab zahlreiche Beschwerden von Mietern
inklusive Prozesse. Im Laufe der Zeit verlagerte er seinen Fokus überraschend:
Er redete von Nachhaltigkeit, war jahrelang Mitglied der Grünen Wirtschaft,
engagierte sich bei Hotelprojekten, kaufte riesige Weingärten, betätigte sich
als Winzer. Er förderte junge Künstler, stellte ihnen Gratis-Ateliers in
ungenutzten Wohnungen zur Verfügung, zeigte eine soziale Ader, indem er der
Flüchtlingshelferin Ute Bock Wohnungen in seinen Häusern zur Verfügung stellte.
Eine Wandlung vom Saulus zum Paulus?
Was dagegen spricht: Die massiven
Spekulationsvorwürfe und Prozesse bei seinen verbliebenen Immobilien reißen bis
heute nicht ab. Und hinter dem sozialen Engagement für Ute Bock vermuten
manche, er wolle Flüchtlinge in alte Häuser bringen, um dadurch die Altmieter
zu vertreiben. Was Lenikus zurückgewiesen hat. (red.)
("Die
Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)
Unterdessen hat der grüne
Stadtplanungssprecher Christoph Chorherr die Gründung einer Ethikkommission der
Immobilienwirtschaft vorgeschlagen, deren Aussagen - ähnlich dem Presserat -
zwar keine rechtlichen Konsequenzen, aber dafür öffentliche Relevanz hätten.
Dieser Vorschlag wurde sowohl von SPÖ als auch von ÖVP begrüßt. Allerdings
werde man Spekulationen nicht durch "schöne Worte und neue
Regulierungen" verhindern, gab Landesparteiobmann Manfred Juraczka (ÖVP)
zu bedenken.
Im
Büro des zuständigen Wohnbaustadtrats Michael Ludwig (SPÖ) sieht man den am
Donnerstag geäußerten Vorschlag des grünen Koalitionspartners, künftig als
Stadt etwa vor der Schlichtungsstelle gegen Immobilienspekulanten aufzutreten,
skeptisch. Denn Mieter würden bereits „tagtäglich“ mit allen rechtlichen und
behördlichen Mitteln unterstützt - u.a. durch Übernahme von Verfahrens- und
Anwaltskosten. „Die Wahrung der Rechte des Mieters steht für uns im
Vordergrund“, betonte ein Sprecher des Wohnbaustadtrats gegenüber der APA.
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