Donnerstag, 27. März 2014

Gestalter, Verwalter, Parteisoldaten – der SPÖ Parteitag in Rust

Wenn Wahlen nahen, wird die SPÖ aktiv! Zum Auftakt des Arbeitstreffens der Rathaus-Genossen setzte es gleich einmal Spitzen gegen den grünen Koalitionspartner. Nichts ist ihnen zu schlecht, jetzt zeigen sie uns ihr wahres Gesicht.
Die SPÖ hat sich im burgenländischen Rust eingefunden, wobei der Parteitag ganz im Zeichen der bevorstehenden EU-Wahl stand. Natürlich, der Wähler möchte wieder einmal belogen werden. Es präsentiert jeder SP-Stadtrat seine Leuchtturmprojekte. Also Projekte, die der Wiener SPÖ wieder die Themenführerschaft bringen sollen – die zeigen sollen, wofür die Partei heute steht. Mit diesen Prestigeprojekten wird die SPÖ in den Wahlkampf für die Wien-Wahl 2015 ziehen – so hat es SP-Chef Häupl vorgegeben. Für die Stadträte geht es darum, ihren Chef nachhaltig zu beeindrucken. Immerhin könnte die SPÖ 2015 einen Stadtratsposten verlieren – in dieser Situation will jeder vor Häupl glänzen. Doch wie sieht die bisherige Bilanz der jeweiligen Stadträte aus? 
Den undankbarsten Job hatte Finanzstadträtin Renate Brauner. Die Schulden der Stadt sind durch die Wirtschaftskrise massiv gestiegen, es gab dramatische Ausfälle bei den Steuereinnahmen, während die Kosten für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (vorgezogene bzw. neue Bauprojekte etc.) explodierten. Die Folge: Rekordschulden in Wien (4,5 Milliarden Euro), während die Stadt im Jahr 2016 ein Nulldefizit erreichen muss. Bisher bewegt sich Wien allerdings im geplanten Budgetpfad – die neuen Schulden werden jährlich kontinuierlich zurückgefahren, sodass 2016 ein Nulldefizit zwar sehr schwierig, aber durchaus realistisch ist. Zusätzlich baut Brauner langsam die umstrittenen Franken-Kredite der Stadt ab. Das passierte allerdings nur durch öffentlichen Druck. Als Finanzstadträtin hat Brauner aber eine beispiellose Gebührenlawine zu verantworten. Anstatt zu sparen, wurden die Wiener in allen Bereichen ordentlich zur Kasse gebeten. Als Chefin der Wiener Linien hat Brauner dafür mit den U5-Planungen ein wichtiges Projekt wiederbelebt.
Den (für die SPÖ) politisch heikelsten Job hat Sandra Frauenberger. Die Stadträtin für Integration, Frauen und Märkte muss für die Häupl-Partei das emotionale Integrationsthema managen. Damit die FPÖ 2015 in Wien nicht die 30-Prozent-Marke sprengt. Bisher hat Frauenberger diesen Job recht gut erledigt – das Ausländerthema ist nicht mehr so präsent wie früher. Das liegt an mehreren Projekten, aber auch an Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP). Unter Frauenberger wurden zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um Migranten besser zu integrieren (Integrationsbegleitung, Wiener Vertrag für Neuzuwanderer), sie werden nun auch in die Pflicht genommen. Frauenberger hat auch versucht, mit Sachlichkeit (Fakten und statistische Zahlen z. B. Zuwandererkommission, Integrationsmonitor) Emotionen aus diesem Thema zu nehmen. Fest steht: Der massive Aufwärtstrend der FPÖ mit dem Ausländerthema in Wien wurde in Umfragen und Wahlen zumindest (bisher) gestoppt.
Völlig andere Probleme hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Durch Integrations- und Sicherheitsmaßnahmen zieht das Thema Ausländer für die FPÖ im Gemeindebau nicht mehr so gut wie früher. Dafür kämpft Ludwig mit heftiger Kritik wegen explodierender Mieten. Das betrifft zwar hauptsächlich den privaten Wohnungsmarkt, der gerät aber unter Druck, sobald die Stadt wenig geförderte Wohnungen anbietet. Zuerst hat sich Ludwig vom grünen Koalitionspartner das Mietenthema abnehmen lassen, hat es aber wieder zurückgeholt. Ludwig hat aber Smart-Wohnungen  gegen steigende Mieten eingeführt. Mit Brauner hat er die Wohnbauinitiative gestartet, womit Wien trotz knappen Geldes 6300 zusätzliche Wohnungen bauen kann. Siehe auch: http://wp.me/ppWn1-27; http://charlykappel.blogspot.co.at/; http://derdreck.blogspot.co.at/
Andreas Mailath-Pokorny berühren völlig andere Dinge. Er hat (nach langen Querelen) das neue Wien-Museum auf Schiene gebracht. Beim Standort hat er allerdings den Kürzeren gezogen. Es kommt nicht beim Hauptbahnhof, sondern beim alten Standort – so wie es Wolfgang Kos, Direktor des Wien-Museums, wollte. Ansonst hat Mailath-Pokorny (mit den Grünen) die Prüfung von belasteten Straßennamen in Wien umgesetzt. Der Karl-Lueger-Ring wurde (auch auf Wunsch der Uni Wien) in Universitätsring umbenannt, Wien beginnt hier, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Das lange diskutierte NS-Deserteursdenkmal wird am Ballhausplatz umgesetzt – 2013 wurde mehr Geld für die geplante Sanierung der jüdischen Friedhöfe bereitgestellt.
Einen großen Themenbereich hat Christian Oxonitsch: Jugend, Bildung, Information und Sport. Der heute 51-Jährige, der als umgänglich gilt, übernahm 2009 das Ressort von Grete Laska. Er ist in der Wiener SPÖ sehr gut vernetzt – nicht zuletzt, weil er in Häupls Heimatbezirk, Ottakring, politisch aktiv war. Außerdem war er vor dem Stadtratsjob Klubchef der Wiener SPÖ. Er wurde früher auch immer wieder als Favorit für eine mögliche Häupl-Nachfolge genannt.
Inhaltlich räumte Oxonitsch mit dem von Laska hinterlassenen Chaos beim Thema Gratiskindergarten auf, erreichte bei der Kinderbetreuung das Barcelona-Ziel (33 Prozent Betreuungsgrad bei den unter Dreijährigen) und ließ auch offen Missbrauchsvorwürfe in Wiener Kinderheimen aufarbeiten (Wilhelminenberg-Kommission). In der Ausbildung von Kindergartenpädagogen wird ihm dagegen Säumigkeit vorgeworfen.
Einen Dämpfer bekam Oxonitsch, als bekannt wurde, dass es bei der Sanierung des Stadthallenbades Pfusch und Missmanagement gegeben hat und das Bad vor zwei Jahren gesperrt werden musste. Das Bad soll angeblich heuer wieder voll aufgesperrt werden. Wer tatsächlich schuld an der Misere ist, ist vorerst noch nicht ganz klar.
Ulrike Sima war 2010 schon sechs Jahre lang Umweltstadträtin, als sie 2010 bei der rot-grünen Regierungsbildung in Wien als mögliche Rücktrittskandidatin gehandelt wurde. Als aber die Grünen dann das Verkehrs- und Stadplanungsressort übernahmen, blieb Sima. Sie verwalte mehr, als sie gestalte, wird ihr oft vorgeworfen. Außerdem betreue sie viele „Wohlfühlthemen“: Also Sauberkeitskampagnen in der Stadt, weniger Hundekot, weniger Hundebisse, Verleihung von Umweltpreisen. Dieser Vorwurf störe sie nicht, meint Sima in Interviews. Das sei wichtig für eine saubere Stadt. In der Frage des Tierschutzes gab es zwar Kontroversen mit Tierschützern, aber mittlerweile hat Sima das Projekt eines neuen Tierschutzhauses nördlich der Donau durchgezogen und auch mit dem Tierheim in Vösendorf einen Modus Vivendi gefunden. Bei den großen Themen wie Feinstaub oder Klimaschutz ist weniger zu hören. Teils auch deshalb, weil da viele Kompetenzen beim Bund liegen.
Die frühere Integrationsstadträtin Sonja Wehsely führt nun schon seit 2007 das schwierige Gesundheitsressort. Die großen Brocken wie Spitalsreform brachte sie erfolgreich auf Schiene. Beim Thema Krankenhaus Nord gab es anfangs einige Probleme, mittlerweile sind diese einigermaßen im Griff. Derzeit gibt es bei der Umsetzung der Spitalsreform Kollisionen mit Interessengruppen wie etwa den Primarärzten. Die Geriatrie- und Psychiatriereform wurden in die Wege geleitet. Wehsely gilt als loyale SPÖ-Vertreterin.
Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann hat am Donnerstag die Hypo-Lösung bei der Wiener SPÖ-Klubtagung in Rust verteidigt. Eine Insolvenz der Bank oder gar eines Bundeslandes sei keine Lösung gewesen, versicherte er. Stattdessen solle ein Großteil durch die Bankenabgabe finanziert werden - die es auch in der nächsten Legislaturperiode noch geben soll, wenn es nach dem Wunsch des Kanzlers geht.
Faymann ging in seiner Rede auch auf die bevorstehende EU-Wahl ein. Eine wichtige Frage, der man sich widmen müsse, sei etwa jene, ob ein faires und menschenwürdiges Leben in Europa für alle möglich sei. Nicht der Fall sei dies, wenn etwa Spitäler oder Bildungssysteme nicht mehr finanziert werden könnten. Auch die Situation am Jobmarkt sei derzeit schwierig.
"Die Internationalisierung und Globalisierung bedeutet, dass Standards, die wir in Österreich haben - ordentliches Trinkwasser, Steuersysteme, die Sozialsysteme finanzieren oder faire Löhne - in Gefahr sind", beteuerte er. Dies vor allem deswegen, weil Neoliberale eine "ganz einfache Antwort" auf die Krise geben wollten: "Nämlich weniger Staat, noch weniger Gestaltungsmöglichkeit, noch weniger Instrumente der Demokratie."
Der Bundeskanzler warnte auch davor, im Zuge von Handelsabkommen Standards abzubauen. Lobbyisten würden bei der Zusammenführung von Wirtschaftsräumen oft durch die Hintertüre mit ihren Themen auftreten. Verlangt würden etwa der Abbau von Arbeitnehmerschutzbestimmungen oder das Aus für Umweltstandards.
So folgte nach der Rede von Bundeskanzler Werner Faymann nicht wie gewohnt jene von Bürgermeister Michael Häupl, sondern eine Podiumsdiskussion mit der ehemaligen EU-Staatssekretärin Brigitte Ederer und dem Spitzenkandidaten der SPÖ für die EU-Wahlen Eugen Freund.
Wiens Bürgermeister Michael Häupl steigt gegen einen Spanier auf die Barrikaden. Joaquin Almunia ist EU-Kommissar und oberster Hüter in Sachen Wettbewerb. Dessen Richtlinien zum geförderten Wohnbau sehen Vergaben nur an sozial benachteiligte Schichten vor. In Holland und Schweden hat dies bereits dazu geführt, dass Besserverdiener aus dem sozialen Wohnbau ausgeschlossen wurden. Hält der EU-Kommissar an seinem Kurs fest, könnte er das Modell des sozialen Wohnbaus in Wien gehörig ins Wanken bringen. Angesichts dessen, dass aktuell 18.000 Personen, die in Wien erstmals für eine Gemeindewohnung vorgemerkt seien – wozu noch 12.500 sogenannte Jungwiener-Vormerkungen kämen - stelle sich schon die Frage, warum die Gemeinde Wien schon vor über zehn Jahren die Errichtung von Gemeindewohnungen eingestellt habe. Was Wien braucht, sind
leistbare Gemeindewohnungen, die dem Bedürfnis und dem Recht der Wiener Bevölkerung auf eine Wohnung entsprechen.

Die Stadt Wien will schwachen Schülern bzw. deren Familien das Leben erleichtern. Deshalb wird sie künftig kostenlosen Nachhilfeunterricht für alle Sechs- bis 14-Jährigen an Schulen anbieten, kündigte Bürgermeister Michael Häupl bei der Klubtagung an. Starten soll das Projekt im Herbst. Eltern in Österreich geben viel Geld für Nachhilfe aus, was nicht unbedingt Vertrauen zum Schulsystem schafft. Nun will aber Häupl auch in Nachhilfe investieren. Es ist jedes Mittel Recht, das hilft die teils katastrophalen Bildungskarrieren von Wiener Schüler/innen zu verbessern. Wie PISA zeigt sind Wiens
Schüler/innen Schlusslicht in Österreich. Auch der Wiener Lesetest zeigt dringenden Handlungsbedarf - knapp ein Viertel von Wiens Pflichtschüler/innen kann nach Abschluss der Volksschule nicht/kaum
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Unter dem Titel "Förderung 2.0" sollen 400 zusätzliche Lehrer aufgenommen werden und jene Schüler, die Hilfe beim Lernen und bei Hausaufgaben benötigen, zu unterstützen. Das ist ungefähr eine Lehrkraft mehr pro städtischer Pflichtschule. Für AHS-Besucher - sie fallen eigentlich in die Kompetenz des Bundes - soll es Kooperationen mit Bildungseinrichtungen wie den Volkshochschulen geben, hieß es. Offen ist die Frage woher Häupl die zusätzlichen 400 Lehrer/innen nehmen will. Wien hat heute, so Leeb, nicht einmal ausreichend Lehrer für den regulären Schulbetrieb - aktuell fehlen in Wien bis zu 200 Lehrer/innen.

Im Mittelpunkt stehen Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften sowie Fremdsprachen. 18 bis 20 Millionen Euro pro Jahr sind dafür budgetiert. Vorgesehen sind laut derzeitigem Plan rund 22 Wochenstunden pro Schule, und zwar in Form von Gruppenunterricht. Der Wiener Stadtschulrat will sich erst äußern, wenn das Projekt offiziell vorgestellt wird.

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