Donnerstag, 27. März 2014

Bilanz der österreichischen Regierung - Pleiten, Pech und Pannen

Meret Baumann, Wien Dienstag, 25. März 2014, 16:40

Die ersten drei Monate der Regierung in Österreich wurden überschattet vom Debakel um die Bank Hypo Alpe Adria. Es ist aber nicht das einzige Problem für die große Koalition.
Diese Woche sind es hundert Tage, die seit der Vereidigung des zweiten Kabinetts von Bundeskanzler Werner Faymann vergangen sind. Und obwohl die große Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und bürgerlicher Volkspartei (ÖVP) bereits in den fünf Jahren zuvor in ähnlicher Konstellation regiert hatte, ist der Ablauf dieser traditionellen Schonfrist hiesigen Medien breiten Raum wert. Das vermag insofern kaum zu erstaunen, als die alte und neue Regierung seit der Wahl von Ende September wahrlich keine gute Figur machte. Angesichts eines historisch schlechten Ergebnisses für die beiden ehemaligen Großparteien, die gemeinsam nur noch 50,8 Prozent der Stimmen erreichten, versprachen SPÖ und ÖVP große Reformen und einen «neuen Stil». Doch stattdessen stolpert die Regierung von Missgeschick zu Missgeschick.

Es fehlen Milliarden

Schon die so genannte Angelobung in der Hofburg wurde überschattet von den heftigsten Protesten seit der Vereidigung der schwarz-blauen Koalition von Wolfgang Schüssel im Jahr 2000. Unmittelbarer Anlass war damals die der Personalpolitik innerhalb der ÖVP geschuldete, inhaltlich aber kaum nachvollziehbare Abschaffung des Wissenschaftsministeriums zugunsten eines personell und finanziell schwach dotierten Familienministeriums. Zuvor hatte aber bereits das Auftauchen eines Budgetlochs von offiziell rund 24 Milliarden Euro bis 2018 für Unmut gesorgt. Davon war vor der Wahl keine Rede gewesen; es brauchte einen «Kassensturz», um den Fehlbetrag zu entdecken.
Das Chaos brachte der Regierung nicht nur vernichtende Kritik ein – selbst seriöse Medien bezichtigten sie der Lüge –, sondern zwang sie auch, anstatt der versprochenen Steuererleichterungen als erste Amtshandlung ein milliardenschweres Belastungspaket zu schnüren. 500 Millionen Euro müssen zudem die Ministerien einsparen, wobei offenbar doch noch Spielraum bestand für soziale Wohltaten wie die Erhöhung der Familienbeihilfe und die Kostenerstattung für die Zahnspange von Kindern. Dennoch soll das strukturelle Nulldefizit nach wie vor 2016 erreicht werden, wobei Spötter argwöhnen, dieses Ziel liege stets zwei Jahre entfernt.
Die Finanzplanung droht ohnehin zur Makulatur zu werden. Die Folgen des Finanzskandals um die Kärntner Bank Hypo Alpe Adria mochte vor der Wahl niemand wirklich thematisieren, nun holen sie die Republik aber mit voller Wucht ein. Mit dem Entscheid für eine Abbaugesellschaft hat die Regierung kürzlich endlich einen Schritt zur Klärung der Zukunft des maroden Instituts getan. Noch offen ist allerdings, wie viel das Debakel den Staat tatsächlich kosten wird. Im schlimmsten Fall sind es fast 18 Milliarden Euro, und die Zeitung «Die Presse» schrieb letzte Woche in einem Kommentar, dass das Worst-Case-Szenario in diesem Fall noch immer eingetreten sei.
Nun hat die Regierung das Pech, ausbaden zu müssen, was der inzwischen verstorbene freiheitliche Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider ursprünglich verursacht hatte. Allerdings haben die dilettantische Notverstaatlichung 2009 und das zögerliche Agieren seither massgeblich zum Schaden beigetragen, wofür Faymann und der ÖVP-Chef Michael Spindelegger durchaus Verantwortung tragen. Dazu kommt die Weigerung, die Ereignisse im Zusammenhang mit der Hypo im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufzuarbeiten. Stattdessen hat die Regierung eine Untersuchungskommission eingesetzt – im Gegensatz zum parlamentarischen Ausschuss bindet dieser die Opposition nicht ein, und Kompetenzen und Ressourcen sind völlig offen. Die Zeitung «Der Standard» warf der Regierung vor, mit diesem «Ballkomitee» ein wesentliches Mittel zur Kontrolle zu unterbinden, was von mangelnder Souveränität zeuge. Sie ramponiere damit nicht nur ihr eigenes, sondern das Ansehen der Politik allgemein.

Gravierendes Datenleck

Aufgrund der Diskussionen über die Hypo geriet alles andere zur Nebensache, etwa auch eine gravierende Panne im Bildungsministerium, die im Februar vorübergehend den unbefugten Zugriff auf Testdaten von 400 000 Schülern ermöglichte. Doch auch Positives ging in der Hysterie um die Hypo unter, etwa die Aufstockung der österreichischen Blauhelmsoldaten in Kosovo und Bosnien, nachdem der überstürzte Abzug vom Golan im vergangenen Frühling für Kritik gesorgt hatte. Beobachter attestieren der Regierung zudem, dass sie zumindest nach aussen geeinter auftritt als in der letzten Legislaturperiode, was Faymann gerne als den versprochenen «neuen Stil» bezeichnet. So haben Mitte Februar SPÖ und ÖVP erstmals seit fünfzig Jahren gemeinsam des kurzen Bürgerkriegs im Jahre 1934 gedacht, in dem sich Sozialdemokraten und Christlichsoziale bekämpft hatten. Insgesamt ziehen Beobachter und Politologen aber eine negative Bilanz dieser ersten hundert Tage und empfehlen der Regierung, nun endlich die in Aussicht gestellten Reformen anzugehen. Es kann ohnehin fast nur besser werden.
"Man muss das erfolgreiche Land Österreich nicht neu erfinden. Wir sind ein Vorbild in Europa", leitete Bundeskanzler Werner Faymann am Ende langer Koalitionsverhandlungen die Pressekonferenz zum neuen Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP im Dezember vergangenen Jahres ein. Nach 100 Tagen des Kabinetts Faymann II ist in dieser Aussage deutlich die inoffizielle Doktrin der Regierung zu erkennen: Anstelle von großen Reformen steht die nüchterne Verwaltung des bereits Bestehenden im Vordergrund.

Das Tempo der neuen Regierung ist dementsprechend gemächlich. Ein neues Steuerpaket, eine Gehaltserhöhung für Beamte, die Anhebung der Familienbeihilfe, sowie die Aufstockung der Bundesheerkontingente in Bosnien und im Kosovo, sind die nennenswerteren Leistungen der Regierung in den vergangenen Monaten. Größere Reformvorhaben - etwa in der Verwaltung - blieben aus. "Es fehlt der Mut zur größeren Entscheidungen - etwa, was den Parlamentarismus betrifft, der Mut zum koalitionsfreien Raum, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht, sowie in der Bildungspolitik. Da blockiert weiterhin jeweils eine Partei die andere", so Anton Pelinka von der Central European University in Budapest.

Faymann und Spindelegger aufeinander angewiesen

Die harmonische Zusammenarbeit ist für die beiden Regierungsparteien ein realpolitisches Muss, denn Neuwahlen würden laut jüngsten Umfragen katastrophal für Rot und Schwarz enden. Dr. Peter Filzmaier vom Institut für Strategieanalysen in Wien unterstreicht, dass das politische Überleben von Michael Spindelegger und Werner Faymann primär von der Zusammenarbeit mit dem jeweils Anderen abhängt: "Aufgrund der jahrzehntelangen Tradition eines Dauerstreits zwischen SPÖ und ÖVP wird aus Sicht der breiten Öffentlichkeit und auch vieler Medien jede öffentliche Diskussion als Regierungskonflikt empfunden, obwohl Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger in Wahrheit inzwischen sorgsam um Gemeinsamkeiten bemüht sind. Beide wissen sehr gut, dass sie beim Koalitionspartner keine Alternative hatten."
Die neue Regierung ist nach 100 Tagen noch immer fragil. Kanzler und Vizekanzler verzichten in der Öffentlichkeit auf gegenseitige Attacken, doch ist Letzterer in der ÖVP mit so vielen internen Gegnern konfrontiert, dass sein Amt als Parteichef fast permanent am seidenen Faden hängt. Laut Insidern muss der Parteichef bei fast jedem Regierungsbeschluss zittern, ob nicht die eigenen Teilorganisationen ihre Gefolgschaft verweigern.

"Die Bundesregierung ist mit ihrem ambitionierten Programm bisher sehr gut unterwegs", unterstrich Sozialminister Rudolf Hundstorfer angesichts der ersten 100 Tage der Bundesregierung Faymann II. Von was für ein ambitioniertes Programm handelt es sich da? Insgesamt 550 Millionen Euro werden für Maßnahmen wie etwa die Förderung älterer ArbeitnehmerInnen und eine  Lohnnebenkostensenkung bereitgestellt. "350 Millionen Euro davon sind in den nächsten drei
Jahren zur Beschäftigungsförderung für die Generation 50+ reserviert, um sie beim Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu unterstützen. 60.000 Personen werden davon profitieren", sagte Hundstorfer. Ganz zu schweigen von dem Hypo Desater, da werden 17 Milliarden bereitgestellt, von uns Steuerzahler, da werden wir wie die Gänse gerupft, und für die Arbeitslosen werden mickrige 350 Million bereitgestellt.
Um es kurz auf den Nenner zu bringen: Die Koalitionsregierung hat sich selbst ins Out geschossen. Sie hat uns gezeigt, dass sie nicht weiter weiß, wenn sie überhaupt etwas gewusst hat. Das Chaos was sie zu tragen hat, das geht nicht einfach so weg, da gehört schon Mut dazu und den besitzt diese Regierung nicht. Auch die FAZ hat es schon erkannt, sie hat doch wirklich gemeint, tu felix Austria, hast nicht nur einen Spindelegger, sondern auch einen Schwindelegger. Und das diese beiden, Kanzler und Vizekanzler, voneinander abhängig sind, dass dürfte wohl auch niemanden überraschen. Wenn Spindelegger geht, dann muss auch Faymann gehen. Die Koalitionsregierung wackelt, sie knirscht, sie ist kurz vor dem Untergehen. Und niemand weint ihr eine Träne nach.

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