Donnerstag, 30. Juli 2015

Neue Gemeindebau-Regeln: "Das ist diskriminierend"


Seit 1. Juli gelten in der Bundeshauptstadt neue Richtlinien für die Vergabe von Sozialwohnungen. "Echte Wiener" sollen so bevorzugt werden, doch schon jetzt herrscht Aufregung. Grund: Wiener Wohnen ordnet die Liste der Wartenden neu. Bei Volksanwältin Gertrude Brinek trudeln täglich Beschwerden ein: "Das System ist diskriminierend."
Betroffen sind vor allem Zugezogene aus den Bundesländern. Schon am ersten Tag gingen vier Beschwerden über das "Wohn-Ticket" bei der Volksanwaltschaft ein. "Und es werden laufend mehr", sagt Brinek. Wartende sollen "massiv zurückgereiht" werden, einige von ihnen entsprechen plötzlich nicht mehr den Kriterien. In einem Fall wurde der Betroffene von Wiener Wohnen informiert, dass er vom ersten auf den siebenten Listenplatz zurückfällt. Ein anderer Kandidat geht nun komplett leer aus, "weil er nicht durchgehend an einer Adresse gemeldet war".

16.500 Menschen warten auf Gemeindebauwohnung

16.500 Personen erfüllen die Kriterien und warten aktuell auf eine Gemeindebauwohnung.  Personen aus dem Wiener Umland oder Studierende ohne viele Meldejahre haben kaum Chancen. Sogar bei "echten Wienern" soll das System nicht aufgehen. Auch hier gibt es erste Beschwerden: Wer kurzzeitig ins Umland gezogen ist und nicht durchgehend gemeldet war, wird zurückgereiht. Brinek: "Es sind nicht hauptsächlich Personen mit Migrationshintergrund, die vom System betroffen sind."
Laut Brinek stehe das Wiener "Wohn-Ticket" auch in Konflikt mit demEU-Recht: "In einer Zeit, in der Mieten und Betriebskosten massiv gestiegen sind, werden langjährige Leistungsträger benachteiligt."

"Beim Supermarkt stellt man sich auch hinten an"

Bereits in der Vergangenheit warfen die Grünen dem SP-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig vor, "FPÖ-Wählern schmeicheln" zu wollen. Im Interview mit der "Krone" erklärt Ludwig seine Sicht der Dinge:
"Krone": Herr Ludwig, wie lange wartet man durchschnittlich auf eine Gemeindewohnung?Michael Ludwig: Das hängt stark von den individuellen Wünschen ab. Wer sich etwa ausschließlich für eine Wohnung in den Innenbezirken anmeldet, wartet natürlich länger. Durchschnittlich liegt die Dauer zwischen einem Jahr und eineinhalb Jahren.
"Krone": Wie wird das neue Vergabesystem angenommen?Ludwig: Nach den ersten Wochen sind wir äußerst zufrieden. Selbstverständlich gibt es, wie bei jeder Neuerung, da oder dort vermehrten Beratungsbedarf, aber darauf waren wir gut vorbereitet.
"Krone": Zuletzt gab es Kritik wegen des Bonus für Langzeit-Wiener- zu Recht?Ludwig: Nein. Schon bisher musste man für eine Gemeindewohnung zwei Jahre in Wien wohnhaft sein. All jene, die länger hier leben, bekommen nun einen Bonus. Wer im Supermarkt an die Kasse geht, stellt sich schließlich auch hinten in der Reihe an.
"Krone": Die Volksanwaltschaft prüft die Vergabekriterien auf Diskriminierung...Ludwig: Auch die Volksanwaltschaft begrüßt die Neuregelung im Sinne einer transparenten Wohnungsvergabe. Gleichzeitig wurde die Stadt ersucht, zu drei Beschwerdefällen eine Stellungnahme abzugeben. Jeder Fall wird nun im Einzelnen geprüft.
Maida Dedagic und Alexandra Halouska, Kronen Zeitung/red



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