Dienstag, 7. Juli 2015

Häupl muss handeln

Der Wiener Bürgermeister hat durch demonstratives Nichtstun Werner Faymanns Haut gerettet. Vorerst. Auf Dauer kann das auch für ihn selbst nicht gut gehen.


Ganz so sehe ich das nicht. Häupl hat nicht Faymanns Haut gerettet, so gut verstehen sie sich gar nicht, sondern Häupl hat seine eigene gerettet. Wie die ganze SPÖ steht auch Häupl mit dem Rücken zur Wand. Ein zurück gibt es nicht mehr, es kann nur mehr ein nach-vor geben und das ist für die SPÖ schwierig. Die letzten Jahre haben uns gezeigt für was die SPÖ steht; es hat lang gedauert, aber schließlich, haben die Leute erkennen müssen, dass sie belogen und betrogen wurden; das Ergebnis kann ein jeder an den Wahlergebnissen ablesen.

Der Wiener Bürgermeister hat wieder einmal ein Machtwort gesprochen, Werner Faymann darf (noch) politisch weiterleben. Er sehe überhaupt keinen Anlass für eine Personaldebatte, schnappte Häupl vor der jüngsten SPÖ-Vorstandssitzung in Richtung Journalisten. Dabei wird es da wohl um mehr gegangen sein als um die Neubesetzung der Bundesgeschäftsstelle.
Wie auch immer, der mächtige Chef der Wiener SPÖ stellt sich – erstaunlich genug – vor den Bundeskanzler, dessen Politik ihn derzeit sogar laut SPÖ-internen Umfragen gut und gerne fünf Prozent an Wählerstimmen kosten könnte.

Ratlose Genossen

Warum tut er nichts – das fragen sich derzeit wohl viele, in und außerhalb der SPÖ. Auch in der Gewerkschaft ist man, so hört man, eher ratlos – haben doch führende Gewerkschafter Michael Häupl deutlich signalisiert, man sei bereit, an einer etwaigen Demontage Faymanns mitzuwirken.
Eine Erklärung ist wohl der Charakter des Bürgermeisters, der gerne seinen Frieden hat und nicht mit schwierigen Entscheidungsfragen behelligt werden will. Man glaubt es kaum, aber in prekären Situationen ist Häupl eher konfliktscheu. Das war schon bei Alfred Gusenbauers Abgang so. Nicht, dass ihn Häupl zuletzt besonders schätzte – aber er mochte partout nicht jener Grande sein, der den Daumen nach unten richtet.
Häupl poltert gerne öffentlich – und schon allein durch griesgrämiges Auftreten bewirkt er oft, dass sich so mancher zu Tode fürchtet. Mit hartnäckigem Widerstand – und nichts weniger ist von Faymann zu erwarten – kommt Häupl eher schlecht zurecht.

Faymanns Wiener Erbe

Schon wird in Polit-Journalisten-Kreisen gemunkelt, es gebe wohl einiges was Häupl und Faymann aus ihrer gemeinsamen Wiener Vergangenheit voneinander wüssten, was sie nun so schicksalhaft aneinander kette. Wenn, dann ist es wohl Faymann, der aus seiner Zeit als Wohnbaustadtrat einiges hinterlassen hat, was ihm Häupl heute übel nehmen könnte: Etwa die Tatsache, dass Faymann mit vollen Händen Steuergeld für Wohnbeilagen in Boulevardblättern ausgab, bei denen von jeder Seite sein Konterfei lächelte.
Oder man erinnere sich an die Zentralisierung der Hausbetreuung beim Wiener Wohnen: Bewohner empörten sich monatelang darüber, dass der Zugang zu den Waschküchen nicht funktionierte, dass die neuen "Facilities" für die Reinigung von Stiegenhäusern wenig übrig hatten, etc. Und die SPÖ rechtfertigte sich damit, dass es die schwarz-blaue Regierung gewesen sei, die die Hausmeister abgeschafft habe.
Ein paar Regierungen und eine Strukturreform bei Wiener Wohnen später hat Faymanns Nachfolger Michael Ludwig die Lage im Gemeindebau wieder einigermaßen im Griff – sieht man einmal von fortlaufenden Beschwerden von Mietern bei der Volksanwaltschaft wegen zu lascher Sanierungsarbeiten ab.
Gar nicht im Griff hat die Wiener Stadtregierung die jüngst aufgeflammte Debatte um die Frage, wer da eigentlich aller im geförderten Wohnbau sitzt.

Wer wird gefördert?

Dass sich hier Freunderl und Kinder von Freunderln der roten Rathausmacht die besten und günstigsten Immobilien sichern, wird der SPÖ im Wahlkampf empfindlich schaden. Dass man hier auf Empörung über das Ertapptwerden macht und mit dem Gesetzbuch wachelt statt verschämt einzugestehen, dass es hier ein massives moralisches Problem gibt, macht die Sache nicht besser. Man wird sich an die Plakate erinnern, auf denen Häupl dem Betrachter strahlend einen Schlüssel zu einer neu gebauten Wohnung entgegen hält.
Häupl muss handeln. In dieser Frage genauso wie in den Verhandlungen um die Schulreform – ebenso ein rotes Herzthema. Und auch in der Frage, wie es in der SPÖ politisch weitergehen soll.
Er ist eine der wichtigsten politischen Persönlichkeiten in der Sozialdemokratie, er kann sich nicht ins Leo stellen. Tut er es doch, darf er sich nicht wundern, wenn er eines Tages selbst eine Führungsdebatte am Hals hat. (Petra Stuiber, 7. Juli 2015)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen