WIEN. Parteien im Schlaraffenland – überall sonst regiert der Sparstift, nur bei den Gesinnungsgemeinschaften sprudeln weiter die Geldquellen. Viele davon, etwa bei Teilorganisationen, Kammern oder parteinahen Firmen tun dies außerhalb der neuen Transparenzregeln für die Parteienfinanzierung. Der Politologe Hubert Sickinger schlägt deshalb eine Ausweitung der Kontrollrechte des Rechnungshofs und echte Sanktionen bei Verstößen vor.
Mit
der Prüfung durch den Rechnungshof (RH) sollten die Geldflüsse in
den Parteien für den Bürger transparent werden. In der Praxis könne
davon keine Rede sein, kritisiert der RH und fordert echte Einsicht
in die Bücher der Gesinnungsgemeinschaften. Die Regierungsparteien
lehnen das ab. Nur die vier Oppositionsparteien wollen über
Verschärfungen im 2012 beschlossenen Parteienfinanzierungsgesetz
reden.
Die
Motivlage von SPÖ und ÖVP, die am Status quo nichts ändern wollen,
liegt auf der Hand. Zumindest ökonomisch sind beide noch
Großparteien, mit geschätzten Jahresumsätzen jenseits der
100-Millionen-Euro-Marke. Ein Garant dafür ist das krisenunabhängig
üppige Förderungssystem. Insgesamt erhalten alle Bundes- und
Landesparteien Österreichs heuer gemeinsam "135,5 Millionen
Euro aus dem Steuertopf" (ohne Gemeindeförderung), berichtet
Parteienexperte Hubert Sickinger im Gespräch mit den OÖNachrichten.
"Lachhafte" Mitgliedsbeiträge
Geld,
das frei verwendet werden kann. Hinzu kommen rund 70 Millionen Euro
an zweckgebundener Förderung für die Parlaments- und Landtagsklubs
sowie für die Parteiakademien. Diese Posten scheinen nicht in den
Bilanzen auf, die dem RH vorzulegen sind. Auch sonst gebe es viele
Ausnahmen von den Transparenzregeln, weist Sickinger auf die
Teilorganisationen hin. So habe die ÖVP "auf dem Papier bis zu
einer Million Mitglieder", die angeführten Erträge aus deren
Beiträgen seien aber "lachhaft gering". Der Grund: Es
handelt sich um Mitgliedschaften bei einem der VP-Bünde, und deren
Bilanzen landen nicht beim RH.
Ähnliches
gilt für Kammern und Gewerkschaften, deren Geldflüsse im
Verborgenen bleiben (siehe Kasten). Im Graubereich verlaufen die
unternehmerischen Aktivitäten vor allem von SPÖ und ÖVP.
Parteinahe Unternehmen ab einer direkten Beteiligung von fünf
Prozent müssen an den RH melden. "Grundsätzlich könnte man
auch hier über ein Verbot für die Annahme von öffentlichen
Aufträgen reden", sagt Sickinger. Ein erster Schritt wäre die
Pflicht, die tatsächliche Höhe einer Firmenbeteiligung zu melden.
Voll
zu unterstützen sei die Forderung des Rechnungshofs nach dem Recht,
die Parteifinanzen selbst zu prüfen, anstatt nur Testate von
Wirtschaftsprüfern zu bekommen. In die Prüfung müssten auch die
Teilorganisationen einbezogen werden. Außerdem müsse es, anders als
derzeit, Sanktionen geben, wenn eine Partei ihren
Rechenschaftsbericht verspätet oder gar nicht vorlegt.
Verstöße
wie illegale Parteispenden sollten "für Parteien
strafrechtliche Konsequenzen haben", rät Sickinger. "Dann
könnte der Korruptionsstaatsanwalt Bücher öffnen und Zeugen unter
Wahrheitspflicht einvernehmen." Das hätte den Vorteil, dass
Vergehen "nicht nach einem, sondern erst nach fünf Jahren
verjähren".
Spendable Kammern, Aufträge für Parteifirmen
Allein
die Wirtschaftskammern schüttet jährlich 17,5 Millionen Euro an die
Fraktionen aus, 11 Millionen davon landen beim Wirtschaftsbund. Bei
den Arbeiterkammern sind es 6,5 Millionen Euro, wovon zwei Drittel an
die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) gehen. Geld,
das außerhalb der Wahrnehmung der Transparenzwächter fließt.
Parteinahe
Unternehmen ab einer Beteiligung von fünf Prozent müssen an den RH
gemeldet werden. Nach mehrfachem Urgieren wurden 108 Firmen gemeldet,
an denen SPÖ (67), ÖVP (40) und Grüne (1) beteiligt sind. Diese
haben 2013 Aufträge von öffentlichen Stellen im Volumen von 71,7
Millionen Euro erhalten. Die meisten kamen von der Gemeinde Wien
(11,65 Millionen Euro, zu 93% an die SPÖ). Das Land Oberösterreich
hat Aufträge im Umfang von 1,45 Millionen Euro zu 65 Prozent an
VP-nahe Firmen vergeben.
Während
etwa Regierungsmitglieder bei Amtsantritt Unternehmensanteile per
Gesetz abgeben müssen und diese keine öffentlichen Aufträge mehr
annehmen dürfen, bleibt den Parteien dieses einträgliche
Geschäftsfeld weiter offen.
Vorschläge
des Experten Hubert Sickinger für eine Gesetzesreparatur: Volles
Prüfrecht für den RH einschließlich Teilorganisationen. Sanktion
bei verweigertem Rechenschaftsbericht, keine öffentlichen Aufträge
für parteinahe Firmen.
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