Seit
sieben Jahrzehnten hat die SPÖ in Wien das Sagen. Wie hält sie
sich an der Macht?
Wien.
Ist es besser geliebt oder gefürchtet zu werden? Die Frage klingt
nach Hochglanzmagazin, nach Persönlichkeitstest, den man im
Warteraum vor dem Arzttermin ausfüllt. Dabei spielt sie keine Rolle
in Warteräumen. Sie spielt eine Rolle auf Regierungsbänken, wenn es
nach Niccolo Machiavelli geht. In seinem Einmaleins des politischen
Machtspiels "Der Fürst" gibt der Florentiner 1513 die
Antwort: Man soll nach beidem trachten. Mit dem Nachsatz: "Da
aber beides schwer zu vereinen ist, so ist es weit sicherer,
gefürchtet als geliebt zu werden."
Wie
sehr sind die Mächtigen in der Stadt nun zum Fürchten? Knapp drei
Monate vor der Wien-Wahl am 11. Oktober gilt es einen Blick auf das
Machtgebaren jener Partei zu werfen, die in der Zweiten Republik seit
sieben Jahrzehnten in Wien das Sagen hat. Welcher Elemente bedient
sich die SPÖ, um ihre Macht zu halten? Wie geht sie mit ihren
politischen Gegnern um? Wie mit ihren internen Rebellen? Und gibt es
einen sozialdemokratischen Machtstil?
Die
Legende besagt: Die Wiener halten dicht, komme, was wolle. "Ich
kenne keine andere SPÖ-Landesorganisation, die diese Disziplin nach
außen so beinhart durchgezogen hat wie die SPÖ in Wien",
bestätigt der Politologe und Strategieberater Thomas Hofer. Während
die rote Parteifassade in anderen SPÖ-Landesorganisationen
unmittelbar nach dem rot-blauen Tabubruch im Burgenland zu bröckeln
begann, hielt die Basis in Wien zusammen. "Gestritten wird
drinnen und nicht am Balkon", heißt das eiserne Prinzip. Das
hat jeder Wiener Genosse verinnerlicht.
49.685
eingeschriebene Mitglieder hat die Partei in Wien. Sie stellen die
Masse, wenn es darum geht, rote Folklore hochleben zu lassen. Sie
sind es auch, die ausschwärmen in jeden Bezirk, in jeden
Wahlsprengel und in jeden Gemeindebau, wenn es gilt, jeden noch so
desillusionierten Stammwähler zu mobilisieren und ihn an die
Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu erinnern.
Vorauseilender
Gehorsam
Natürlich diskutiert man dabei. Und streitet auch miteinander. Schließlich ist man ja eine demokratische reflektierte Sippe. Sogar Rebellen hält man sich. Doch sind es Rebellen, die keinem wehtun. Gerne werden die Genossen der Sektion 8 aus dem Bezirk Alsergrund genannt. Es sind jene Männer und Frauen, die 2011 gegen den Willen der Parteispitze am Landesparteitag das Ende des kleinen Glücksspiels durchsetzen konnten. Sie werden als Beweis für die interne Toleranz der Partei präsentiert. Bloß: Chancen auf eine Karriere in der Partei haben die Medienlieblinge seither nicht. Das weiß jeder. Am besten sie selbst. "Wir streben keine Posten an", sagt Eva Maltschnig, Vorsitzende der Sektion 8, "deswegen müssen wir uns nicht zensieren."
Natürlich diskutiert man dabei. Und streitet auch miteinander. Schließlich ist man ja eine demokratische reflektierte Sippe. Sogar Rebellen hält man sich. Doch sind es Rebellen, die keinem wehtun. Gerne werden die Genossen der Sektion 8 aus dem Bezirk Alsergrund genannt. Es sind jene Männer und Frauen, die 2011 gegen den Willen der Parteispitze am Landesparteitag das Ende des kleinen Glücksspiels durchsetzen konnten. Sie werden als Beweis für die interne Toleranz der Partei präsentiert. Bloß: Chancen auf eine Karriere in der Partei haben die Medienlieblinge seither nicht. Das weiß jeder. Am besten sie selbst. "Wir streben keine Posten an", sagt Eva Maltschnig, Vorsitzende der Sektion 8, "deswegen müssen wir uns nicht zensieren."
Denn
wer sich nach Macht sehnt, muss sich in der Kunst des vorauseilenden
Gehorsams üben. Und er muss vor allem lernen, den Mund zu halten.
Wer das nicht tut, muss die Konsequenzen in Kauf nehmen: "Du
kriegst kein Mandat, kommst nicht auf die Liste und wirst nicht
Bezirksvorsteher oder irgendetwas", erklärt Josef Kalina die
Sanktionsmechanismen der Partei.
Nur
wenige kennen die Strategien der SPÖ so gut wie der 57-jährige
PR-Profi. Als junger Mann war Kalina bei der Sozialistischen Jugend,
arbeitete später als Journalist beim Parteiorgan der
Arbeiterzeitung, war Pressechef der Wiener SPÖ, dann Sprecher
deseinstigen Bundeskanzlers Viktor Klima und wurde 2007 zum
Bundesgeschäftsführer der SPÖ ernannt. Ein Jahr später legte er
die Funktion nieder. Heute ist "Dr. Spin", wie Kalina von
den Medien getauft wurde, geschäftsführender Gesellschafter und
"strategisches Mastermind" der PR-Agentur
Unique Relations.
"Die Disziplin der SPÖ ist etwas, worauf sie stolz sein können.
Das ist ja ein freiwilliges Commitment", befindet Kalina. Dieses
"Commitment" sei auch historisch begründet, meint er:
"Seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert waren die
Sozialdemokraten Repressalien ausgesetzt. Sie wurden verfolgt und
kriminalisiert. So entwickeln sich bestimmte Verhaltensmuster und man
hält zusammen."
Die
Familie
Je weiter es in der Rangordnung nach oben geht, desto enger werden die Maschen der Loyalität. Die Partei als Familie ist hier längst kein Euphemismus mehr, sondern gelebte Realität. Ein kurzer Blick auf die privaten Biografien der Stadträte zeigt, wie eng man einander ist - oder war. Bürgermeister Michael Häupl war in jungen Jahren mit Vizebürgermeisterin Renate Brauner liiert. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehselys Schwester Tanja, einst Obfrau der Wiener Jugendzentren, ist seit 2009 stellvertretende Rathausklubchefin. Christian Oxonitsch - Stadtrat für Jugend, Bildung, Information und Sport - war mit Umweltstadträtin Ulli Sima verheiratet. Lange durfte der damalige Klubchef deswegen nicht in die erste Reihe vorrücken. Zu schief wäre die Optik gewesen, ein Ehepaar auf der Regierungsbank sitzen zu haben - selbst für den roten Rathausclan. Seit 2008 sind die zwei Politiker geschieden. Seit 2009 ist Oxonitsch Stadtrat. Und Sima ist mittlerweile liiert mit Josef Thon, dem Leiter der MA 48, ihrem Angestellten.
Je weiter es in der Rangordnung nach oben geht, desto enger werden die Maschen der Loyalität. Die Partei als Familie ist hier längst kein Euphemismus mehr, sondern gelebte Realität. Ein kurzer Blick auf die privaten Biografien der Stadträte zeigt, wie eng man einander ist - oder war. Bürgermeister Michael Häupl war in jungen Jahren mit Vizebürgermeisterin Renate Brauner liiert. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehselys Schwester Tanja, einst Obfrau der Wiener Jugendzentren, ist seit 2009 stellvertretende Rathausklubchefin. Christian Oxonitsch - Stadtrat für Jugend, Bildung, Information und Sport - war mit Umweltstadträtin Ulli Sima verheiratet. Lange durfte der damalige Klubchef deswegen nicht in die erste Reihe vorrücken. Zu schief wäre die Optik gewesen, ein Ehepaar auf der Regierungsbank sitzen zu haben - selbst für den roten Rathausclan. Seit 2008 sind die zwei Politiker geschieden. Seit 2009 ist Oxonitsch Stadtrat. Und Sima ist mittlerweile liiert mit Josef Thon, dem Leiter der MA 48, ihrem Angestellten.
Der
Parteidisziplin kommt die Familie zugute. Schließlich ist Blut
dicker als jedes Parteibuch. Und wer schimpft schon gerne gegen die
eigene Schwester, den Partner oder die Mutter seiner Kinder in aller
Öffentlichkeit? Doch nicht alle 50.000 SPÖ-Mitglieder und 700
Funktionäre gehören zu Häupls engstem Kreis. Warum also immer
dichthalten? Ist es wirklich historisch begründet, wie Josef Kalina
behauptet? Prägt das Trauma des unterdrückten und verfolgten
Arbeiters die Partei tatsächlich bis heute? Der Grund ist simpler,
erklärt Politikwissenschafter Anton Pelinka: "Es ist immer noch
sehr viel zu verteilen. Wer so viel zu verteilen hat, kann sich
Loyalität quasi erkaufen."
Es gibt den offiziellen Apparat. Und es gibt den inoffiziellen Apparat. Sieben Jahrzehnte hatte die Wiener SPÖ Zeit, beide aufzubauen. Und das in Eigenregie. Bis auf zwei Amtsperioden - 1996 (mit der ÖVP) und 2010 (mit den Grünen) - regierte die SPÖ in Wien mit absoluter Mehrheit. Beide Apparate dienen der Partei als Mittel zum Machterhalt, als Futtertrog für Anhänger und Sympathisanten, als Propagandamaschine.
Da
wäre einmal der offizielle Apparat: die Verwaltung. Rund 65.000
Mitarbeiter zählen die Wiener Magistrate, inklusive der
Unternehmungen Wiener Wohnen, der Krankenanstaltenverbunds (KAV) und
der Kanalisation. Hinzu kommen die Mitarbeiter in den ausgelagerten
Gesellschaften der Stadt Wien, wie jene 2900 Männer und Frauen in
den 75 Unternehmen, die unter dem Dach der Wien Holding vereint sind
- in deren Geschäftsgebaren hat der Gemeinderat keinen Einblick, da
ja diese Unternehmen aus der Stadtverwaltung ausgelagert sind.
Das
Imperium
Platz um ihre Loyalität zu beweisen, hat die Partei den Bürgern in diesem Apparat genug geschaffen - auch über den Wahltermin hinaus. "Ein Wechsel einer SPÖ-affinen Belegschaft dauert länger als eine Wahl mit einem schlechten Ergebnis um dort an Einfluss verlieren", erklärt der Politologe Peter Filzmaier.
Platz um ihre Loyalität zu beweisen, hat die Partei den Bürgern in diesem Apparat genug geschaffen - auch über den Wahltermin hinaus. "Ein Wechsel einer SPÖ-affinen Belegschaft dauert länger als eine Wahl mit einem schlechten Ergebnis um dort an Einfluss verlieren", erklärt der Politologe Peter Filzmaier.
Zudem
ist die Verwaltung eine omnipräsente Parteiwerbefläche. Hier lässt
sich der Mythos vom roten Wien am besten unters Volk bringen.
Schließlich muss Wien als Land, Stadt und Gemeinde täglich die
Daseinsvorsorge für rund 1,8 Millionen Menschen gewährleisten. Von
der Wiege bis zur Bahre. Vom Kindergarten bis zu den eigenen vier
Wänden. Vom Museum bis zur Müllabfuhr. "Die Unterscheidbarkeit
zwischen Partei und bürokratischem Machtapparat ist in Wien nicht
gegeben", kritisiert der ÖVP-nahe Politikwissenschafter Peter
Ulram. Wo beginnt die Stadt? Und wo die Partei? Nach 70 Jahren sind
die Grenzen längst verschwommen. Ganz im Interesse des greisen
Amtsinhabers. "Wenn es einem gelingt, dass sogar die Konkurrenz
vom roten Wien spricht, hat man politisch schon gewonnen", sagt
Politologe Filzmaier, "Denn das heißt: Sie erkennen meine Macht
an."
Hinter
den Kulissen werkt der inoffizielle Apparat am Image des roten Wiens
mit. Es ist ein "machiavellistisches Perpetuum mobile"
("Profil", 2010) voller undurchsichtiger Netzwerke und
Seilschaften, das die Stadt Wien am Laufen hält. Ihr Motor: der
Verband der Wiener Arbeiterheime (VWA). Seit 1948 kümmert sich die
Unternehmensholding um das Imperium der Wiener SPÖ, das aus
Bauträgern, Verlagen, Agenturen und Immobilien besteht. Einer der
wichtigsten Auftraggeber ist die Stadt Wien. Der Nutznießer dieser
Geschäfte ist schnell ausgemacht. Helmut Laska - der medienscheue
Geschäftsführer des Verbands und Ehemann der einstigen
Vizebürgermeisterin Grete Laska - hat es selbst in einem Interview
mit dem Magazin "Trend" im Jahr 2004 auf den Punkt
gebracht: "Der Verband hat die Aufgabe, die Partei zu
unterstützen."
Allein
im Vorjahr hat die Stadt, inklusive der ihr nahestehenden Firmen und
Unternehmen, laut Medienbehörde rund 40 Millionen Euro ausgegeben.
Damit zählt sie zu den größten Einzelwerbern nach dem
Medientransparenzgesetz. Zugute kommen die Einschaltungen vor allem
dem heimischen Boulevard. Allein im vierten Quartal 2014 pumpte die
Gemeinde Wien und deren Betriebe 3,3 Millionen Euro in "Kronen
Zeitung", "Heute" und "Österreich."
"Schutzgeld" nannte der grüne Gemeinderatsabgeordnete
Klaus Werner Lobo in einem Interview mit "NZZ Österreich"
die rote Alimentierung des heimischen Boulevards, dessen Existenz die
Stadtpartei mitzuverantworten hat, wie die Investigativplattform
Dossier in den vergangenen Jahren ausführlich recherchiert hat.
Anderes
Mascherl
Doch nicht nur der Boulevard leistet seinen Tribut zum roten Machterhalt. Die Partei kann sich auch auf ihren Eigenverlag stützen. Seit Jahren dient das echo medienhaus als Verlautbarungsorgan. Bis 2013 im Eigentum des Verbands der Wiener Arbeiterheime, kümmerte sich der Kommunikationskonzern via "VorMagazin", Bezirksblätter und Co. um die mediale Wohlfühlkulisse der Partei. Vor zwei Jahren hat die SPÖ ihre Beteiligung an der Echogruppe verkauft. Der Grund: das neue Medientransparenzgesetz. Parteien und Firmen in öffentlichen Einfluss müssen seit Juli 2012 offen legen, welche Aufträge sie an welche Medien vergeben. Durch die neuen Richtlinien hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, lautete die Begründung für den Verkauf der Beteiligung. Heute gehört das Medienhaus einer privaten Investorengruppe, bestehend aus dem langjährigen Medienhaus-Geschäftsführer Christian Pöttler - er ist Mitglied im Aufsichtsrat der "Wiener Zeitung" -, dem SPÖ-nahen Steuerberater Hermann Gugler sowie Feibra-Gründer Anton Feistl und seinem Sohn. Chefredakteur des "VorMagazins" ist Thomas Landgraf, einst Pressesprecher von Bundeskanzler Werner Faymann, als dieser noch Infrastrukturminister war. Das Nahverhältnis zur SPÖ ist also ungetrübt. Frei nach der Devise: gleiche Leute. Gleiche Arbeit. Anderes Mascherl.
Doch nicht nur der Boulevard leistet seinen Tribut zum roten Machterhalt. Die Partei kann sich auch auf ihren Eigenverlag stützen. Seit Jahren dient das echo medienhaus als Verlautbarungsorgan. Bis 2013 im Eigentum des Verbands der Wiener Arbeiterheime, kümmerte sich der Kommunikationskonzern via "VorMagazin", Bezirksblätter und Co. um die mediale Wohlfühlkulisse der Partei. Vor zwei Jahren hat die SPÖ ihre Beteiligung an der Echogruppe verkauft. Der Grund: das neue Medientransparenzgesetz. Parteien und Firmen in öffentlichen Einfluss müssen seit Juli 2012 offen legen, welche Aufträge sie an welche Medien vergeben. Durch die neuen Richtlinien hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, lautete die Begründung für den Verkauf der Beteiligung. Heute gehört das Medienhaus einer privaten Investorengruppe, bestehend aus dem langjährigen Medienhaus-Geschäftsführer Christian Pöttler - er ist Mitglied im Aufsichtsrat der "Wiener Zeitung" -, dem SPÖ-nahen Steuerberater Hermann Gugler sowie Feibra-Gründer Anton Feistl und seinem Sohn. Chefredakteur des "VorMagazins" ist Thomas Landgraf, einst Pressesprecher von Bundeskanzler Werner Faymann, als dieser noch Infrastrukturminister war. Das Nahverhältnis zur SPÖ ist also ungetrübt. Frei nach der Devise: gleiche Leute. Gleiche Arbeit. Anderes Mascherl.
A)
Man umarmt den Gegner, solange bis er sich nicht mehr abgrenzen kann
und er so in der politischen Belanglosigkeit verschwindet.
B)
Man erklärt ihn zum Erzfeind und bekämpft ihn mit allen möglichen
und unmöglichen Mitteln.
"Das
Ergebnis und das strategische Ziel ist immer das gleiche, nämlich,
dass jemand gar nicht gegen die absolute Mehrheitspartei ankämpft",
erklärt Politologe Filzmaier. Beim Umarmen fühle sich der Gegner zu
wohl, um zu kämpfen - schließlich ist man ja in den Machtapparat
integriert -, und ist zu abhängig von der Zuwendung seines Gönners,
um aufzubegehren. Zu sehen in Niederösterreich, perfektioniert vom
dortigen ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll. Bei der offenen
Konfrontation hätte der Gegner zu viel Angst davor, Widerstand zu
leisten.
In
Wien wird vor allem ein Gegner umarmt: die ÖVP. Amikale Kontakte
pflegt man zu ihren Vertretern, allen voran, jenen aus der
Wirtschaftskammer. Schließlich darf nicht der Eindruck entstehen,
dass man auf einem Feld weniger Kompetenzen hätte, als der Gegner.
Totschweigen
Doch in der Regel hält sich die SPÖ im Umarmen zurück. "Das hat sie nie gelernt", meint der Politikwissenschafter Peter Ulram. 2010 hat man sich erneut im Umarmen versucht. Damals, als Michael Häupl den Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschrieben hat. Vom linken Flügel wurde der Bürgermeister dafür als Pionier für die erste rot-grüne Koalition in der österreichischen Parteiengeschichte gefeiert. Dass die Grünen bei den damaligen Sondierungsgesprächen sich weitaus zahmer für einen Sitz auf der Regierungsbank präsentierten, als ihre ÖVP-Kollegen, die gleich zwei Stadträte, den Sessel des Dritten Landtagspräsidenten und wichtige Positionen in der Wien Holding verlangten, wird ausgeblendet. "Das war nicht nur die große Übereinstimmung, sondern ein großer Teil Machtstrategie", analysiert Ulram. Mit der Koalition habe Häupl einen gefährlichen oppositionellen Kontrahenten an sich gebunden - und gehofft ihn so wirkungslos zu machen. Doch die Gleichung ging nicht so recht auf. Zu störrisch gab sich der grüne Koalitionspartner und sorgte vor allem bei den weniger Bobo-affinen Genossen der Flächenbezirken für böses Blut.
Doch in der Regel hält sich die SPÖ im Umarmen zurück. "Das hat sie nie gelernt", meint der Politikwissenschafter Peter Ulram. 2010 hat man sich erneut im Umarmen versucht. Damals, als Michael Häupl den Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschrieben hat. Vom linken Flügel wurde der Bürgermeister dafür als Pionier für die erste rot-grüne Koalition in der österreichischen Parteiengeschichte gefeiert. Dass die Grünen bei den damaligen Sondierungsgesprächen sich weitaus zahmer für einen Sitz auf der Regierungsbank präsentierten, als ihre ÖVP-Kollegen, die gleich zwei Stadträte, den Sessel des Dritten Landtagspräsidenten und wichtige Positionen in der Wien Holding verlangten, wird ausgeblendet. "Das war nicht nur die große Übereinstimmung, sondern ein großer Teil Machtstrategie", analysiert Ulram. Mit der Koalition habe Häupl einen gefährlichen oppositionellen Kontrahenten an sich gebunden - und gehofft ihn so wirkungslos zu machen. Doch die Gleichung ging nicht so recht auf. Zu störrisch gab sich der grüne Koalitionspartner und sorgte vor allem bei den weniger Bobo-affinen Genossen der Flächenbezirken für böses Blut.
Im
Kampf ist die Wiener SPÖ weitaus geschickter. Bewährt hat sich
dabei das Totschweigen. Der Gegner wird solange ignoriert und aus der
Öffentlichkeit gedrängt - mittels Apparat und Medien -, bis er aus
der Wahrnehmung des Wählers verschwunden ist. Erst pünktlich zum
Wahltermin erkennt man seine Existenz an. Schließlich braucht es
einen Gegner, um zum Duell um Wien aufzurufen.
Von
persönlichen Vernichtungskreuzzügen - à la Niederösterreich, wo
ein Landeshauptmann schon einmal einen Pfarrer vor laufender Kamera
demütigt - können Abgeordnete der Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ
in Wien nichts berichten. Das würde nicht dem Naturell des
Bürgermeisters entsprechen. Der studierte Zoologe trägt seine Rache
nicht offen zur Schau. In seinem Reich gelten die Regeln der stillen
Vergeltung. Ohne Zeugen, ohne Kameras, ohne Öffentlichkeit. Der
Parteipatriarch macht sich dabei nicht die Hände schmutzig. Es gilt
Gelassenheit zu demonstrieren, auch wenn das Gegenteil der Fall ist.
Hier wird der Kampf nach unten delegiert. "Man hat die Gegner
nicht groß gemacht, in dem der Mächtigste selbst streitet",
erklärt Politologe Filzmaier. "Die unteren Ebenen werden zum
Scharfmachen ausgeschickt. Das wird dann ein Bezirksparteiobmann oder
im höchsten Fall ein Stadtrat sein."
Als
jüngsten Beweis nennt Hofer den Wechsel des grünen Abgeordneten
Senol Akkilic zur SPÖ im März dieses Jahres. Der Wechsel erfolgte
eine Stunde, bevor die Wiener Wahlrechtsreform - die der SPÖ
geschadet hätte - im Gemeinderat zur Debatte stand. "Das war
auf der strategischer Ebene gut gemacht", lobt Hofer. Doch was
beim Wähler hängen blieb, sei schädlich für die Politik als
Gesamtes gewesen: Wenn es der eigenen Sache dient, ist jedes Mittel
recht. In Machtfragen haben Ideale keinen Platz.
Doch
wie Machiavelli schon sagte: Man kann nicht alles haben. Im Zweifel
ist es immer besser gefürchtet zu werden. Denn wer weiß, wie lange
noch.
Wer hat die Top-Medienpräsenz?
Und da kann es auch nicht verwundern, dass es die SPÖ ist.Die stärkste Medienpräsenz verzeichnete in der vergangenen Woche erneut Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Wie zahlreiche andere europäische Spitzenpolitiker reagierte auch der Bundeskanzler umgehend nach dem Abschluss des griechischen Referendums am Sonntag auf die Vorgänge in Griechenland. Nun sei die griechische Regierung am Zug "Vorschläge zu machen, wie es weitergehen soll", so Faymann in einer Aussendung. Er plädierte weiters für Solidarität mit dem griechischen Volk: "Die schwierige Lage von einem Großteil der griechischen Bevölkerung darf uns nie gleichgültig sein." Am kommenden Sonntag wird Faymann mit den 26 anderen EU-Regierungschefs in Brüssel zu einem Gipfel zusammenkommen, es wird über Nothilfen für Griechenland und einen nicht auszuschließenden "Grexit" beraten werden.
Innerparteilich
konnte Faymann vergangene Woche auf Rückendeckung des Wiener
Bürgermeisters Michael
Häupl (SPÖ) zählen: Am Rande der SPÖ-Vorstandssitzung,
bei der mehrere Schlüsselpositionen neu besetzt wurden, sagte Häupl,
der Bundeskanzler werde von der Wiener SPÖ "mit Sicherheit"
nicht angezweifelt - dies sage er "reinen Herzens". Zwei
enge Vertraute Faymanns besetzen künftig wichtige Positionen
innerhalb der Partei: Gerhard Schmid, bisher stellvertretender
Kabinettschef von Faymann, folgt Norbert
Darabos als neuer Bundesgeschäftsführer nach. Faymanns
ehemaliger Pressesprecher, Matthias Euler-Rolle, wird
SPÖ-Kommunikationschef.
Als
Neueinsteiger der Woche etablierte sich Unterrichts- und
FrauenministerinGabriele
Heinisch-Hosek (SPÖ) auf Platz zehn im Ranking. In
Sachen Unterrichtsreform musste Heinisch-Hosek zwei personelle
Ausfälle zur Kenntnis nehmen: Die Landeshauptmänner Erwin
Pröll (ÖVP) sowie Hans
Niessl (SPÖ) gaben vergangene Woche ihren Rückzug aus
der Arbeitsgruppe zur Bildungsreform bekannt. Die SPÖ
schickt Michael
Häupl als Ersatz, die ÖVP den Tiroler Landeshauptmann
Günther
Platter. Die Unterrichtsministerin rechnet dennoch mit einem
Abschluss der Verhandlungen bis zum anvisierten Termin am 17.
November. Inhaltlich äußerte sich Heinisch-Hosek zum Ziel, den
Schulen mehr Autonomie zu verleihen: Dies stehe innerhalb der
Regierung "außer Streit". Die personellen Neuzugänge
innerhalb der Arbeitsgruppe sieht Heinisch-Hosek positiv: "Mit
Bürgermeister Michael
Häupl und Landeshauptmann Günther
Platter konnten wir rasch einen versierten und
innovativen Ersatz finden."
In ihrer
Funktion als Frauenministerin kommentierte Heinisch-Hosek die
Nachschärfungen im Sexualstrafrecht, die sie gemeinsam mit
Justizminister Wolfgang
Brandstetter ausgearbeitet hatte. "Wenn Opfer die
Sicherheit haben, dass etwas passiert, werden sie auch klagen",
ist Heinisch-Hosek überzeugt, ähnliche Entwicklungen habe es schon
beim Anti-Stalking-Gesetz gegeben. Außerdem will sich die
Frauenministerin der Lücke zwischen angezeigten und verurteilten
Vergewaltigungen widmen. 2013 kam es bei 920 Anzeigen wegen
Vergewaltigung lediglich zu 104 Verurteilungen.
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