Universalmiete
versus Deregulierung des privaten Wohnungsmarktes: Walter Rosifka,
Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, diskutiert mit Michael Pisecky,
Obmann der Wiener Immobilientreuhänder, über ehrliche Mietverträge.
Die
Presse: Ist Wohnen in Wien zu teuer?
Die zittern wieder,
dass ie vielleicht einen geringeren Nutzwert bekommen. Aber da
brauchen sie sich keine Sorgen zu machen, Schelling ist am Ruder,
gemeinsam mit der SPÖ, die werden es schon anpacken, schließlich
ist Wien der größte Wohnungsvermieter in Österreich. Und die
funktionieren genauso wie die Privaten.
(Niccht nur der private Markt ist zu teuer, auch die Sozialwohnungen sind zu teuer!)
Michael
Pisecky: Ich
finde nicht, dass wir von einem zu hohen Preis reden können. Wenn
man den gesamten Markt, also auch Gemeinde- und
Genossenschaftsbauten, betrachtet, liegt der Anteil des Einkommens,
den man in Wien fürs Wohnen aufwendet, zwei Prozentpunkte unter dem
EU-28-Schnitt. Der private Markt für sich allein genommen liegt im
Durchschnitt. Immerhin wohnen auch 50 Prozent der Geringverdiener
„privat“. In Summe ist der Mietzins dank Altmietverträgen in
Ordnung. Die Unverhältnismäßigkeit entsteht nur, weil es ein
Gefälle zwischen Alt- und Neumietern gibt: Denn wenn ich alte
Verträge nicht anpassen kann, dann muss ich das eben mit den neuen
ausgleichen.
Rosifka: Wenn
der Durchschnitt nur dank Altmietverträgen in Ordnung ist, heißt
das: Würde man in die alten Verträge eingreifen können, wäre er
es nicht mehr.
Piesecky: Doch,
denn dann gäbe es bei den Neuvermietungen mehr Spielraum.
Rosifka: Eben
nicht. Die Vermieter warten einfach, bis jemand kommt, der ihren
Preis zahlt. Schon jetzt stehen laut willhaben.at 400.000m2 in
Wien an Wohnungen leer, die 1500 Euro plus kosten.
(Das
kann ich nicht wirklich glauben, denn wer wartet, wenn er weiß, dass
sich kein Mieter finden lässt. Die Kosten für die Wohnung sind
einmal da, … Wenn der Vermieter lieber im Minus ist als ein
geringeres Plus zu akzeptieren, dann muss er eben warten.)
Piesecky: Heute
werden manche Wohnungen bereits billiger vermietet als noch vor drei,
vier Jahren. Die überbordende Nachfrage beschränkt sich auf
kleinere, günstigere Wohnungen in zentraler Lage.
Ein
gar nicht kleiner Teil des privaten Marktes ist, da
Altbau,preisgeregelt. Verhindert das nicht eine breite Teuerung?
Rosifka:Die
Preisregulierung existiert, aber sie wirkt nicht. Das Gesetz ist so
lax formuliert, dass man verlangen kann, was man will, ohne
sanktioniert zu werden. Ich habe auf immobilien.at eine
40-Quadratmeter-Wohnung um 600 Euro gefunden – befristet, im 16.
Bezirk, wo es keinen Lagezuschlag gibt. Natürlich kann man zur
Schlichtungsstelle gehen, wo die Miete nach einem Verfahren wohl auf
350 Euro gesenkt wird. Aber erst einmal muss man die Wohnung um 600 €
mieten.
Pisecky: Sie
sehen nur jene, die sich beschweren. Ich sehe jene 95 Prozent, die
sich nicht beschweren.
Rosifka: Die
Bauträger und Vermieter geben offen zu, dass sie gesetzeswidrige
Mietzinse verlangen, eben weil sich nur fünf Prozent beschweren. Der
Rest fürchtet nämlich, gekündigt zu werden oder dass die Frist
nicht verlängert wird. 60 Prozent aller privaten Mietwohnungen
werden befristet vermietet. Das macht die Leute erpressbar.
Pisecky: Die
häufige Befristung hat eine andere Ursache: Das Mietrecht ist in
Österreich stärker als das Eigentumsrecht. Wenn ich eine Wohnung
unbefristet vermiete, dann habe ich darüber keine Verfügungsgewalt
mehr – mitunter über Generationen.
Rosifka: Es
gibt die Eigenbedarfskündigung.
Pisecky: Ja,
aber wenn ich ein ganzes Zinshaus habe, kann ich die nur sehr
beschränkt einsetzen.
Rosifka: Und
das ist auch gut so.
Pisecky: Wir
wären dafür, Anreize für eine Verlängerung der Fristen zu setzen,
etwa dass es bei zehn Jahren Befristung nur zehn Prozent Abschlag
gibt und bei 15 Jahren gar keinen mehr. Die Befristung ist auch das
Resultat einer Verunsicherung. Seit 15 Jahren diskutieren wir über
das Mietrecht, und ständig geht es um Preisregulierungen. Der
aktuelle SPÖ-Vorschlag für ein Universalmietrecht ist eine Gefahr
für den Mietmarkt. (Anm.: Der Vorschlag sieht eine österreichweite
Basismiete von 5,5 Euro pro Quadratmetervor plus fixe Zu- oder
Abschläge. Gelten soll die Universalmiete für alle Häuser, die zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses älter als 20 Jahre sind.)
Rosifka: Die
Universalmiete ähnelt doch dem jetzigen Richtwertsystem. Sie ist nur
transparenter und klarer, weil die Zu- und Abschläge im Gesetz
fixiert sind und die Basismiete bundesweit einheitlich ist.
Pisecky: Das
ist die Vernichtung des privaten Wohnungsmarktes, denn es bedeutet
Einheitswohnen für alle. Keiner könnte ein bisschen luxuriöser
oder günstiger wohnen. Es kann keine Einheitsbasismiete von
Eisenstadt bis Bregenz geben. Es gibt ja so viele gute Lagen, wo ich
wesentlich mehr als diese Einheitsmiete bekomme.
Rosifka: Ich
höre immer: Lage, Lage, Lage. Die Frage ist: Wer leistet hier etwas?
Die gute Lage wird oft von uns allen, den Steuerzahlern, finanziert.
Wir zahlen die Infrastruktur, die U-Bahn, die Schulen.
Pisecky: Die
Lage umfasst aber auch die Umgebung an sich. Soll man jetzt den
lieben Gott in die Rechnung hineinnehmen, weil er den Kahlenberg
gemacht hat?
Rosifka: Genau
das ist mein Punkt. Wo ist die Mehrleistung des Vermieters, wenn er
für die schöne Lage zwanzig Prozent mehr will?
Aber
die schöne Lage hat der Vermieter beim Erwerb der Wohnung
mitbezahlt. Warum soll er sie nicht weiterverrechnen?
Rosifka: Das
Universalmietrecht berücksichtigt die Lage, aber sie darf nicht mehr
zählen als Investitionen, etwa Sanierungen. Derzeit haben wir
Lagezuschläge von bis zu sechs Euro bei einem Richtwert von 5,39
Euro pro Quadratmeter. Der Grund, warum wir eine Basismiete für ganz
Österreich wollen, ist die Überlegung, dass auch ein Arbeiter in
Wien oder Salzburg nicht so unterschiedlich viel verdient. Der
Krankenschwester in Wien hilft es nicht, wenn ich ihr sage: Zieh um
ins steirische Fohnsdorf, dort ist es billiger. Warum soll ein
Durchschnittsverdiener nicht zentral wohnen dürfen?
Piesecky: Sie
wollen, dass jeder überall wohnen kann. Das ist löblich, aber wozu
führt das? Wenn ich den Markt so vergewaltige, wird erstens der Wert
der Immobilien sinken und damit deren Belehnungswert, sprich, die
Eigentümer bekommen Probleme mit ihren Krediten. Zweitens: Wer,
glauben Sie, wird die günstigen Wohnungen bekommen? Wieder nur die
Gutverdiener, denn der Vermieter will sichere Einnahmen. Drittens
käme es zu einem Sanierungs- und Investitionsstopp. Denn wenn ich
nicht mehr verlangen kann, mache ich nur das Allernötigste.
Rosifka: Der
wahre Sanierungsmotor ist doch die Wohnbauförderung. Wien hat 2,5
Milliarden in die Sanierung gesteckt.
Pisecky: Die
Gemeinde Wien will immer fördern, um sich einzumischen. Uns wäre
ein angemessener Mietzins für ein topsaniertes Gründerzeithaus
lieber.
Sie
wollen also das Richtwertsystem für den Altbau aufheben?
Pisecky: Ja,
wir wollen eine generelle Deregulierung, also einen frei
vereinbarten, aber angemessenen Mietzins für alle Wohnungen, wobei
angemessen heißt, dass es kein Wucherpreis sein darf. Realpolitisch
ist eine komplette Deregulierung aber nicht möglich, daher würden
wir im Altbau beim Richtwertsystem bleiben. Es sollte aber
überarbeitet werden und zu einem transparenten Referenzsystem
werden: Wer mehr als den Referenzwert verlangt, muss das
nachvollziehbar im Mietvertrag begründen.
Warum
werden nicht schon jetzt Zu- und Abschläge im Mietvertrag
aufgelistet?
Rosifka: Ganz
einfach: Weil die Vermieter es nicht müssen.
Wäre
es ein Problem, das zu machen?
Pisecky: Nein,
das ist in einer Novelle ein Punkt, dem wir zustimmen können.
Herr
Pisecky, Sie haben zu Beginn etwas Interessantes gesagt, nämlich,
dass 50 Prozent der Geringverdiener im privaten Mietmarkt wohnen.
Gehören die nicht auf den Sozialbauwohnungsmarkt, Herr Rosifka?
Rosifka: Warum?
Als ich damals nach Wien gekommen bin, habe ich in einer
Kategorie-D-Substandardwohnung gewohnt. Warum soll man verbieten,
dass Einkommensbezieher unterm Durchschnitt im privaten Markt wohnen?
Keiner
redet von Verbieten. Aber ist das nicht ein Indiz, dass der soziale
Wohnbau nicht so treffsicher ist?
Rosifka: Das
sehe ich nicht so. Milliarden unserer Steuermittel stecken im
privaten Wohnbau. Man tut immer so, als ob das alles von den Privaten
selbst geschaffen worden wäre. Das haben wir bezahlt. Das muss dann
auch dem Gemeinwohl dienen. Ein Drittel der privaten geförderten
Wohnungen wird von der Stadt Wien zugewiesen – natürlich auch an
Geringverdiener.
Pisecky: Einerseits
ist der Sozialbau nicht treffsicher, andererseits fordern Sie von den
Privaten, dass sie über Preisregulierungen einen Beitrag zum
günstigeren Wohnen leisten. Das ist absurd. Was ist eigentlich mit
den 80.000 Zuwanderern, die jährlich nach Wien kommen? Da sie erst
kurz da sind, haben sie gar keinen Zugang zum sozialen Wohnbau. Wo
ist da die soziale Verantwortung?
Herr
Rosifka, Sie argumentieren, dass man im Gegenzug für Förderungen
auch den Mietzins regulieren darf. Aber wie rechtfertigen Sie die
Regulierung von frei finanzierten Wohnungen?
Rosifka: Für
den ungeförderten Wohnbau gibt es ja erst dann Preisobergrenzen,
wenn die Errichtungskosten zurückverdient sind. Im Übrigen sind
dort Werte bzw. Wertsteigerungen der Immobilien, – etwa in
U-Bahn-Nähe – von der Allgemeinheit finanziert.
Pisecky: Das
ist arg. Wenn ich Geld investiert habe, dann brauche ich irgendwann
nichts mehr dafür kriegen, oder wie?
Rosifka: Nichts
stimmt ja nicht. Wenn in St. Pölten der freie Mietzins für neue
Wohnungen im Durchschnitt bei 6,20 Euro liegt, dann verstehe ich
nicht, warum 5,5 Euro Basismiete für alte, bereits refinanzierte
Wohnungen ein Problem sein sollen. Außerdem gibt es auch so etwas
wie die Sozialpflichtigkeit von Grund und Boden.
Pisecky: Ich
bin auch der Meinung, dass Eigentum verpflichtet. Ich muss mich um
eine optimale Nutzung kümmern, aber ich muss nicht alles
verschenken.
Ändert
der Beschluss Wiens, Gemeindebauten zu errichten, etwas an der
Marktsituation?
Rosifka: Es
ist relativ egal, wer günstige Wohnungen baut. Hauptsache, sie
werden gebaut.
Pisecky: Das
ist Wahlkampf. 200 Gemeindewohnungen helfen nicht viel.
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