Samstag, 4. Juli 2015

Kritik an „geförderter“ Wohnungsnot

Sozialvereine haben am Freitag eine Aktion gegen Wohnungsnot gestartet. Sie kritisieren „politische Untätigkeit“. Viele Sozialvereine aus Innsbruck und Tirol verzeichnen einen massiven Anstieg von Klienten, die offen oder versteckt wohnungslos sind.

SPAK ist der Zusammenschluss von Sozialinitiativen, die in ganz Tirol und Innsbruck tätig sind (siehe Kasten links). Alle Einrichtungen verzeichnen eine Verschärfung der Wohnungsnot: überfüllte Notschlafstellen, monatelange Wartezeiten in betreuten Wohnungen, viele Klienten, die auf der Straße leben. Der SPAK erhob angesichts dieser Problematik zwei Forderungen: Die Anpassung der Mietpreisobergrenzen und die Nutzung leerstehender Wohnungen.

Problem: Mietpreisobergrenzen

Für Bezieher der Mindestsicherung gilt derzeit, dass sie keine Wohnung über einen gesetzlich festgelegten Mietpreis mieten dürfen. Andernfalls erlischt ihr Anspruch auf die Mindestsicherung. Der SPAK kritisiert, dass diese Mietpreisobergrenzen an der Realität vorbeigingen. Die meisten Wohnungen, die am freien Markt in Tirol verfügbar sind, sind teurer und damit für viele Klienten von Sozialvereinen nicht erreichbar.
Von Seiten der Politik wurden diese Grenzen stets damit legitimiert, dass man keinesfalls mit Steuergeld privaten Mietwucher unterstützen und die Preise weiter in die Höhe treiben wolle. Ein Argument, das der SPAK zurückweist. „Die Gruppe wohnungssuchender Mindesthilfebezieher ist viel zu klein, um Einfluss auf die Wohnungspreise zu haben“, sagte Andreas Deutinger vom Chill Out, das wohnungslose Jugendliche betreut. Die niedrigen Grenzen seien von der Politik willkürlich festgelegt und damit ungesetzlich. Die Grenzen müssten sich nämlich an „ortsüblichen“ Preisen orientieren - und die lägen in Innsbruck und Umgebung deutlich über jenen, die Stadt und Gemeinden als Grenzen festgelegt hätten.

Gemeinden sparen sich nichts

Dabei brächten die Mietpreisobergrenzen, die für den weiteren Bezug der Mindestsicherung eingehalten werden müssen, den Gemeinden nichts, argumentierte auch Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose an einem Beispiel. Für einen Obdachlosen, der in der Innsbrucker Herberge einen Monat unterkomme, zahle die Stadt Tagsätze in der Summe von rund 1.000 Euro. Eine kleine Wohnung koste rund 500 Euro, der Obdachlose dürfe sie wegen Überschreitung der Mietpreisobergrenze aber nicht anmieten.

Viele Vorschläge, kaum politische Resonanz

Eine weitere Forderung der Sozialvereine sind politische Maßnahmen zur Nutzung leerstehender Wohnungen. Zahlreiche Wohnungen gemeinnütziger Wohnbauträger der Stadt Innsbruck stünden leer, diese sollten akut wohnungslosen Menschen unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Private, leerstehende Wohnungen sollten mit einer Leerstandabgabe versehen werden. Eine AK-Studie würde dokumentieren, dass viel Wohnraum ungenützt brach liege, so Oliver Altmayer vom DOWAS, die Abgabe könnte vielleicht den einen oder anderen Wohnungsbesitzer zum vermieten motivieren.
Neben der Leerstandsabgabe nannten die Vertreter der Sozialverein auch eine Mietzinsdeckelung, eine Zweckbindung der Wohnbauförderung, einheitliche Zugangsbedingungen zur Wohnbeihilfe in allen Tiroler Gemeinden als alte Forderungen, die von der Politik ignoriert worden seien.

Nicht nur evidente Wohnungslosigkeit

Das Problem der Wohnungsnot betreffe nicht nur augenscheinlich wohnungslose Menschen wie Obdachlose oder Flüchtlinge. Auch die Zahl versteckter Wohnungsloser sei enorm - wenn z.B. ganze Familien in Ein-Zimmer-Wohnungen lebten, wenn Mindestpensionisten keine Alternative zu schimmligen Wohnungen hätten, wenn Frauen in Gewaltbeziehungen bleiben müssten, weil sie sich eine eigene Wohnung nicht leisten können, berichtete Veronika Stöllner vom Tiroler Frauenhaus.

Die im SPAK vertretenen Sozialvereine attestierten der Politik Untätigkeit, die dazu geführt habe, dass privater Wohnungsmarkt und sozialer Wohnbau für immer mehr Wohnungssuchende nicht mehr verfügbar sei. Mit Transparenten, die auf diversen Einrichtungen angebracht werden, wollen die Sozialvereine die Problematik öffentlich machen.


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