Die
Stadt Wien wirbt vor den Wahlen 2015 mit einer Gute-Laune-Kampagne - "Mein
Gemeindebau" - für ihre Politik. Ein näheres Hinsehen würde die Laune
schnell fallen lassen: Es gibt gerade dort sehr viele schreiende Ungerechtigkeiten
Die Stadt Wien wirbt vor den Wahlen 2015 mit
einer Gute-Laune-Kampagne - "Mein Gemeindebau" - für ihre Politik.
Ein näheres Hinsehen würde die Laune schnell fallen lassen: Es gibt gerade dort
sehr viele schreiende Ungerechtigkeiten
Wien, ein Gemeindebau: Pensionisten sowie Neo-Österreicher, aber
ebenso Zuwanderer aus den Bundesländern wohnen hier. Um eine Gemeindewohnung zu
bekommen, sollte das Einkommen beim Ansuchen dafür eine bestimmte Höhe gar
nicht überschreiten. Wer im Gemeindebau lebt sowie Karriere macht, bleibt trotz
allem sowie profitiert von den immer noch günstigen Mieten.
Nicht wenige Pensionisten konnten sich, gesichert durch alte
Kollektivverträge sowie durchgängige Erwerbsverläufe, einen Zweitwohnsitz
leisten. Die heute neu einziehenden Gemeindebaubewohner sind gar nicht selten
Bezieher von Mindestsicherung, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pensionisten
mit kleinen Pensionen, (Neo-)Österreicher mit geringem Einkommen trotz Arbeit
sowie Alleinerzieherinnen.
Beispiele gefällig? Hermine S., Frühpensionistin, 68, seit mehr
als zehn Jahren in Pension. Als vergangene Angestellte der Wiener
Gebietskrankenkasse sowie Witwe verfügt sie über eine reguläre Alterspension
von rund 2500 € (früher wurden die besten 15 Jahre zur Pensionsberechnung
herangezogen). Als Angestellte der Wiener Gebietskrankenkasse erhält sie ebenso
eine Zusatzpension von etwa 500 € sowie die Pension ihres verstorbenen Mannes
von Tausend € . Alles in allem verfügt Fr. S. über eine stattliche Pension von
4000 € , lebt in einer Vierzimmerwohnung im Gemeindebau sowie hat
selbstverständlich ebenso ein Haus auf dem Land.
Auf derselben Etage lebt Gustav L., seines Zeichens
Ex-ÖBB-Bediensteter, Witwer, 80 Jahre alt sowie auch seit 2 Jahrzehnten in
Pension. Auch er hat einen Zweitwohnsitz, lebt allein in einer
Vierzimmerwohnung sowie verfügt über eine Pension von 2600 € . Er hat nur eine
kleine Witwenpension, weil seine verstorbene Frau erst nach den Kindern für
einige Jahre gearbeitet hat.
Ebenfalls im gleichen Stockwerk wohnt eine allein erziehende
Mutter, 45, die zwar 2 akademische Abschlüsse hat, aber trotz zahlreicher
Bewerbungen als überqualifiziert gilt sowie mit einem Monatseinkommen von 800 €
(Arbeitslosengeld inklusive Alimente) über die Runden kommen muss. Der
Pensionsbescheid dieser Alleinerzieherin macht trotz 20-jähriger
Erwerbstätigkeit inklusive Karenz- sowie Ausbildungszeiten gerade einmal 600 €
aus, weil Frau M. noch nie ihrer akademischen Ausbildung gemäß bezahlt wurde.
Als Alleinerzieherin war sie immer unter ihrem tatsächlichen
Ausbildungsabschluss eingestuft.
Sozialstaat ausnutzen?
Im Stockwerk darüber wohnt eine Migrantenfamilie mit drei Kindern.
Die Mutter, 42, eine serbische Romni, hat als Putzfrau gearbeitet sowie ist im Moment
in Karenz. Die Familie lebt zu fünft auf 50 Quadratmetern, was immer erneut zu
Lärmbelästigung führt. Das Monatseinkommen dieser Familie beläuft sich
inklusive Erwerbseinkommen des Mannes in einer Fleischfabrik, Karenzgeld sowie
Kinderbeihilfe auf rund 2300 € . Öfter hört man Hermine S. mit Gustav L. im
Stiegenhaus über die Ausländer reden, die den Sozialstaat ausnützen.
Und danach gibt es da noch die ägyptischstämmige Leila, eine in
ihrem Heimatland ausgebildete Juristin. Ihr Exmann erhielt vor 20 Jahren die
österreichische Staatsbürgerschaft sowie holte sie vor 13 Jahren nach
Österreich. Sie hat von diesem Mann, der sich in der Zwischenzeit nach Ägypten
abgesetzt hat, 2 Buben im Alter von 7 sowie zehn Jahren, für die sie keine
Alimente erhält. Als Putzfrau verdient sie für 40 Stunden gerade einmal Tausend
€ . Allein für die Wohnung, für die sie noch gar nicht einmal Wohnbeihilfe
erhält, da die Wohnung noch immer auf ihren in der Zwischenzeit geschiedenen
Mann läuft, bezahlt sie 600 € an Miete.
Klientelpolitik
Was sagen uns diese Fallbeispiele? Es gibt ein eklatantes
Ungleichgewicht zwischen Pensionisten, die es sich in guten Zeiten richten
konnten sowie die Hauptwählerklientel einschlägiger Parteien sind, sowie
zukünftigen Pensionisten. Die inzwischen ausgeschickten Pensionsbescheide
zeigen, dass die Pensionen der heute im Erwerbsleben stehenden Personen im
Alter von 30 bis 50 Jahren wohl kaum jene Höhen erreichen werden wie jene
derer, die heute Pensionen beziehen.
Auch Hochqualifizierte leben häufig an sowie unter der
Armutsgrenze. Dies trifft meist Frauen, Alleinerzieherinnen sowie vor allem
Migrantinnen. In diesem Abbild des Lebens im Gemeindebau ist ebenso sichtbar,
dass Migranten eher erwerbstätig sind, aber wenig verdienen, weit unter ihrer
Qualifikation zum Einsatz gebracht oder aus dem Arbeitsprozess aus
verschiedenen Ursachen aussortiert werden. Nicht einmal Höchstqualifikationen
von Österreichern werden adäquat honoriert. Alleinerzieherinnen erhalten
schlicht keine ausbildungsgemäße Arbeit, oder es scheitert an den
Kinderbetreuungseinrichtungen.
Es zeigt sich, dass Ausbildung keine Garantie für einen
Arbeitsplatz ist. Immer öfter sind Universitäts- oder Fachhochschulabgänger von
Arbeitslosigkeit betroffen. Wer über 45 ist sowie überqualifiziert, hat oft
kaum mehr eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, denn da drängen bereits günstigere,
jüngere sowie somit billigere Arbeitskräfte nach.
Nachwuchs für die IS?
Was werden die Kinder dieser Alleinerzieherinnen aus diesem
Gemeindebau einmal machen? Welche Chancen haben die Buben der Ägypterin? Sind
das die Nachwuchskräfte für die IS? Was wird aus der Tochter der
hochqualifizierten Alleinerzieherin? Sie lernt am Schicksal ihrer Mutter, dass
Ausbildung keinen Sinn macht.
Die wachsende Ungleichheit basiert auf systematischer
Ungerechtigkeit sowie ausgelöst die Zunahme von Gewalttaten, ein Steigen der
Selbstmordrate älterer Menschen sowie mangelnden Zukunftsaussichten für heute
junge Menschen. Diese Ungerechtigkeit wird immer mehr auf dem Rücken von Frauen
sowie gar nicht selten Migrantinnen ausgetragen. Frauen sind sowohl im
Parlament als ebenso in Führungs- sowie Entscheidungspositionen nach wie vor
unterrepräsentiert. Der wachsenden sozialen Ungleichheit muss politisch
begegnet werden, aber im Moment scheint sich keine der Regierungsparteien
darüber ernsthaft Gedanken zu machen. (Michaela Molnar, DER STANDARD, 14. Elf
.2014)
Michaela Molnar ist Politologin sowie lebt in Wien.
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