Der Druck auf den Wiener Wohnungsmarkt
steigt. Wer eine neue Mietwohnung in Wien sucht,
spürt das: Vor allem wegen der Verteuerungen bei den Neuvermietungen im
privaten Bereich sind die Mieten in den vergangenen sieben Jahren um fast 40
Prozent gestiegen. Und diese Tendenz wird sich weiter verschärfen, denn der
Druck auf den Wohnungsmarkt wird weiter zunehmen. Bis zu 180.000 Menschen
werden in den nächsten zehn Jahren nach Wien ziehen.
Das Angebot wird nicht zuletzt aufgrund
der steigenden Bevölkerung knapper und damit teurer. Und die verfügbaren
Flächen werden rar. „Wien gehen die Bahnhöfe aus“, sagt ein Raumplaner mit
Blick auf die letzten großen Stadtentwicklungsgebiete wie Hauptbahnhof,
Seestadt Aspern und Nordbahnhof. Mit Neubauten allein ist es aber ohnehin nicht
getan. Doch für neue Wege wird Wien laut Experten „noch viel Gehirnschmalz
brauchen“. Denn nicht überall stoßen neue Wohnprojekte auf ungeteilte
Zustimmung. Aber jetzt müssen die Weichen
richtig gestellt werden, damit Wien beim Wohnen nicht ähnliche Entwicklungen
erlebt wie andere Großstädte, etwa München, wo sich nur noch wenige Familien
das Wohnen in der Stadt leisten können.
Bis 2029 wird Wien den aktuellen Prognosen zufolge die
Zweimillionengrenze bei der Einwohnerzahl erreichen. Das war zuletzt im Jahr
1910 der Fall. Allerdings ist die Fläche des heutigen Wien zehnmal größer als
vor 100 Jahren. Und dennoch herrscht auch heute Knappheit auf dem Wohnungsmarkt
- mit allen Konsequenzen für die Miet- und Kaufpreise.
Mit dem erwarteten Bevölkerungszuwachs
stellt sich einmal mehr die Frage, wie stark sich Wien noch ausdehnen kann und
vor allem wohin. Den aktuellen Prognosen zufolge braucht Wien in den nächsten
Jahren zwischen 9.000 und 11.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Derzeit hat Wien einen „historischen
Glücksfall“ mit den großen zusammenhängenden Flächen für Stadtentwicklung beim
ehemaligen Flugfeld Aspern, den Entwicklungsgebieten rund um dem Nordbahnhof,
dem neuen Hauptbahnhof und dem Nordwestbahnhof, betonte Stadtentwickler
Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung im Zuge der
Tagung der Arbeiterkammer (AK), „Wien wohnt“, die sich mit den Herausforderungen
rund um das Thema finanzierbares Wohnen beschäftigte. Mehr Spielraum bei der Finanzierung der wachsenden Stadt
Wien hat als Großstadt mit besonderer Anziehungskraft in den nächsten Jahren große Aufgaben zu bewältigen. Damit das finanziert werden kann, muss der Bund handeln: Im Finanzausgleich muss die Stadt Wien als Wachstumsregion viel mehr berücksichtigt werden, etwa mit einer Aufgabenorientierung für Investitionen in die soziale Infrastruktur. Auf europäischer Ebene muss sich die Bundesregierung für die sogenannte "goldene Investitionsregel" einsetzen. Dadurch könnte man derzeit nicht mögliche kreditfinanzierte Investitionen in den Wohnbau oder in den Bau von Schulen und Verkehrsinfrastruktur ermöglichen, indem diese nicht mehr zur Gänze dem Defizit und dem Brutto-Schuldenstand angerechnet werden.
Wien hat als Großstadt mit besonderer Anziehungskraft in den nächsten Jahren große Aufgaben zu bewältigen. Damit das finanziert werden kann, muss der Bund handeln: Im Finanzausgleich muss die Stadt Wien als Wachstumsregion viel mehr berücksichtigt werden, etwa mit einer Aufgabenorientierung für Investitionen in die soziale Infrastruktur. Auf europäischer Ebene muss sich die Bundesregierung für die sogenannte "goldene Investitionsregel" einsetzen. Dadurch könnte man derzeit nicht mögliche kreditfinanzierte Investitionen in den Wohnbau oder in den Bau von Schulen und Verkehrsinfrastruktur ermöglichen, indem diese nicht mehr zur Gänze dem Defizit und dem Brutto-Schuldenstand angerechnet werden.
Aber: „Wien gehen die Bahnhöfe aus“,
bringt es AK-Raumplaner Christian Pichler plakativ auf den Punkt. Denn die
großen Bahnhofsareale, aber auch ehemalige Betriebsflächen wie der Schlachthof
St. Marx und das Gaswerk Leopoldau sind bereits umgewidmet und in Umwandlung.
Es werde immer schwieriger, Bauland zu gewinnen und zu finden. Das liegt auch
an den explodierenden Bodenpreisen, die es nach Meinung der Experten für den
gemeinnützigen Wohnbau immer unerschwinglicher machen zu bauen.
Zudem mangle es an einer Mobilisierung
von verfügbarem Bauland. „Es ist Bauland gewidmet, Infrastruktur wird
errichtet, aber der Eigentümer baut nicht“, analysiert Michael Roth,
Mitarbeiter im Bereich Raumordnung und Regionalpolitik im Bundeskanzleramt. Er
plädiert daher für eine Leerstandsabgabe. Mindestens
10.000 neue Wohnungen im Jahr, davon mindestens 8.000 geförderte. Das
wachsende Wien wird nicht nur geprägt sein von einem rasanten Zuzug vor allem
von jüngeren Menschen und Familien. Gleichzeitig geht auch der Trend am
Wohnungs-markt zu kleineren Wohnungen. Oberösterreich versucht
etwa bereits mit einem Aufschließungs- und Erhaltungsbeitrag, der von den
Grundstückseigentümern eingehoben wird, gegenzusteuern.
Einige Experten fordern daher eine
spezielle Kategorie bei Flächenwidmungen für den gemeinnützigen Wohnbau -
verbunden mit einer Festsetzung von Preisen. In
der wachsenden Stadt wird Bauland immer teurer. Damit der geförderte Wohnbau im
Stadtgebiet noch eine Chance hat, muss die Stadt Wien jetzt vorsorgen. Die
kürzlich novellierte Bauordnung reicht hierfür nicht aus. Es ist notwendig eine
wirksame Wid-mungskategorie "Geförderter Wohnbau" einzuführen, die
gewährleistet, dass ein fairer Anteil an Flächen auch tatsächlich dem
geförderten Wohnbau zur Verfügung steht und damit leistbarer Wohnraum
geschaffen werden kann. Die geänderte Baurechtsordnung sieht zwar
eine Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau“ vor, aber es greift nur auf die
Wohnungsgröße und energietechnische Standards zurück. Für Pichler greift das zu
kurz: „Man müsste zusätzlich noch ein Kostenlimit einbauen.“
Müssen die geförderten Wohnungen auf
Gebiete mit günstigeren Grundstückspreisen, aber schlechterer Infrastruktur
ausweichen, kann das Ziel der sozialen Durchmischung der Wohnbevölkerung
gefährdet werden. Wird aber in dicht bebautem Gebiet der Bestand verdichtet,
etwa durch die Verbauung von Innenhöfen, Aufstockungen und gänzliche Neubauten,
regt sich immer mehr Widerstand von Anrainern. „Wien wird Gehirnschmalz für
schwieriger zu erschließende Gebiete brauchen“, sagt Schremmer.
Proteste gab es etwa gegen ein
Wohnbauprojekt beim Neustifter Friedhof in Wien-Währing. Auf dem Areal der
ehemaligen Friedhofsgärtnerei sollen geförderte Wohnungen entstehen. Die
Anrainer haben dafür kein Verständnis - mehr dazu in wien.ORF.at.
Auf der Donau-Platte regt sich Unmut gegen das Danube-Flats-Projekt bei der
Reichsbrücke, Favoritener gehen bei Neubauplänen ebenfalls auf die Barrikaden,
und auch Döbling lehnt die Errichtung geplanter neuer Hochhäuser rund um die
U4-Station Heiligenstadt ab.
Im internationalen Vergleich ist die
Situation in Wien noch entspannter. Mit 215.000 Gemeindewohnungen und 155.000
Genossenschaftswohnungen liegt der Anteil an geförderten Wohnungen insgesamt
bei rund 57 Prozent. 43 Prozent der Mietwohnungen werden rein privat
finanziert.
Doch der Druck steigt auch in Wien, wie
der Wohnpreisindikator der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zeigt. Seit
2009 geht die Preisentwicklung in Österreich, ganz besonders aber in Wien,
ständig nach oben. „Im geförderten Bereich gibt es längere Wartelisten. Die
Mieten im privaten Sektor stiegen zwischen 2005 und 2012 inflationsbereinigt um
24 Prozent“, sagte Thomas Ritt, Leiter der AK-Kommunalpolitik. Angesichts der
Daten spricht Schremmer für Wien von „Anzeichen einer Immobilienblase“.
Als Ursachen für den starken Mietanstieg
gelten zum einen die Entwicklung von Immobilien zu einer Rendite versprechenden
Anlageform. Zum anderen treiben auch die mögliche Befristung von Mietverträgen
und der bei Richtwertmieten erlaubte Lagezuschlag die Mieten nach oben. Das
Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat bereits 2012 festgestellt, dass trotz
der verlangten Abschläge bei befristeten Mietverträgen diese ähnlich hoch sind
wie unbefristete Verträge.
Der geförderte Wohnungsbau hinkt
hinterher. Während es in den 90er Jahren in Wien zu einem starken Anstieg beim
Bau von geförderten Wohnungen kam, ging dieser Anteil in den 2000er Jahren
zurück. Der Tiefststand wurde 2011 mit rund 2.500 neuen Wohnungen erreicht.
2013 wurden erstmals wieder 8.000 Wohnungen geschaffen. Für die AK ist das noch
zu wenig.
Sie fordert seit längerem den Bau von
kontinuierlichen 8.000 geförderten Wohnungen pro Jahr. In diesem und im
nächsten Jahr werden nach Angaben von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) in
einem „Kurier“-Interview jeweils 7.000 geförderte Wohnungen fertiggestellt.
Damit allein ist es aber nicht getan - nicht nur aufgrund fehlenden Baulands.
Denn die wenigsten Zuwanderer und schon
gar nicht alle Österreicher könnten sich die Wohnungen des geförderten
Wohnungsbaus leisten, ergänzt der langjährige Stadtplanungsexperte Peter Moser
im ORF.at-Gespräch: „Diese Zielgruppe muss in bestehenden Wohnungen
untergebracht werden. Es geht viel mehr darum, den vorhandenen Bestand zu
mobilisieren und zu nutzen.“
Moser fordert eine Leerstandsanalyse und
eine Studie über die tatsächlichen Motive für Wohnungswechsel. Die letzte
Untersuchung über den Leerstand in Wien habe er 1995 gemacht. Heute werden die
leerstehenden Wohnungen auf 100.000 geschätzt. Moser: „Aber es will sich
niemand wirklich in die Karten sehen lassen.“
Trotz gesetzlicher Begrenzung werde in
der Praxis das verlangt, was der Markt hergebe, betont Walter Rosifka aus dem
Bereich der AK-Wohnpolitik. Das erhöhe auch den Druck auf Altmieter. Es gebe
immer wieder Fälle von Drohungen und Täuschungen, weiß Rosifka.
Im Fall eines Zinshauses im 20. Bezirk in
Wien seien etwa Altmieter dazu gedrängt worden, befristete Verträge zu
unterschreiben. Wenig später wurde ein Hausanteil zum Verkauf angeboten.
Geworben wurde mit der „hohen Anzahl der Befristungen“, die eine
„Renditesteigerung in den nächsten Jahren durchaus möglich“, mache, beschreibt
Rosifka einen Fall von Täuschung durch neue Hauseigentümer.
Diese Befristung bei Mietverträgen
beschleunige auch den sozialen und wirtschaftlichen Wandel (Gentrifizierung)in
Gebieten mit einem besonders hohen Anteil an Altbauten. Der Großteil der neu
geschlossenen Mietverträge ist befristet. Durch steigende Preise würden
Altmieter sukzessive aus den Wohnungen gedrängt, so die Kritik der AK.
Der Wandel vor allem in Gebieten mit
einem hohen Anteil von Altbauten muss aber nicht nur negativ sein. Im Rahmen
der sanften Stadterneuerung etwa wurden vor allem in den 90er Jahren zahlreiche
Altbauten mit öffentlichen Förderungen saniert. Der Anteil der
Substandardwohnungen konnte dadurch um fast zwei Drittel reduziert werden,
berichteten Mara Verlic und Justin Kadi bei ihrer Präsentation zum Thema
„Gentrification in Wien“.
In den vergangenen Jahren wurde auch ohne
Förderungen renoviert. Entscheidender Antrieb dafür waren aber Studien zufolge
nun noch eine gute Lage und eine rasch mögliche Mieterhöhung. Damit verbunden
sind nicht nur die positiven Aspekte der Aufwertung, sondern auch die damit oft
einsetzende Verdrängung der Altmieter aus den Häusern.
„Es gibt Ansätze von Polarisierung und
Segregierung“, erklärt Moser, „aber die Situation in Wien ist linder als in
anderen europäischen Städten.“ Nicht jeder Aufkauf gehe mit einer Verdrängung
der bisherigen Bewohner einher.
Und selbst die Gemeinde Wien nütze bei
den Gemeindewohnungen den im Mietrecht zulässigen „Wiedervermietungseffekt“,
dass neue Mietverträge meist teurer sind als bestehende. Moser: „Das wird
selbst beim Tausch von Wohnungen, ein Konzept, das Fehlbelegung reduzieren
kann, angewandt.“ Viele könnten sich dann selbst die Gemeindewohnung nach dem
Tausch aufgrund der aufgeschlagenen Miete nicht mehr leisten.
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