Am 8.11.2007
verabschiedeten die österreichischen Richterinnen und Richter eine
Ethikerklärung, die nach ihrem Entstehungsort als "Welser Erklärung"
bezeichnet wird.
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und
Richter hat im Jahr 2003 in Wels einen Diskussionsprozess eingeleitet, an dem
sich österreichweit alle Richterinnen und Richter beteiligen konnten. In
konsequenter Weiterentwicklung der Prinzipien der Salzburger Beschlüsse 1982
führte dies zu folgender Grundsatzerklärung, die am 8.11.2007
verabschiedet wurde:
WELSER ERKLÄRUNG
Die österreichischen Richterinnen und Richter erklären, sich in ihrem Handeln von folgenden ethischen Grundsätzen leiten zu lassen:
Art. I. Grundrechte:
Menschenrechte und Grundfreiheiten bilden die Basis unseres
demokratischen Rechtsstaates. Als Garanten des Rechtsstaates orientieren wir
unser Verhalten und unsere Entscheidungen an den Grundrechten. Wir treten jedem
Versuch, die demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung unserer Republik
infrage zu stellen, entschieden entgegen.
Art. II. Unabhängigkeit:
Wir entscheiden ausschließlich auf der Grundlage des Gesetzes
und unserer freien inneren Überzeugung. Wir weisen jede Art von ungesetzlicher
Einflussnahme zurück. Einladungen oder Geschenke, die den Anschein erwecken,
Abhängigkeiten zu schaffen, nehmen wir nicht an. Interventionsversuche legen
wir offen. Richterliche Unabhängigkeit dient dem Schutz der Recht suchenden
Menschen und darf niemals als Vorwand für Willkür oder geistig oder sozial
abgehobenes Verhalten missbraucht werden. Bei der Auswahl und Beurteilung von
Kolleginnen und Kollegen orientieren wir uns nach den Kriterien des
Richterdienstgesetzes an deren fachlicher und sozialer Kompetenz und weisen
jede Protektion zurück.
Art. III. Selbstverantwortung und
Organisation:
Wir sind uns bewusst, dass die Entwicklung einer
Richterpersönlichkeit nie abgeschlossen ist, sondern die stete Weiterbildung
auf allen Gebieten der fachlichen und persönlichen Grundlagen unseres Berufes
notwendig ist. Wir hören auch in uns selbst hinein, um unseren eigenen
Standpunkt kritisch zu hinterfragen. Unsere Zusammenarbeit mit den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist von Wertschätzung, Offenheit und
ernsthaftem Interesse für deren Anliegen getragen. Wir organisieren unsere
Arbeit und, soweit wir dazu berufen sind, die unserer Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter initiativ und zielgerichtet.
Art. IV. Ausbildung:
Eine engagierte Ausbildungsarbeit ist unabdingbarer Bestandteil
eines optimalen Auswahlverfahrens, aber auch eines positiven Bildes der Justiz
in der Öffentlichkeit. Jene, die uns in der Ausbildung anvertraut sind, bilden
wir gewissenhaft und umfassend aus.
Art. V. Justizverwaltung:
Auch im Rahmen der uns übertragenen Justizverwaltungsaufgaben
arbeiten wir im Dienste der unabhängigen Rechtsprechung. Wir bemühen uns, die
bestmöglichen organisatorischen Rahmenbedingungen für die unabhängige
richterliche Tätigkeit zu schaffen und zu erhalten. Wir sind bestrebt, die
dafür notwendigen Fähigkeiten zu erwerben.
Art. VI. Fairness:
Richterliche Unbefangenheit umfasst auch die Fähigkeit, eigene
Vorurteile zu erkennen und auf die Wirkung eigener Worte und Handlungen auf
andere zu achten. Wir begegnen Verfahrensbeteiligten sachlich, respektvoll und
äquidistant und gewähren ihnen ausgewogen Gehör. Diskriminierende Haltungen und
Äußerungen im Verfahren weisen wir bedingungslos zurück.
Art. VII. Entscheidungsfindung:
Jede Person, die das Gericht anruft oder einer Straftat
beschuldigt vor Gericht steht, darf von uns erwarten, dass wir uns sorgfältig
mit ihrem Fall befassen und eine qualitätsvolle Entscheidung treffen. Dabei
nehmen wir uns soviel Zeit wie nötig und entscheiden so zügig, wie es unsere
Arbeitsbedingungen zulassen. Wir vermeiden es, den Parteien durch Zweifelsucht
und Ängstlichkeit oder durch Beharrung auf unwesentlichen Förmlichkeiten
Nachteile zuzufügen.
Art. VIII. Öffentlichkeit und
Verständlichkeit:
Die Rechtsprechung setzt zuweilen auch über den Einzelfall
hinaus gesellschafts- und rechtspolitische Impulse. Sie braucht die Wahrnehmung
durch die Öffentlichkeit. Wir bemühen uns daher, in unseren mündlichen und
schriftlichen Äußerungen allgemein verständlich zu sein.
Art. IX. Außerdienstliches Verhalten:
Wir prüfen sorgfältig und kritisch, ob uns unsere Handlungen
oder Äußerungen in die Gefahr von Abhängigkeiten bringen oder auch nur einen
solchen Anschein erwecken können. Dies gilt auch für unser privates Verhalten,
soweit wir damit rechnen müssen, dass dadurch in der Öffentlichkeit unsere
Glaubwürdigkeit als Richterinnen und Richter infrage gestellt werden kann. Wir
sind überzeugt, dass der Beitritt zu einer politischen Partei oder
parteipolitische Tätigkeiten einer Richterin oder eines Richters der Glaubwürdigkeit
der unabhängigen, parteipolitisch unbeeinflussbaren und nicht an
Interessenverbände gebundenen Gerichtsbarkeit schaden können.
Art. X. Gesellschaftliche Einflüsse:
Das Richteramt ist ein fundamentaler Bestandteil unseres
gesellschaftlichen Gefüges. Richterliche Arbeit beeinflusst dieses Gefüge, wird
aber auch von ihm beeinflusst. Wir sind uns bewusst, dass richterliche
Entscheidungen tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse der
Menschen haben. Wir achten daher bei der Ausübung unseres Amtes stets auf diese
Zusammenhänge und gehen mit unserer Verantwortung gewissenhaft um.
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