Der Wohnaufwand für
Mietwohnungen liegt in Österreich unter dem EU-Durchschnitt. "Wohnen muss
billiger werden", verlangt der Wiener Arbeiterkammer-Präsident Rudi Kaske.
Wien. Der Wohnaufwand
für Mietwohnungen liegt in Österreich unter dem EU-Durchschnitt, doch haben
Junge und Einkommensschwächere hierzulande Probleme am Wohnungsmarkt. Zu diesem
Schluss kommen der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) und die
Autorin einer von ihm beauftragten Studie. In Sozialwohnungen sollten die
Mieten steigen können, wenn die Einkommen später wachsen, will der ÖVI.
Die regelmäßige
Überprüfung der Einkommen von Bewohnern von Gemeinde- oder
Genossenschaftswohnungen, die in Österreich fast 60 Prozent aller Mietwohnungen
stellen, könnte sich an den Regeln für die sogenannte
"Superförderung" orientieren, die es in einigen Bundesländern gebe,
sagte ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel am Donnerstag in einem Pressegespräch.
Die Mittel aus höheren, marktkonformen Mieten könnten dann den Neubau
mitfinanzieren. Bei einer Reform könnten sich die Bundesländer natürlich in
einer Gesamtschau auch die entsprechenden Wohnbauförderregeln für Eigenheime
vorknöpfen.
Das
"versteinerte" Miet-Richtwertsystem sollte angepasst werden, forderte
Holzapfel. Insbesondere der "künstlich niedrig gehaltene" Richtwert
in Wien stelle für den Markt ein erhebliches Problem dar. Hier könnte man
durchaus auf ein Niveau wie in der Steiermark oder in Salzburg anheben. Denn
weder die Grund- noch die Baukosten seien etwa in der steirischen Stadt
Leibnitz höher als in Wien. In Wien liegt der Richtwert bei 5,39 Euro/m2, in
der Steiermark und Salzburg bei 7,44 bzw. 7,45 Euro/m2. Der ÖVI-Geschäftsführer
ist aber weniger für eine fixe Größe - "damit kann man nicht soziale
Gerechtigkeit schaffen" -, sondern für ein für Mieter und Vermieter
passendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Klar sei, dass private Investoren in
einem Mietumfeld von 6 bis 7 Euro pro m2 zögerlich seien. Letztlich müsse das
Angebot vergrößert werden; auch die Gemeinde Wien sollte wieder Bauten
errichten, so der ÖVI.
Die Ökonomin Agnes
Streissler (wirtschaftspolitische projektberatung e.U.) wies darauf hin, dass
in Österreich die Wohnkosten für Mietwohnungen (inkl. Betriebs- und
Energiekosten) mit 602 Euro monatlich unter dem EU-15-Schnitt von 617 Euro
liegen, allerdings mit gewissen Abweichungen. So müssen etwa Alleinerziehende
mit 642 Euro hierzulande mehr berappen als in der EU (602 Euro), Single-Senioren-Haushalte
(Über-65-Jährige) mit 440 Euro jedoch im Schnitt weniger als in der EU (471),
jeweils nach Kaufkraftparitäten gerechnet.
Der Anteil des Wohnens
an den Haushaltsausgaben liege laut Eurostat-Daten in Österreich bei 22 Prozent
der gesamten Haushaltsausgaben, in der EU-15 und der EU-28 sind es aber 24
Prozent. Umgekehrt weise Österreich bei den Freizeitausgaben mit 23 Prozent
Anteil jedoch den höchsten Wert in der gesamten Union auf (EU-15: 18, EU-28: 17
Prozent). Beim Verkehr liegt unser Land mit 13 Prozent gleichauf mit der EU.
Während der
Sozialstaat in Österreich beim Mittelstand und bei Niedrigeinkommen
funktioniere, sei es am Wohnungsmarkt anders, so die Expertin. Jüngere und
sozial schwächere Menschen hätten hier sehr wohl Schwierigkeiten, obwohl der
Anteil der Wohn- und Energiekosten langfristig in Summe "nur" von 17
auf 22 Prozent gestiegen sei. Im Schnitt würden 20 Prozent der Mieter in
Österreich in Gemeindewohnungen leben, bei jenen mit niedrigem Einkommen sei es
ein Viertel, bei den mittleren und oberen Einkommen aber noch immer 18 bzw. 10
Prozent - "und bei den oberen Einkommen sprechen wir von 40.000 Euro pro
Kopf und Jahr", so Streissler.
Noch krasser sei es
bei den Genossenschaftswohnungen (Österreich-Schnitt 38 Prozent): bei den
Niedrigeinkommen liege der Anteil bei einem Viertel, bei den mittleren
Einkommen dominiere diese Wohnform, und bei den Top-Einkommen seien es noch
immer 40 Prozent. Umgekehrt seien 50 Prozent der Niedrigeinkommensbezieher auf
den privaten Wohnungsmarkt angewiesen, im Gesamtschnitt 42 Prozent.
Speziell neue
Mietverträge sind teuer. Bei Gemeindewohnungen legten die Neumieten von 2005
bis 2012 von 5,5 auf 6,1 Euro/m2 und Monat zu, die Bestandsmieten von 4,8 auf
5,6 Euro. In Genossenschaftsbauten wuchsen die Neumieten von 5,4 auf 6,3 Euro,
die Bestandsmieten von 5 auf 5,8 Euro. Bei privaten Hauptmieten (Baujahr nach
1945) zogen die Neumieten von 6,4 auf 8,4 Euro an, die Bestandsmieten von 5,3
auf 7 Euro und bei Häusern von vor 1945 (laut Holzapfel nur noch 19.000 Verträge)
von 6,3 auf 7,9 für Neu- bzw. von 4,8 auf 6,2 Euro bei Bestandsmieten.
Dass sich Wohnen
langfristig verteuert hat, liegt laut Streissler auch den gewachsenen
Ansprüchen und auch der größeren Fläche der Behausungen, absolut und vor allem
pro Kopf. Ja, es sei richtig, dass sich der Arbeitsstunden-Aufwand eines
Industriearbeiters für eine 70 m2 große Wohnung der Kategorie A von 1986 bis
2013 um etwa zwei Stunden von 37 auf 39 erhöht habe, "zugleich leben wir
aber heute in größeren und besser ausgestatteten Wohnungen", so die
Expertin. 1986 waren erst 40 Prozent der Mietwohnungen der Kategorie A
zuzurechnen, 2013 bereits 92 Prozent. Die Forderung nach einer Deckelung der
Mieten sei zwar "intuitiv eingängig", das Wohnungsangebot nehme aber
ab, wenn Vermietung nicht mehr so lukrativ sei. Österreich sei im
OECD-Vergleich ohnedies "recht reguliert", erstaunlicherweise aber
nicht im Sozialwohnbau. "Es gibt kaum einen Zusammenhang zwischen
Regulierung und niedrigen Wohnkosten", so Streissler.
Arbeiterkammer rechnet
nach
Für die gleiche
Wohnung muss ein Durchschnitts-Arbeiter in Wien heute um fast ein Drittel
länger arbeiten als noch 1990. Die Mietpreise in den Ballungszentren sind
gestiegen, vor allem bei den privaten Mieten. Diese Ergebnisse der aktuellen
Studie des Verbandes der Immobilienwirtschaft stärken die Arbeiterkammer in
ihren Forderungen nach einer Mietrechtsreform und Wohnbauoffensive.
"Vielen Menschen
laufen die hohen Wohnkosten davon, sie müssen dafür immer tiefer ins Geldbörsel
greifen", sagt AK Präsident Rudi Kaske. "Die Mieter und
Wohnungssuchenden müssen dringend entlastet werden. Beim Wohnen brauchen wir
rasch einen Zeitplan für eine große Mietrechtsreform - so wie bei der
Steuerreform. Eine Offensive im Wohnbau ist ebenso nötig", verlangt Kaske.
In Wien etwa hat sich
die Anzahl der Stunden, die ein durchschnittlicher Industriearbeiter für eine
70 Quadratmeter Mietwohnung der Kategorie A arbeiten muss, von 31 Stunden pro
Monat im Jahr 1990 auf 40 Stunden pro Monat im Jahr 2013 erhöht. Das heißt: Dieser
durchschnittliche Arbeiter muss heute um beinahe 30 Prozent länger für die
gleiche Wohnung arbeiten. In dieser Vergleichsrechnung wurden alle
Mietwohnungen einbezogen. Da jedoch die privaten Mieten seit beinahe einem
Jahrzehnt weit überproportional steigen, ist der Wert dort sicherlich deutlich
höher. Das gilt auch für andere Ballungszentren, etwa Salzburg und Innsbruck,
wo die privaten Mietwohnungen noch teurer sind als in Wien. Das zeigt die vom
Verband der Immobilienwirtschaft beauftragte Studie.
"Wohnen muss
billiger werden", verlangt Kaske. Konkret fordert die AK: klare
Mietobergrenzen für private Altbau-Mietwohnungen, denn das
Richtwertmietensystem bringt keine wirkungsvolle Begrenzung bei den Mieten.
"Private Mietwohnungen mit einer sogenannten Richtwertmiete sind gleich
teuer wie Mieten am freien Markt", so Kaske. Befristungen abschaffen;
Betriebskosten senken; klare Erhaltungsregeln für VermieterInnen für die
gesamte Wohnungsausstattung (etwa Elektroleitungen oder sanitäre Anlagen),
nicht nur für die Heiztherme; weg mit den Maklergebühren für Mieter.
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