Grüne und Neos
sprechen eine ähnliche Zielgruppe an. Die einen thematisieren Verkehr und
Umwelt, die Pinken Schulden und Missmanagement.
Wien/Baden. Von den 570 niederösterreichischen
Gemeinden, in denen am kommenden Sonntag gewählt wird, stellt die ÖVP in 425
den Bürgermeister. Die strategische Stoßrichtung der anderen Parteien ist somit
klar: die schwarze Übermacht brechen. Doch es laufen auch „Wettbewerbe“ auf
anderen Ebenen, etwa zwischen den Grünen und den Neos. Politikberater Thomas
Hofer glaubt, dass die NÖ-Grünen derzeit die größeren Chancen hätten, weil sie
im Bundesland schon länger und besser verankert sind. Dies sei aber nicht prinzipiell
zu sehen, die Pinken könnten noch aufholen.
Tatsächlich haben die zwei Parteien ein
ähnliches Zielpublikum – jüngere, offene Menschen – und auch dasselbe
Schwerpunktgebiet, nämlich die Wiener Umlandgemeinden, oft auch despektierlich
Speckgürtel genannt. „Viele Bewohner dort sind aus der Stadt hinausgezogen, ihr
Denken und Zusammenleben ist eher mit dem in Wien vergleichbar als mit vielen
Gebieten im restlichen Niederösterreich“, sagt Hofer.
Dass sich die Neos in dieser Region
engagieren, ist damit nur logisch. Die Parole wurde ausgegeben: „Wir kesseln
Wien pink ein.“ Der niederösterreichische Landessprecher Niki Scherak sagt:
„Einfach wird es nicht, die verfilzten Strukturen in NÖ aufzubrechen.
Veränderung ist hier unerwünscht.“
Die Themen, mit denen die Neos punkten wollen,
sind sehr lokal gehalten und in den einzelnen Gemeinden unterschiedlich. Es
gibt aber drei übergeordnete Ziele: „Das sind Transparenz, Bürgerbeteiligung
und vor allem die Verschuldungs-Problematik“, sagt Scherak. Da wolle man vor
allem Jüngere ansprechen, denen das Problem der in Niederösterreich besonders
virulenten Gemeinde-Verschuldung wichtig ist. Als besonderes Beispiel nennt er
Stockerau, wo auch schon der Rechnungshof geprüft hat und der Schuldenstand
jedes einzelnen Bürgers deutlich höher ist als sonstwo in NÖ. „Wir wollen uns
da als Kontrollpartei positionieren.“
In Stockerau gibt es übrigens eine deutliche
ÖVP-Mehrheit, den Bürgermeister stellt aber die SPÖ. Dieser wurde bei der
letzten Gemeinderatswahl mit Hilfe der Grünen auf seinen Posten gehoben.
Politische Mitbewerber
Hikmet Arslan, der Landesgeschäftsführer der
Grünen in Niederösterreich, sieht die neuen Konkurrenten gelassen: „Die Neos
sind politische Mitbewerber, aber es gibt große Unterschiede bei den Themen.“
Viele Neos-Vertreter seien Wirtschaftstreibende, daher sei deren Stoßrichtung
klar. Die Grünen würden dagegen vor allem das Thema Mobilität, öffentliche
Anbindung, aber auch Ernährung und Umweltschutz hervorheben, sagt Arslan. Alle
Themen müssten aber auf eine lokale Ebene heruntergebrochen werden. Neben den
Neos seien aber auch die vielen Namenslisten eine nicht zu unterschätzende
Konkurrenz, fügt der Grünen-Chef hinzu.
Die Grünen profitieren auch davon, dass sie
schon länger auf Gemeindeebene vertreten sind und ausgebaute Strukturen haben
(13,1 Prozent bei der Landtagswahl 2013). Sie sind in Mödling, Baden und
Neunkirchen sogar schon auf Vizebürgermeister-Ebene vertreten. Diesen Bonus
müssen die Neos erst einmal aufholen.
Dass der Neos-Spitzenkandidat in Schwechat ein
stadtbekannter Wirt ist, ist so besehen kein Nachteil. Sein Hauptthema im
Wahlkampf: die am Beispiel Multiversum-Skandal ablesbare Misswirtschaft in der
Stadt.
Auch in Gablitz an der Westbahnstrecke kämpfen
bekannte Gesichter an vorderster Front für die Pinken. Dort treten drei
ehemalige VP-Mitglieder, darunter ein Ex-Bürgermeister, an.
Nicht nur bei den Strukuren sind die Grünen
weit vorne, sondern auch rein quanitativ. Von den 570 Gemeinden treten die
Grünen in 126 Gemeinden an, die Pinken dagegen nur in 43. Für Neos-Sprecher
Niki Scherak ist es aber „schon ein großer Erfolg, dass wir überhaupt in so
vielen Gemeinden antreten können“. Denn nicht jeder Symphatisant will es sich
antun, im Falle eines tatsächlichen Erfolges die nächsten Jahre für seine
Partei auf Gemeinderatsebene, also nebenberuflich, zu arbeiten.
Dass die Kandidatensuche nicht so leicht ist,
zeigte sich etwa in Korneuburg, wo mangels Interesse von einer Neos-Kandidatur
abgesehen wurde. In Klosterneuburg gab es wiederum einen Kandidaten, der mit
einem geschmacklosen Witz via Facebook auffiel und dessen Politkarriere bei den
Neos daher nur kurz dauerte.
("Die Presse", Print-Ausgabe,
19.01.2015)
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