Der Wiener Bürgermeister zu Asyl, zum Wahljahr 2015, und wie er
Wirtschaft und Arbeitsmarkt ankurbeln will.
Er möchte "Wien zur Weltstadt des Wissens"
machen. Das sagt SPÖ-Bürgermeister Häupl im KURIER-Interview.
KURIER: Wie hält es der Bürgermeister in einem Wahljahr mit den
guten Neujahrsvorsätzen?
Michael Häupl: Der Weg zur Hölle ist
mit guten Vorsätzen gepflastert. Die habe ich mir aber abgewöhnt, nachdem ich
mir viele Jahre vorgenommen habe, mehr Sport zu machen und abzunehmen, was nur
zum Teil stattgefunden hat. Daher lasse ich es jetzt.
Es ist
eine Parole, an die wohl nicht einmal mehr die eingefleischtesten Fans von
Michael Häupl so recht glauben wollen: Bei seinem letzten Antreten will der
Langzeit-Bürgermeister für die SPÖ noch einmal die absolute Mehrheit
zurückerobern.
Die Umfragen sprechen eine andere
Sprache. Demnach kommt die SPÖ in Wien nicht einmal mehr auf 40 Prozent. Ein
deutliches Minus zum ohnehin schon mageren Ergebnis von 2010, als die SPÖ auf
44,3 Prozent (–4,8 %) abrutschte.
Für viele Beobachter stellt sich daher
nicht die Frage ob, sondern wie hoch die Stadt-Roten den anstehenden Urnengang
verlieren werden. Davon hängt letztlich auch ab, wann Häupl den Weg für seinen
Nachfolger im Rathaus freigibt. Taktisch klug wäre eine Hofübergabe erst nach
der kommenden Nationalratswahl, bei massiven Verlusten könnte Häupl allerdings
schon deutlich früher zurücktreten,
Faymann begann das Jahr minus
acht Punkten und beendete es mit minus 15. Mitterlehner dagegen stieg kurz nach
seiner Bestellung mit plus 14 in die Wertung ein, erhöhte im November auf 19
und lag vor Weihnachten wieder auf 14.
Es gibt wichtigere Themen in Wien. Aber in den nächsten Tagen
steht der Dauerbrenner, das neue Wahlrecht, an. Ist eine Einigung in Sicht?
Das
wird die eingesetzte Arbeitsgruppe klären. Mein Wille ist, dass es ein neues
Wahlrecht gibt.
Auf
einen weiteren Machtzuwachs - wie 2013/14 erlebt - können die Grünen aber nicht
recht hoffen: Sowohl in der Steiermark (5,55 Prozent) als auch im Burgenland
(4,15) - derzeit ihre beiden schwächsten Landtagsergebnisse - müssten sie sehr
kräftig zulegen, um für eine Koalition in Betracht zu kommen.
Noch vor
kurzem hat Häupl eines gesagt: Wem interessiert es?
Wenn nicht, stürzt Wien ein?
Nein.
Aber es würde eine unnötige Diskussion geben.
Alle fragen sich im Wahljahr, wann wählt Wien?
Spätestens
am ersten Sonntag im Oktober.
Wahlbeobachter werten die Vorverlegung der SPÖ-Klubklausur als ein
Indiz dafür. Warum der frühe Termin?
Die
Klausur hat immer Ende Februar stattgefunden. Jeder weiß, dass ich Anfang März
einige Tage Ski fahren gehe. Und das wird auch heuer so sein.
Also März-Wahlen sind damit ausgeschlossen.
Die
hätten wir im Dezember-Gemeinderat beschließen müssen.
Sie sind Mitglied der Steuerreformgruppe auf Bundesebene. Wann
sprechen Sie von einem Erfolg? Nur wenn es die von der SPÖ geforderte
Millionärsabgabe gibt?
Für
mich ist es dann ein Erfolg, wenn den Leuten mehr Geld im Börsel bleibt und
somit auch die Binnennachfrage entsprechend angekurbelt wird. Das brauchen wir
als einen wesentlichen Bestandteil zum Erreichen eines Wirtschaftswachstums.
Die Frage ist, ob wir einerseits 'die
Wirtschaft' tatsächlich in bestehender Form ankurbeln wollen, oder uns Gedanken
über eine tiefgreifende Wirtschaftsreform machen wollen. Österreich als
Mitglied der EU mit intellektueller Kompetenz hat durchaus die Möglichkeit,
konstruktive Vorschläge zu erarbeiten und einzubringen. Natürlich gehört auch
ins Gesundheits- und massiv ins Bildungswesen investiert, zB bei der
pädagogischen Ausbildung oder innovativen Unterrichts- und Fördermethoden sowie
bei Universitäten. Für die Wirtschaft aber auch soziale Angelegenheiten bedeutet
das eine Investition in die Zukunft.
Und wie finanzieren?
Das
ist für mich einfach eine Frage der Gerechtigkeit. Ich teile das Argument, dass
Leute, die ohnehin genug haben oder nicht aufgrund ihrer Leistung zu Geld
gekommen sind, mehr beitragen sollen.
Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt, dennoch sind mehr
als eine Million Menschen arm oder armutsgefährdet. Wie passt das zusammen? Bei
etwa 1,2 Millionen Menschen eine Armutsgefährdung gegeben. Dem müssen wir
permanent gegensteuern. Die effektive Armut war in den vergangenen zwei Jahren
zwar leicht rückgängig. Derzeit beziehen etwa 230.000 Menschen die
Mindestsicherung. Es geht um die Frage des Arbeitsmarkts. Die Teilhabe
am Erwerbsprozess ist eine der Grundvoraussetzungen, um aus der Armut
herauszukommen.
Gibt es einen Erfolg ohne vermögensbezogene Steuern?
Ich
bin überzeugt, dass es die geben wird.
Michael Häupl ist eines von
acht Mitgliedern der rot-schwarzen Steuerreform-Gruppe. Ein neuer Vorstoß für
Steuergerechtigkeit. Häupl: "Es wird vermögensbezogene Steuern geben. Da
wird die Diskussion aufzunehmen sein, die auch der Bundespräsident in seiner
Neujahrsansprache angestoßen hat – die Frage der Vermögenszuwachsbesteuerung.
So etwas gibt es ja schon, wie es auch Erbschafts- und Schenkungssteuern schon
gegeben hat, die nur durch einen Trick abgeschafft wurden." Die
Steuerreform-Gruppe könne "diese Dinge ohne großen emotionellen Aufwand
ganz ruhig diskutieren", so Häupl. Er teile "das Argument
außerordentlich, dass Leute, die ohnehin genug haben, oder Leute, die nicht
aufgrund ihrer eigenen Leistung, sondern der Leistung ihrer Eltern oder
Großeltern zu entsprechend Geld kommen, dass die durchaus auch etwas beitragen
sollen".
Und die Millionärsabgabe?
Da
muss ich erst jemanden finden, der mir erklärt, wie das genau aussieht.
Ebenfalls sind die
Erbschafts- und Schenkungssteuern vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben
worden, weil sie grundsätzlich sittenwidrig wären, sondern weil die
Einheitswerte so lange nicht angepasst wurden, dass es bei der Berechnung von
Erbschaftssteuern zu verfassungswidrigen Ungleichbehandlungen kam. Die ÖVP
hatte sich damals geweigert, die Steuern zu reparieren, womit sie automatisch
auslief.
Die Meldungen vom Arbeitsmarkt sind nicht gut. Muss die
Stadtpolitik in Sachen Jobs und Wirtschaft jetzt nicht noch kreativer werden?
Davon
rede ich die ganze Zeit. Das Wirtschaftswachstum hängt engstens damit zusammen,
dass wir den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen.
152.485 Menschen waren in der Bundeshauptstadt im Dezember auf der Suche
nach einem Arbeitsplatz
Was kann Wien tun?
Wenn
wir Wirtschaft ankurbeln wollen, dann brauchen wir verstärkte öffentliche
Investitionen. Daher fordern wir auf EU-Ebene, dass nachhaltige Investitionen
im Verkehr, im Wohnbau oder bei Gesundheits- und Bildungseinrichtungen nicht
mehr als Schulden abgebildet werden. Wir haben bereits einen Investitionsstau
für die nächsten zehn Jahre von über zehn Milliarden Euro.
Österreich (und Wien) hat ganz andere
Probleme, vor allem sozialer Natur, für die auch eine Sozialistische Partei
ökonomische agieren können muss. Diese Nähe zu den Bedürfnissen der Bevölkerung
vermissen die Menschen mitunter.
Anderes Thema: Was passiert, wenn die Innenministerin Sie ersucht,
die temporären Unterkünfte für Flüchtlinge in Wien zu verlängern, weil andere
Bundesländer noch immer zu wenige Quartiere zur Verfügung stellen?
Dann
hängt der Haussegen ernsthaft schief. Wien übererfüllt seit Jahren die Quote.
Das Mindeste, was ich dann erwarte, ist, dass die Innenministerin in diesen
Ländern die Quartiere einrichtet.
Der Wahlkampf in Wien ist eröffnet. Bleibt es bei der Ansage, die
Absolute anzupeilen?
Was
sonst.
Eventuell noch vor der Wahl ein paar
tausend Kulturbereicherer einbürgern, Gemeindewohnung, Kindergeld für`n
jährlichen Märtyrer, Mindestsicherung bzw. Narrenfreiheit in allen
Belangen...dann könnte es sich ausgehen, aber i glaub dieses Programm läuft e schon
länger
Auch wenn die Umfragen für Sie nicht prickelnd sind?
Richtig
ist, dass zwischen dem, was man den Sozialdemokraten prophezeit, und der
Absoluten eine Menge Arbeit vor uns liegt.
Was macht Sie zuversichtlich, dass die Wiener SPÖ 2015 besser
mobilisiert?
Weil
ich glaube, dass die Wiener SPÖ zumindest auch so eine gute Mobilisierungskraft
hat wie die niederösterreichische ÖVP.
Politologe Thomas Hofer spricht von einer Schmerzgrenze. Ob Sie
nach der Wahl gehen oder bleiben, liege bei 40 Prozent.
Hofer
hat zwar in den letzten zwei Jahren nie mit mir geredet, aber er wird es schon
wissen. Ich kommentiere solche Dinge nicht. Weil für mich gehen die
Überlegungen in die völlig andere Richtung.
In der
Gebührenpolitik der Städte und Gemeinden beschäftigt, wird explizit Wien
erwähnt, das laut einer RH-Prüfung für den Zeitraum 2005 bis 2007 Überschüsse
in Höhe von rund 390 Mio. Euro (Wasser, Abwasser, Müll) eingehoben hat.
"Diese Überschussentnahmen veranlagte die Stadt Wien nicht als
zweckgebundene Rücklagen, sondern führte sie dem ordentlichen Haushalt
zu", so der Rechnungshof.
Basierend auf der Methodik des Rechnungshofes kommt
man daher für den Zeitraum 2011 bis 2014 auf Überschüsse bei Wasser in Höhe von
302,6 Mio. Euro und bei Müll in Höhe von 175,2 Mio. Euro. In Summe 477,8 Mio.
Euro. Da der Bereich Abwasser ausgegliedert wurde, werden diese Überschüsse im
normalen Haushalt nicht mehr ausgewiesen. Es ist daher anzunehmen, dass die
Überschüsse insgesamt noch höher sind.
Warum stürzen Sie sich nach 20 Jahren an der Spitze der Stadt noch
einmal in einen aufreibenden Wahlkampf?
Wegen
der Herausforderung für die Stadt. Ich möchte Wien neben einer
Weltkulturhauptstadt auch zu einer Weltstadt des Wissens machen. Und dieser
Schritt muss irreversibel sein.
Die Stadt
Wien hat das Jahr 2015 - Achtung, kein Scherz - zum "Jahr des
Zufußgehens" erklärt. Mit diversen Kampagnen der Mobilitätsagentur (ja,
auch eine solche leistet sich Wien), mit Events und Veranstaltungen soll den
Wienern folgender überraschende Gedankengang eingepflanzt werden: Man kann zu
Fuß gehen. Wer hätte das gedacht! Da dieser Appell sicher ein durchschlagender
Erfolg wird, sehen wir weiteren Aktionsjahren mit Spannung entgegen. Wir
schlagen vor: 2016 "Jahr des Zähneputzens", 2017 "Jahr des Sockenanziehens",
2018 "Jahr des Schuhebindens". Und 2019 "Jahr des
Steuerzahlers", der das alles blecht.
Bezüglich einer Koalition wollen Sie sich nicht festlegen. Hat
Rot-Grün zu wenig erreicht? Wir haben das erreicht, was wir uns
vorgenommen haben. Es sind weit über 90 Prozent des Koalitionsübereinkommens
abgearbeitet. Aber ein Koalitionsvertrag ist ein Vertrag und keine Ehe. Daher
hat jetzt das Volk das Wort und dann schauen wir weiter.
Bleibt es dabei, dass die FPÖ als Partner nicht infrage kommt?
Aus
inhaltlichen Gründen. Es gibt kaum ein Thema, wo wir übereinstimmen.
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