Wiens Bürgermeister
kann nicht anders: Er nützt die Gunst des Song Contest und lässt fast ein
halbes Jahr vor dem eigentlichen Termin wählen.
(Die Presse)
Bei der Verwendung von Superlativen sollte mit
Bedacht vorgegangen werden. Dennoch, bei aller Zurückhaltung, muss das, was im
Mai im und um das Wiener Rathaus abgehen wird, als Megaparty bezeichnet werden.
Als rote Megaparty. Michael Häupl zunächst beim SPÖ-Maiaufmarsch, dann am
16.Mai als Hausherr und treuer Stammgast beim Life Ball, bereits einen Tag
später als Bürgermeister des Veranstaltungsorts bei der Eröffnungszeremonie des
Eurovision Song Contest (ESC) und der Fanmeile, die bis zum Höhepunkt, dem
Finale am 23.Mai, den Rathausplatz beleben wird – eine sonst kaum bespielte
Örtlichkeit (Achtung, Ironie!).
Und dieser Mega-Partymonat soll nicht für ein
Vorverlegen der erst im Oktober fälligen Landtagswahl genützt werden? Einer
derartigen Versuchung kann nicht einmal ein parteistrategischer Traumtänzer
widerstehen. Muss angemerkt werden, dass Häupl so manches vorgeworfen werden
mag, aber sicher nicht, politischer Traumtänzer zu sein? Er kann dieser
Versuchung nicht widerstehen, er kann nicht anders, noch dazu, da ihn von der
für die SPÖ wahrscheinlich erfolgreichen Wahl im Burgenland am 31.Mai
Rückenwind erwartet, im Gegensatz zu jenen in der Steiermark und in
Oberösterreich im Herbst. Ihm bleibt keine andere Wahl, als die Wahl
vorzuverlegen.
Es war ein Polit-Experiment, das Vorbildwirkung
haben sollte: die erste rot-grüne Koalition in Österreich. Nun droht ihr ein
vorzeitiges Ende. Denn die Wien-Wahl wird vom Oktober auf den 14. Juni
vorverlegt, so die "Presse".
Dem Wiener SPÖ-Vorstand sei
bereits die Wahlkampf-Kampagne vorgestellt worden. Dabei sei der 14. Juni in
einer Präsentation auf einer Folie zu lesen gewesen. Nur als "einer von
mehreren Terminen", wie die SPÖ am Donnerstag auf Anfrage sagte. Kryptisch
kommentierte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler den Termin auf
Facebook: "Nicht fix, aber auch nicht ausgeschlossen."
Die gesamte Maschinerie wird angeworfen
werden, mit allem, was dazugehört: Wiener SPÖ, deren viele verwandten und
befreundeten Organisationen, das Rathaus insgesamt und die Unternehmen, die
ganz oder großteils im Eigentum der Stadt Wien stehen. Wien wird im Gefolge der
– einer wirklichen Weltstadt schlecht anstehenden– ESC-Hysterie als besonders
offen, tolerant und attraktiv präsentiert werden. Stimmt ja weitgehend. Nur
wird die SPÖ alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, dies als Erfolg ihrer
Arbeit darzustellen. Alles paletti also für Michael Häupl? Steht einem
gloriosen Wahlsieg der zuletzt kaum noch erfolgsverwöhnten Wiener SPÖ nichts
mehr im Weg? (Außer in der Wiener Stadthalle passiert eine Peinlichkeit wie
damals, vor zehn Jahren, bei der Eishockey-WM, als das Eis schmolz.)
Nun ja, Partys, Megapartys gar, sollen
manchmal zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Am Tag danach. Die Wiener SPÖ
wird mit all dem Getöse zu überdecken versuchen, dass sie in einer politischen
Sackgasse steckt. Die Begeisterung vor fünf Jahren über das erstmalige
rot-grüne Regieren auf Landesebene ist der Ernüchterung gewichen. Zumindest in
der Wiener SPÖ-Zentrale.
Umfragewerte deuten auf einen weiteren Absturz
von den zuletzt 44Prozent in Richtung eines historischen Tiefs, das ein
gewisser Michael Häupl seiner Partei beim ersten Antreten beschert hat.
SPÖ-intern wird tief gestapelt: Hauptsache, ein Dreier stehe an der
Zehnerstelle. Bescheiden ist sie geworden, die Wiener SPÖ.
Parteipolitisch genützt scheint die Rathaus-Koalition in Wien vor allem dem kleineren Regierungspartner zu haben. Was eher selten zu beobachten ist. Im Bund litt die ÖVP zumindest in Vor-Mitterlehner-Zeiten unter dem gegenteiligen Effekt. Das sagt mindestens so viel über die Trägheit und Abgenütztheit der SPÖ aus wie über die Dynamik und Gestaltungsfreude der Grünen.
Parteipolitisch genützt scheint die Rathaus-Koalition in Wien vor allem dem kleineren Regierungspartner zu haben. Was eher selten zu beobachten ist. Im Bund litt die ÖVP zumindest in Vor-Mitterlehner-Zeiten unter dem gegenteiligen Effekt. Das sagt mindestens so viel über die Trägheit und Abgenütztheit der SPÖ aus wie über die Dynamik und Gestaltungsfreude der Grünen.
Mangelnde Lust am Gestalten kann den Grünen
nun tatsächlich nicht nachgesagt werden. Zumindest nicht bei den für sie
offenbar als relevant definierten Themen: Forcieren des öffentlichen Verkehrs
und des Radfahrens. Das war's dann aber auch im Wesentlichen schon wieder. Auf
fast allen anderen politischen Feldern ließen die Grünen die SPÖ weitgehend
gnädig gewähren. Oft natürlich auch notgedrungen, die eigene Größe nicht
überschätzend.
Der Frühsommer hat es also in Wien in sich.
Gelingt es Häupl doch noch, die Abwärtskurve zumindest nicht allzu steil werden
zu lassen, verschafft er der gesamten SPÖ eine kurze Atempause. Im anderen Fall
ist der Anfang vom politischen Ende des scheinbar unantastbaren Michael Häupl
besiegelt. Dass sich die SPÖ insgesamt neu orientieren muss, unabhängig vom
Ausgang der heurigen Landtagswahlen, dass sie ihr Angebot nicht nur
aufpolieren, sondern erweitern muss, steht völlig außer Zweifel.
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