Montag, 20. Januar 2014

Wohnen um 21 Prozent zu teuer

Wiener Wohnungen um 21 Prozent zu teuer

In Wien sind die Preise von Immobilien in den vergangenen Jahren stärker gestiegen, als fundamental gerechtfertigt ist. Das zeigt eine Studie der heimischen Nationalbank. Von einer Blase will man aber nicht sprechen.
Wien. In keinem anderen Euroland haben sich zwischen Anfang 2007 und Mitte 2013 die Immobilienpreise so stark verteuert wie in Österreich: In diesem Zeitraum kletterten die Preise für Wohnungen hierzulande um 39 Prozent nach oben. Vor allem in Wien war der Preisauftrieb mit 80 Prozent extrem hoch. Das geht aus einer Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) auf Basis von Daten der TU Wien hervor. Seit Längerem macht das Wort „Blase“ die Runde.

Von einer solchen wollen die OeNB-Experten aber nicht sprechen. Denn dieses Wort enthalte eine Prognose, nämlich dass die Blase platzen werde. Und das lasse sich allein aus rasch steigenden Preisen noch nicht ablesen. Denn für den steilen Anstieg gebe es gute Gründe: Die Bevölkerung in den Ballungszentren wächst, es gibt mehr Singlehaushalte, das allgemeine Wohlstandsniveau und damit das Bedürfnis nach mehr Quadratmetern pro Person steigt ebenfalls, die Vorschriften hinsichtlich Brandschutz oder Lift sind strenger geworden. Hinzu kommt, dass die Zinsen derzeit extrem niedrig sind, was Kredite günstig und Anlagealternativen rar macht: Investoren greifen auch dann zu Immobilien, wenn diese keine besonders hohe Rendite abwerfen.

Österreichweit sind Wohnungen billig

Dass die Preise anziehen, ist also fundamental gerechtfertigt. Bleibt die Frage, ob sie stärker anziehen, als fundamental gerechtfertigt wäre. Das Fazit der OeNB: Verglichen mit den fundamental gerechtfertigten Preisen sind die Immobilienpreise in Wien um 21 Prozent überbewertet, jene in ganz Österreich sind um acht Prozent unterbewertet.

Um auf dieses Ergebnis zu kommen, haben die Experten die Preisentwicklung in Relation zu Faktoren wie Inflationsrate, Haushaltseinkommen, Entwicklung der Mieten und der Baukosten etc. gesetzt. Dabei zeigte sich: Während die Immobilienpreise in ganz Österreich real (also nach Abzug der Inflationsrate) seit zwanzig Jahren stagnieren, haben sie sich in Wien in nur fünf Jahren um fast 60 Prozent gesteigert.

Das lasse keineswegs auf eine baldige Trendwende hoffen, meint Ernest Gnan von der Abteilung für Volkswirtschaftliche Analysen in der OeNB. Langfristig (also auf Sicht von Jahrzehnten bis Jahrhunderten) würden die Immobilienpreise der Inflation zwar nicht davonlaufen. Dass eine baldige Korrektur bevorstehe, lasse sich daraus jedoch nicht ablesen. Setzt man die Preise in Relation zu den Haushaltseinkommen, so sind Immobilien in Österreich zuletzt etwas leistbarer geworden. Nur in Wien ist Wohnen seit 2004 weniger leistbar geworden. Ähnliches zeigt der Vergleich mit den Mieten: Diese können in Wien nicht annähernd Schritt halten mit der Preisentwicklung. Das bedeutet, dass sich Wohnimmobilien als Investment immer weniger rechnen. Auch den Baukosten laufen die Wiener Wohnungspreise davon.

Keine Blase wie in Spanien in Sicht

Allerdings gibt es auch Entwicklungen, die gegen eine Blasenbildung sprechen. „Der Preisanstieg ist nicht unbedingt kreditfinanziert“, stellt Doris Ritzberger-Grünwald, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der OeNB, fest. Die Kredittragfähigkeit der Haushalte (sie zeigt, ob das Kreditvolumen in Bezug auf Haushaltseinkommen und Zinsen leistbar ist) hat sich seit der Finanzkrise verbessert, zum einen wegen der niedrigen Zinsen, zum anderen, weil die Haushalte hierzulande generell wenig verschuldet sind. Auch der Bausektor ist in Österreich keineswegs aufgebläht, im Gegenteil: Die Wohnbauinvestitionen sind seit Jahren rückläufig. Derzeit werden 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Wohnbau aufgewendet. In Spanien betrug dieser Wert vor der Krise 15 Prozent.

Eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität sehen die OeNB-Experten in der Preisentwicklung daher noch nicht. „Wir werden die Entwicklung aber weiter aufmerksam verfolgen“, sagt Ritzberger-Grünwald. Zudem erfolgte der Preisanstieg in Österreich von einem eher niedrigen Niveau aus. Verglichen mit Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder Italien sind Wohnungen hierzulande relativ billig. (b. l.)

Auf einen Blick

Wohnimmobilien haben sich in hierzulande seit 2007 um 39 Prozent, in Wien sogar um 80 Prozent verteuert. In der Bundeshauptstadt sind die Preise jetzt um 21 Prozent höher, als fundamental gerechtfertigt wäre. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). In ganz Österreich sind Wohnimmobilien dagegen um acht Prozent unterbewertet. Dass die Preise demnächst korrigieren, wollen die Experten daraus nicht ableiten. Auch von einer Blase wollen sie nicht sprechen: Denn anders als in Spanien vor der Krise sei der Boom in Österreich kaum kreditfinanziert, auch die Bautätigkeit ist eher verhalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2014)

Die OeNB nahm sich erstmals die Preisentwicklung der Immobilien vor. In Wien sind Liegenschaften um 20 Prozent überbewertet

Wien - Die Oesterreichische Nationalbank stellt in einer Immobilienpreisanalyse, basierend auf Fundamentaldaten, fest, dass die Immobilienpreise in Wien mit 20 Prozent überbewertet sind, in Gesamtösterreich die Preise aber mit acht Prozent unterbewertet sind.

Geringe Haushaltsverschuldung

Gleichzeitig wird betont, dass es sich um keine Immobilienblase handelt, wie sie etwa Spanien oder Irland erlebten. Der Grund: Die geringe Haushaltsverschuldung, die Käufe erfolgen häufig mit Eigenkapital, und der heimische Bausektor sei auch nicht überhitzt.
Die Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft, Doris Ritzberger-Grünwald betonte: "Das ist das Luxussegment, das in Wien so deutlich durchschlägt." Nachfrage und Angebot bewegten sich da in ganz anderen Dimensionen, verwies sie etwa auf die Preisschübe in der Innenstadt. Hinsichtlich der Finanzmarktstabilität bereite die Immobilienpreisentwicklung der Nationalbank "keine Sorge, aber sie hat unsere Aufmerksamkeit erregt".

Stärkste Preisanstiege im Euroraum seit 2007

Die österreichischen Immobilienpreise weisen im Euroraumvergleich eine atypische Entwicklung auf. Während es in einer Reihe von Euroraumländern wie Griechenland oder Spanien seit Beginn des vergangenen Jahrzehnts oder teilweise bereits ab der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre (Irland, Niederlande, Finnland) starke Preisanstiege zu verzeichnen gab, stagnierte das Preisniveau in Österreich bis zur Mitte des letzten Jahrzehnts.
Seit 2005 sei jedoch ein spürbarer Anstieg zu beobachten. Österreich hat in den vergangenen Jahren im Euroraumvergleich die stärksten Preisanstiege aufzuweisen. Von Beginn 2007 bis Mitte 2013 sind die Preise um 39 Prozent gestiegen. Damit liegt Österreich ganz klar über dem Euroraum, wo die Preise stagnierten. 

Preise gebrauchter Eigentumswohnungen stiegen rasant

Der Euroraumdurchschnitt ist von Ländern mit deutlichen Preisrückgängen nach dem Platzen von Preisblasen (Irland, Spanien, Estland, Griechenland) geprägt. Doch auch von den Ländern mit Preisanstiegen kommt kein Land an die österreichische Dynamik heran. Betrachtet man die kumulierten Preisanstiege von 2000 bis Mitte 2013, so zeigen sich die stärksten Preisanstiege bei gebrauchten Eigentumswohnungen (plus 104 Prozent), die auch das größte Segment am Wiener Immobilienmarkt darstellen.
Die Preise für neue Eigentumswohnungen (plus 60 Prozent), Baugrundstücke für Eigenheime (plus 82 Prozent) und Einfamilienhäuser (plus 75 Prozent) stiegen ebenfalls stark.

Mietentwicklung gedämpfter


Im Gegensatz dazu haben sich die Mieten nur geringfügig erhöht (plus 29 Prozent). In den Bundesländern (Österreich ohne Wien) verlief die Preisentwicklung deutlich gedämpfter. Während die Preise in Wien im Zeitraum von 2000 bis Mitte 2013 um insgesamt 96 Prozent stiegen, betrug der Preisanstieg in Restösterreich nur 41 Prozent. Nach Marktsegmenten zeigt sich in Restösterreich ein ähnliches Bild wie in Wien: Die stärksten Preisanstiege waren bei gebrauchten Eigentumswohnungen zu verzeichnen; bei neuen Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern fiel der Preisanstieg deutlich schwächer aus. (Claudia Ruff, DER STANDARD, 21.1.2014)

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